Politik

Teilprivatisierung der Bahn CDU zu Verhandlungen bereit

Nach jahrelangem Gezerre von Politik und Wirtschaft hat der geplante Börsengang der Deutschen Bahn eine entscheidende Hürde genommen. SPD-Chef Kurt Beck hatte in der Nacht in seiner Partei einen Kompromiss zur Teilprivatisierung herbeigeführt. Die Union signalisierte Verhandlungsbereitschaft. Damit gilt eine Teilprivatisierung Ende 2008 oder Anfang 2009 als möglich.

Das SPD-Präsidium billigte den vom Vorstand vorgelegten Kompromiss. Danach sollen nur noch 24,9 Prozent statt 49,9 Prozent der Anteile an einer Zwischenholding für den Personen- und Frachtverkehr an Privatanleger verkauft werden. Das sei "nicht disponibel", wies Beck Wünsche nach weiteren Erhöhungen zurück.

Milliardeneinnahmen

Fachleute in der Koalition sprachen von möglichen Einnahmen für Staat und Bahn in Höhe von 5 bis 6 Milliarden Euro. Teile der laut Beck mit Bahnchef Hartmut Mehdorn bereits besprochenen Pläne sind Investitionen in Lärmschutz und heruntergekommene Bahnhöfe.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sprach von einer "vernünftigen Grundlage" für die Privatisierung. Der von der SPD vorgeschlagene Verkauf von 24,9 Prozent an Privatanleger könne aber nur der erste Schritt hin zur Veräußerung von insgesamt 49,9 Prozent sein. Der Chef der Unionsfraktion, Volker Kauder, sagte: "Durch den Kompromiss in der SPD sind die Signale bei der Bahnreform wieder auf Grün gestellt."

Beck forderte die Union zu konstruktiven Verhandlungen am 28. April im Koalitionsausschuss auf. Zuvor soll am kommenden Montag, dem 21. April der SPD-Parteirat einbezogen werden. Die Zustimmung dort gilt nach dem Ja der Bezirks- und Landesvorsitzenden als sehr wahrscheinlich.

Kritik aus Berlin

Der Vize-Vorsitzende der SPD-Fraktion, Klaas Hübner, bescheinigte dem in der Partei umstrittenen Vorsitzenden, er habe beim komplizierten Thema "Führungsstärke demonstriert". Beck erklärte: "Ich glaube, dass man davon ausgehen darf, dass es zu einem Sonderparteitag nicht kommen wird." Bedenken gegen jegliche Privatisierung der Bahn äußerte der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit (SPD).

Auch der Berliner SPD-Landesvorsitzende Michael Müller hat den Kompromiss des SPD-Präsidiums deutlich kritisiert. "Ich habe meine Position gestern Abend bei der Beratung mit den SPD-Landesvorsitzenden sehr offensiv vertreten, dass ich es sehr kritisch sehe, überhaupt in eine Teil-Privatisierung einzusteigen", sagte Müller. "Es ist politisch-strategisch ein Fehler, im Bereich der Daseinsvorsorge zu privatisieren", sagte er.

Sonderparteitag als "mögliches Instrument"

Die Jungsozialisten und der langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Conradi wollen in der SPD gegen den Bahn-Kompromiss mobil machen. Die Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel forderte in der "tageszeitung" (taz) eine Revision der Entscheidung. Dabei sei ein Sonderparteitag ein "mögliches Instrument". Drohsel: "Wir fürchten, dass private Investoren Einfluss auf die Unternehmenspolitik der Bahn bekommen. Und das Gegenteil hat die SPD auf ihrem Hamburger Parteitag ja beschlossen."

Aus diesem Grund will Conradi, der auf dem Parteitag im Oktober eine starke Stimmung gegen die Privatisierung geschaffen hatte, den Parteirat schriftlich um die Einberufung eines Sonderparteitags bitten. Der jetzige Einstieg werde zu weiteren Privatisierungsschritten der Bahn führen, sagte er.

Grüne und Linke ablehnend

Die Grünen zeigten sich enttäuscht über den SPD-Vorschlag. "Mit diesem Vorschlag wird der Parteitag über den Löffel balbiert", sagte Parteichef Reinhard Bütikofer in Berlin. Die Linke hat den Vorschlag der SPD-Spitze abgelehnt. Die Linke sei weiterhin gegen eine Privatisierung "ohne Wenn und Aber", sagte Linke-Geschäftsführer Dietmar Bartsch in Berlin.

Mit der jetzt gefundenen Lösung verzichtete Beck darauf, den Nahverkehr völlig aus der Privatisierung herauszunehmen und nur die Bereiche Güterverkehr und Logistik sowie Personenfernverkehr an Private zu veräußern. Es handele sich entgegen öffentlichen Berichten dabei nur um eins von sieben Modellen, die er geprüft habe.

Schienennetz bleibt beim Bund

Im Bundesbesitz blieben nun die DB-Konzernmutter zu 100 Prozent mitsamt dem 34.000 Kilometer langen Schienennetz und den über 4000 Bahnhöfen, sagte Beck nach der letzten Runde der von ihm geleiteten Bahn-Arbeitsgruppe. Die Beschränkung auf 24,9 Prozent bei den Betriebsgesellschaften sichere den Bundeseinfluss. Damit könnten private Investoren keine "Sperrminorität" bei wichtigen Unternehmens-Entscheidungen erlangen, für die mindestens 25 Prozent nötig sind.

Beck wies Befürchtungen der Parteilinken über rein gewinnorientierte Anleger zum Nachteil der Bahnversorgung zurück. Er verstehe aber solche Sorgen. Nunmehr bestimme der Bund allein über die Vertreter der Anteilseigner im Aufsichtsrat der Holding. Statt der auf dem SPD-Parteitag noch verlangten Volksaktien sollen normale Stammaktien und Namenspapiere mit Beglaubigungspflicht bei Verkauf ("vinkulierte Namensaktien") ausgegeben werden.

Keine Zerschlagung des Konzerns

Das jetzt gefundene Modell verhindere eine Zerschlagung des Konzerns und mache weitere tarifliche Beschäftigungssicherungen möglich. Die Privatisierungs-Einnahmen sollen zu drei gleichen Teilen fließen: über den Bundeshaushalt in Schieneninvestitionen, in DB-Investitionen des Bahnbetriebs sowie ins Grundkapital des Unternehmens.

Die SPD will auf eine förmliche Gesetzgebung verzichten. Die zu erfüllenden Vertragsbedingungen sollen in einer Entschließung des Bundestages festgelegt werden. Mit der Bahn wird ein Beteiligungs-Vertrag geschlossen, zu dem tarifvertragliche Regelungen möglich sein sollen.

Transnet begrüßt Beschluss

Die Gewerkschaft Transnet begrüßte den SPD-Kompromiss. Zwei der wesentlichen Bedingungen seien erfüllt, sagte Transnet-Chef Norbert Hansen. So bleibe der Bund Mehrheitsgesellschafter, eine Sperrminorität privater Anleger werde verhindert. Zweitens bleibe der Konzernverbund geschützt. Bei der Opposition stieß der SPD-Vorschlag auf Kritik. Die Bahn selbst äußerte sich zunächst nicht.

Quelle: ntv.de

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