Attacken auf die EZB CSU in der Euro-Klemme
10.09.2012, 18:54 Uhr
Söder und Seehofer am Montag auf dem Weg zu Sitzung des bayerischen Kabinetts.
(Foto: dpa)
Ironie von der CDU, Spott von den Freien Wählern, Kritik sogar von der Chefin der eigenen Landesgruppe im Bundestag: Die CSU muss für ihren Euro-Schlingerkurs Prügel einstecken. Während Ministerpräsident Seehofer sich hinter Kanzlerin Merkel stellt, fordert sein Finanzminister die Bundesregierung auf, die EZB zu verklagen.
Die CSU ist mit ihrer Haltung in der Schuldenkrise innerhalb der schwarz-gelben Koalition weitgehend isoliert. Nach Klagedrohungen gegen die Europäische Zentralbank durch führende CSU-Politiker warnte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe, "diese Diskussion nicht mit Schärfen gegenüber der EZB in unangemessener Weise zu erschweren".
Deutlich wurde auch, dass die von Politikern wie Generalsekretär Alexander Dobrindt und Landesfinanzminister Markus Söder vertretene Linie keineswegs auf die ungeteilte Zustimmung der Partei trifft. Die Chefin der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, verteidigte das geplante Vorgehen der EZB bei Anleihekäufen. "Wir stehen zu der gerade von Deutschland hart erkämpften Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank - auch bei Entscheidungen, die uns Unbehagen bereiten", sagte Hasselfeldt.
In der Pressekonferenz nach einer Sitzung des CDU-Präsidiums reagierte Gröhe auf eine Frage nach seinem CSU-Kollegen Dobrindt mit leicht gequälter Ironie. "Ich gehe davon aus, dass es ihm darum geht, aus seiner Sicht offene Rechtsfragen bald geklärt zu haben."
Dobrindt hatte den Eilantrag des CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler gegen das EZB-Programm zum Kauf von Staatsanleihen unterstützt. In der "Augsburger Allgemeinen" nannte Dobrindt das Vorgehen der Notenbank "falsch und brandgefährlich". Seine Beschimpfung des EZB-Präsidenten Mario Draghi, die kürzlich für allgemeine Empörung gesorgt hatte, wiederholte Dobrindt nicht. An dem Wort "Falschmünzer" hänge er nicht. "In der Sache bleibe ich dabei", fügt Dobrindt hinzu. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte diese Attacke mit dem Hinweis kommentiert, jeder möge seine Worte sorgfältig abwägen.
Söder: Bundesregierung sollte gegen EZB klagen
Finanzminister Söder regte gar eine Klage gegen die EZB an. "Deutschland muss handeln", sagte der CSU-Politiker in München. Die Notenbank habe mit ihrem Bekenntnis eine völlig veränderte Situation geschaffen und ihr Mandat "eindeutig überschritten". Weil bei ihr künftig auch die Banken-Aufsicht angesiedelt werden solle, entwickele sich die EZB zu einer "europäischen Super-Behörde".
Die Bundesregierung dürfe nicht tatenlos zusehen und müsse die EZB notfalls beim Europäischen Gerichtshof verklagen, sagte Söder. Für eine solche Klage gebe es gute Gründe. Es wäre aber nur das letzte Mittel. "Am Ende kann so was stehen."
CSU-Mann Gauweiler hatte beim Bundesverfassungsgericht einen Eilantrag gegen das von der EZB angekündigte unbegrenzte Anleihen-Ankaufprogramm eingereicht. Gauweiler, der bereits gegen den Euro-Rettungsschirm ESM geklagt hat, stellte den Eilantrag mit Blick auf das am Mittwoch erwartete ESM-Urteil. Ein Sprecher des Karlsruher Gerichts sagte, der Eilantrag werde geprüft und eine Entscheidung darüber möglicherweise am Dienstag bekanntgegeben.
