Entscheidung vertagt Cameron fürchtet die Transaktionssteuer
18.11.2011, 15:42 Uhr
Einig, aber uneinig: David Cameron und Angela Merkel.
(Foto: dpa)
Großbritannien ist wegen der Schuldenkrise in der EU besorgt, auch wegen der eigenen Finanzwirtschaft. In Berlin lehnt Premier Cameron im Gespräch mit Bundeskanzlerin Merkel eine Finanztransaktionssteuer ab, verpackt sein Nein aber diplomatisch geschickt. Die Bundesregierung dementiert Meldungen über eine mögliche neue EU-Finanzbehörde.
Deutschland und Großbritannien wollen trotz anhaltender Differenzen gemeinsam an einer Lösung der Schuldenkrise in der Eurozone arbeiten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unterstrich nach einem Treffen mit dem britischen Premierminister David Cameron in Berlin ihre Forderung nach eng begrenzten Änderungen der EU-Verträge, um die Einhaltung der Euro-Stabilitätsregeln strenger überwachen zu können. Sie sagte aber zugleich, man sei sich einig, bis zum EU-Gipfel Anfang Dezember in Brüssel gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten, "weil jeder die Haltung des anderen versteht".
Beim deutschen Vorstoß für eine Finanztransaktionssteuer sind sich beide Länder weiter uneins. London lehnt eine Einführung in Europa ab und hält dies nur global für möglich, wie Cameron bekräftigte. Er betonte, Großbritannien wolle in Europa aktiv und positiv agieren, "weil wir eine engagierte Handelsnation sind". Die Stabilität der Eurozone betreffe auch Großbritannien, das ihr nicht angehört.
Handel betreiben die Briten vor allem mit Dienstleistungen und damit auch Finanzprodukten. Die machen fast vier Fünftel des Bruttoinlandproduktes aus. London gilt als größter Finanzplatz der Welt. Eine europäische Transaktionssteuer könnte die beiden Zentren City of London und Canary Wharf im globalen Wettbewerb benachteiligen.
Keine EU-Finanzbehörde
Die Bundesregierung dementierte indes einen britischen Zeitungsbericht über ein angeblich vertrauliches Papier des Auswärtigen Amtes mit einem Konzept für eine neue EU-Finanzbehörde zurückgewiesen. Es handele sich um seit geraumer Zeit bekannte Überlegungen zur Ausgestaltung und Weiterentwicklung des dauerhaften Rettungsfonds ESM, hieß es aus dem Ressort. Daran sei nichts Geheimes. Entsprechende Vorstellungen habe Außenminister Guido Westerwelle bereits öffentlich erläutert.
Der "Daily Telegraph" hatte unter Berufung auf ein angeblich vertrauliches Papier aus dem Außenministerium in Berlin geschrieben, es gebe Pläne, eine neue EU-Finanzbehörde mit großen Befugnissen aufzubauen. Großbritannien hatte in den vergangenen Wochen stets deutlich gemacht, es wolle mehr Macht aus Brüssel auf die Insel zurückholen, statt mehr Befugnisse abzugeben.
Merkel betonte nach dem Treffen mit Cameron ihren Einsatz für den Zusammenhalt aller 27 Mitgliedsländer der Europäischen Union, der angesichts der Globalisierung wichtig sei. Die Kanzlerin und der britische Premier pochten zudem auf eine rasche Umsetzung der Ende Oktober vereinbarten Maßnahmen zur Euro-Stabilisierung. "Da zählt jeder Tag", sagte Merkel.
Schäuble pocht auf Umsatzsteuer
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte zuvor erneut für die Einführung einer europaweiten Finanztransaktionssteuer geworben. Es gebe überall für alle Güter und Dienstleistungen eine Umsatzsteuer. Nur Finanzdienstleistungen seien davon ausgenommen. "Und ich kann nicht erkennen, warum das so sein soll", sagte Schäuble.
Über die Steuer könne ein Teil der sehr hohen Kosten bewältigt werden, um Ansteckungsgefahren der Krise zu verhindern. Es könnten vor allem aber auch manche Übertreibungen an den Finanzmärkten eingedämmt werden. Hier liefen Prozesse – auf Basis computergesteuerter, komplexer Rechenmodelle – quasi automatisch ab. Und keiner steuere diese oder habe einen kompletten Überblick, so Schäuble.
Quelle: ntv.de, rpe/dpa/AFP