Politik

Ansage an die Wirtschaft CSU gegen "billige Arbeitskräfte"

Plakat zur Einbürgerungskampagne in NRW.

Plakat zur Einbürgerungskampagne in NRW.

(Foto: picture alliance / dpa)

Im Streit um den Fachkräftemangel präzisiert die CSU ihre Forderungen an die Unternehmen. Diese hätten die Lösung eigentlich selbst in der Hand: durch Löhne und attraktive Angebote. Der DGB kritisiert zudem die massenhafte Zunahme befristeter Arbeitsverträge.

Die CSU hat die Wirtschaft davor gewarnt, die Zuwanderung von Fachkräften als Beschaffungsprogramm für Billigarbeitskräfte zu verstehen. Zudem verlangt die Partei von den Unternehmen bei der Suche nach Fachkräften eine Konzentration auf den europäischen Arbeitsmarkt. Dies umso mehr, als vom 1. Mai an Arbeitnehmer aus acht mittel- und osteuropäischen EU-Staaten in jedem anderen EU-Land ohne Restriktionen eine Arbeit aufnehmen können. Die Gewerkschaften wiesen auf den Fachkräftemangel in Sozialberufen hin.

Ausbildung in der Altenpflege: Nachwuchs fehlt. Der Bereich ist vor allem finanziell nicht attraktiv genug.

Ausbildung in der Altenpflege: Nachwuchs fehlt. Der Bereich ist vor allem finanziell nicht attraktiv genug.

(Foto: picture alliance / dpa)

CSU-Chef Horst Seehofer sagte der "Welt am Sonntag": "Wenn Fachkräftemangel einfach dadurch behoben werden soll, dass man die Einkommensgrenzen für Zuwanderer aus aller Welt senkt, ist das nichts anderes als ein Beschaffungsprogramm für billige Arbeitskräfte." Zuwanderung dürfe keine Zuwanderung ins deutsche Sozialsystem sein, sondern müsse sich auf Spitzenkräfte konzentrieren. "Wir sollten die Internationalisierung von oben gestalten. Über die Wissenschaft, über Führungspositionen in der Wirtschaft, in der Kunst und Kultur", sagte der bayerische Ministerpräsident.

CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich sagte: "Es geht nicht, dass die Wirtschaft die Zuwanderung von Ingenieuren und anderen Fachkräften verlangt und unseren gemeinsamen europäischen Arbeitsmarkt nicht im Blick hat." Den Unternehmen müsse klar sein, "dass sie die Lösung des Fachkräfteproblems selber in der Hand haben."

Sie könnten Hilfe von der Politik bekommen, sagte Friedrich. "Aber wir können nicht die Entscheidung in Unternehmen ersetzen, attraktive Angebote an Arbeitskräfte zu machen. ... Dass so viele Leute aus Deutschland weggehen, liegt nicht an unserem Zuwanderungsrecht." Die Unternehmen müssen außerdem für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sorgen.

Mit Blick auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit zum 1. Mai sagte Friedrich: "Unsere Unternehmen müssen viel stärker europäisch denken, was den Arbeitsmarkt angeht. Es geht um hoch qualifizierte Arbeitskräfte in Europa, und da muss nicht immer nach dem gut ausgebildeten Vietnamesen oder Chinesen gefragt werden." Die Möglichkeiten würden nicht genug ausgeschöpft.

Von der Leyen sieht einen dringenden Handlungsbedarf.

Von der Leyen sieht einen dringenden Handlungsbedarf.

(Foto: dpa)

Union und FDP streiten, wie der Fachkräftemangel in bestimmten Branchen abgefedert werden kann. Die FDP will das Mindesteinkommen für Ausländer von 66.000 Euro auf 40.000 Euro senken. Das lehnt vor allem die CSU ab. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will den Zuzug von Fachkräften auch gegen Widerstand in der Koalition fördern. Sie schlug vor, in bestimmten Branchen die Vorrangprüfung für heimische Arbeitskräfte auszusetzen.

Verdi-Chef Frank Bsirske sagte, vor allem in den sozialen Berufen bestehe ein Fachkräftemangel. Er nannte Lehrkräfte, Erzieher, Krankenpfleger, Ärzte und Altenpfleger als Beispiele. "Das sind Bereiche, in denen deutlich mehr investiert werden muss, um die finanzielle Attraktivität der Berufe und die Arbeitsbedingungen zu verbessern." Zudem müssten Kinder mit ausländischen Wurzeln bessere Chancen in Bildung und Beruf bekommen. Seiner Ansicht nach sollte der Zuzug von Fachkräften über ein Punktesystem geregelt werden. Kanada und Australien gäben dazu durchaus Vorbilder ab.

DGB in Sorge

Der Deutsche Gewerkschaftsbund beklagte im Zuge der Diskussion eine deutliche Zunahme befristeter Arbeitsverträge. Fast jede zweite Neueinstellung sei inzwischen davon betroffen, sagte der DGB-Arbeitsmarktexperte Wilhelm Adamy. Noch 2007 habe der Anteil der befristeten Arbeitsverträge bei 41 Prozent gelegen. Auch Akademiker seien von dieser Einstellungspolitik stark betroffen.

Die Unternehmen nutzten diese Form der Anstellung, um Beschäftigte beim Auslaufen der Arbeitsverträge wieder auf die Straße setzen zu können, kritisierte Adamy. Nach DGB-Erkenntnissen gibt es vor allem bei den Wach- und Sicherheitsdiensten sowie bei der Gebäudereinigung befristete Jobs. Auch im Handel und im Gastgewerbe seien derartige Arbeitsverhältnisse besonders verbreitet.

Nach Einschätzung von Adamy führen befristete Anstellungen ohne absehbare Beschäftigungssicherheit bei jungen Menschen dazu, dass sie auf eine Familiengründung verzichten müssten. Außerdem trage die Praxis nicht dazu bei, den Fachkräftemangel zu beseitigen. Wer Fachkräfte wolle, müsse ihnen auch Einkommenssicherheit bieten.

Quelle: ntv.de, dpa

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