"Dobrindt leidet unter Geistesspaltung"
Unklar bleibt die Rolle von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer in der Inszenierung: Nach der Attacke auf Draghi hatte der CSU-Chef seinen Generalsekretär noch ein bisschen zurückgepfiffen. In der vergangenen Woche lobte er bei einem Auftritt ausdrücklich den Kurs der Kanzlerin in der Euro-Politik.
Aber Seehofer, der am Montag zu einer Reise nach Israel aufbrach, weiß auch, dass 2013 in Bayern gewählt wird. Im Landtagswahlkampf steht die CSU unter Beschuss der Freien Wähler, die massiv auf Anti-Euro-Kurs marschieren. Der Schlingerkurs der CSU wird von ihnen mit Spott kommentiert. "Dobrindt hat dem ESM im Bundestag persönlich zugestimmt und jetzt begrüßt er Gauweilers Eilantrag gegen den ESM. Herr Dobrindt leidet offensichtlich unter Geistesspaltung und sollte dringend zum Arzt gehen", sagte Parteichef Hubert Aiwanger.
Karlsruhe verkündet Entscheidung am Dienstag
Der bisherige Zeitplan sieht vor, dass das höchste deutsche Gericht am Mittwoch sein Urteil darüber veröffentlicht, ob der ESM und der Fiskalpakt zur Sanierung der Staatshaushalte mit dem Grundgesetz vereinbar sind. CDU-Generalsekretär Gröhe zeigte sich zuversichtlich, dass Karlsruhe für beide Projekte grünes Licht geben werde. "Wir wissen um die klar pro-europäische Ausrichtung unseres Grundgesetzes und der bisherigen Rechtsprechung", sagte er nach der Sitzung des CDU-Präsidiums.
Hintergrund der neuen Debatte ist Draghis Ankündigung, dass die Notenbank Anleihen von Schuldenstaaten aufkaufen will. Dies hatte gerade in der CSU Sorgen über unlimitierte Ankäufe ausgelöst, die dann die Reformanstrengungen in den angeschlagenen Euro-Staaten bremsen könnten. Draghi hatte allerdings betont, dass die EZB - anders als jetzt - nur dann tätig werde, wenn sich das betreffende Land unter den Rettungsschirm begibt und damit harte Auflagen zur Haushaltssanierung akzeptiert.
"Die EZB hat klar gemacht, dass auch für sie Solidarität keine Einbahnstraße ist: Anleihekäufe sollen - und dürfen - nur dann erfolgen, wenn sich das betreffende Land dem Diktat des Rettungsschirms unterworfen hat", betonte Hasselfeldt deshalb. Das gehe nur mit Zustimmung des Deutschen Bundestages.
Merkel: EZB handelt im Rahmen ihres Mandats
Ähnlich äußerten sich Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble in einer Sitzung der Unionsfraktion. "Das angekündigte Vorgehen der EZB ist im Rahmen ihres Mandates", sagte Merkel nach Angaben mehrerer Teilnehmer. Man könne sicher lange diskutieren, wo die Grenze des Mandats verlaufe, sagte sie. Entscheidend sei aber die Bedingung der EZB, dass sie nur Anleihen von Programmländern des Euro-Rettungsschirms aufkaufen werde. Schäuble äußerte sich nach Teilnehmerangaben ähnlich.
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte vor der Präsidiumssitzung seiner Partei, der EZB-Beschluss sei rechtlich wie sachlich grenzwertig. Dies bedeute aber, die Grenze sei noch nicht überschritten. Im Übrigen sei es das gute Recht, jede Entscheidung im Rechtsstaat gerichtlich überprüfen zu lassen.
Linke unterstützt Gauweiler
Unterstützung erhält Gauweiler derweil auch von der Linkspartei. "Wenn er damit Erfolg hat, ist es letztendlich auch ein Erfolg für uns", sagte Linksfraktionschef Gregor Gysi. Die Linke habe sogar überlegt, einen ähnlichen Antrag zu stellen.
Quelle: ntv.de, hvo/rts