Briten empört über Invasion beim "Guardian" Cameron manövriert sich ins Aus
21.08.2013, 21:41 Uhr
Der britische Premierminister Cameron konnte sich bislang viel erlauben - doch die "Entweihung" des "Guardian" verzeihen ihm seine Landsleute nicht.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Die Affäre um Edward Snowden und die NSA sorgt weltweit für Aufsehen. Politiker, Datenschützer und Bürger zeigen sich besorgt über die Machenschaften der Geheimdienste. Nur ein Volk ist bislang ruhig geblieben - die Briten. Das könnte sich nun mit dem vom britischen Premier Cameron in Auftrag gegebenen Einmarsch beim "Guardian" geändert haben.
Als Edward Snowden gemeinsam mit dem "Guardian"-Enthüller Glenn Greenwald das Gebaren des US-Geheimdienstes NSA enthüllte, blieb es in Großbritannien vergleichsweise ruhig. Ein öffentlicher Aufschrei der Empörung in Richtung Downing Street blieb aus - obwohl nach Umfragen schon damals die meisten Briten Snowdens Vorgehen für richtig hielten.
Die Regierung in London, durch die Beteiligung der eigenen Spione vom Überwachungsdienst GCHQ eigentlich schon damals schwer in der Bredouille, verabreichte der Bevölkerung die Beruhigungspille mit Allzweckwirkung. "Nationale Sicherheit" - damit ist im patriotischen Großbritannien so ziemlich alles zu begründen. "Rechtschaffene Bürger haben nichts zu befürchten", sagte Außenminister William Hague damals - vielen Briten reichte das schon zur Beruhigung.
Doch mit seiner von vielen als tollpatschig betrachteten Attacke gegen den "Guardian" - mit das beste und angesehenste, was der angelsächsische Journalismus hervorgebracht hat - hat Cameron jetzt ein Eigentor geschossen. Der Premier hatte seinen höchsten Beamten angewiesen, Druck auf die Redaktion des "Guardian" auszuüben und Computer-Festplatten mit Snowden-Material vernichten zu lassen. Plötzlich ist das Thema Snowden auf der Insel in aller Munde - und vor allem der Wahn der britischen Regierung, weitere Veröffentlichungen zu verhindern.
Berater tüfteln an Rechtfertigung
Camerons Berater in der Downing Street arbeiten fieberhaft an einer Strategie, wie sie das Vorgehen Londons noch als halbwegs vereinbar mit dem Grundrecht der Pressefreiheit und demokratischen Grundsätzen darstellen können. Stoßrichtung im Moment: London habe die Veröffentlichung der Daten ja schließlich zunächst erlaubt, verlangte dann aber illegal erlangtes Recherchematerial zurück. "Ihr hattet euren Spaß, jetzt wollen wir das Zeug zurück", soll ein Regierungsvertreter zu "Guardian"-Chefredakteur Alan Rusbridger gesagt haben.
Dass Cameron damit jedoch einfach so ungeschoren durchkommt, ist eher unwahrscheinlich. Die schiere Ansammlung von Ungeheuerlichkeiten, die in den vergangenen drei Tagen ans Licht kam, rief eine ganze Armada von Fachleuten auf den Plan. Fast genüsslich nahmen sie die Aktionen von Regierung und Geheimdienst auseinander. Tenor: Die Behörden haben nicht einmal das richtige Gesetz zur Grundlage ihrer Aktionen gemacht.
Das neun Stunden lange Festhalten von David Miranda, dem brasilianischen Ehepartner von "Guardian"-Enthüller Glenn Greenwald, sei ein "klarer Machtmissbrauch" gewesen, wetterte Julian Huppert von den Liberaldemokraten. Dass die Behörden annahmen, der Marketing-Student Miranda könne ein Terrorist sein - und nur unter diesem Verdacht sei die Anwendung des Gesetzes zu rechtfertigen - betrachten die Experten als geradezu lächerlich.
"Ich bin hier sehr klar - dieses Gesetz greift hier nicht, weder von seinen tatsächlichen Bestimmungen noch von seiner Zielrichtung", sagte Lord Charles Falconer dem "Guardian". Der Labour-Politiker hatte das Gesetz im Jahr 2000 mit initiiert - vor allem, um nordirische Separatisten abzuwehren.
Die Weltöffentlichkeit distanziert sich von London
Während die gesamte politische Führung in Großbritannien zugeben musste, über die auch als "Schlag gegen die Pressefreiheit" gegeißelte Aktion Bescheid gewusst zu haben, distanzierte sich das Ausland mehr und mehr von London. Selbst in befreundeten Ländern hielt kaum noch jemand die Hand vor den Mund. "Ein solches Szenario ist bei uns kaum vorstellbar", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Im Weißen Haus in Washington war der Tenor fast wortgleich. "Es ist sehr schwer, sich ein Szenario vorzustellen, in dem das angemessen wäre", sagte Josh Earnest, Sprecher des Weißen Hauses.
In Moskau feixt die russische Regierung. Sie wird sonst vom Westen wegen Verstößen gegen die Pressefreiheit gern an den Pranger gestellt. Der Kreml steht zudem gegenwärtig wegen der Gewährung von Asyl an Edward Snowden in der Kritik. London messe mit zweierlei Maß, sagte der Sprecher des russischen Außenministeriums, Alexander Lukaschewitsch.
Quelle: ntv.de, dpa