Politik

Lage in Algerien völlig unübersichtlich Cameron sagt Rede zur EU ab

Stepmap Geiseldrama in Algerien

Stepmap Geiseldrama in Algerien

Der Versuch einer Geiselbefreiung in Algerien endet in einem Desaster. Großbritannien, die USA, Japan und Norwegen halten sich mit ihrer Kritik an Algerien nicht zurück. Der britische Premier Cameron sagt eine seit Langem erwartete Rede zum Verhältnis seines Landes zur EU ab.

Eine algerische Militäraktion zur Befreiung hunderter Geiseln auf einem Gasfeld des britischen Mineralölunternehmens BP ist am Donnerstag in einem Blutbad geendet. Die Zahl der Opfer ist auch einen Tag danach völlig unklar. Großbritannien, die USA, Japan und Norwegen übten heftige Kritik an der algerischen Informationspolitik. Bei der Militäraktion sollen etliche Mitarbeiter dieser Länder ums Leben gekommen sein.

Der britische Premier David Cameron sagte wegen der dramatischen Lage seine für heute in Amsterdam geplante Grundsatzrede zum britischen Verhältnis zur EU ab. Nach bisherigen Informationen wurde ein Brite getötet, zwei Schotten konnten entkommen. Cameron ließ zudem erklären, dass er gern im Vorfeld über die Militäraktion informiert worden wäre. Er sagte, dass sich Großbritannien auf weitere sehr schlechte Nachrichten einstellen müsse. Es sei eine "äußerst schwierige Situation", meinte Cameron.

Ein britischer Beamter sagte dem US-Sender CNN, dass es auf dem Gasfeld an mehreren Stellen noch "Aktivitäten" gebe. Es sei jedoch unklar, was genau geschehe. Unter den Opfern des Terrorüberfalls sei eine "erhebliche" Zahl von Britten. Britische und US-amerikanische Beamte sagten voraus, die Militäroperation werde heute bei Tageslicht weitergehen. Es gebe weiter Geiseln und Terroristen dort, zitierte der Sender einen nicht namentlich genannten hohen US-Beamten.

Hinter der Geiselnahme steht nach algerischen Angaben die Organisation Al-Kaida im islamischen Maghreb (AQMI). Die militanten Islamisten forderten ein Ende des französischen Einsatzes in Mali. Die algerische Regierung hatte Verhandlungen mit den Terroristen kategorisch ausgeschlossen und sich für den Sturm auf die Anlage entschieden.

Norwegen und Japan fordern Zurückhaltung

Die Operation sei bedauerlich, sagte der japanische Regierungssprecher  Yoshihide Suga. Tokio sei über die Militäroperation zur Befreiung der Geiseln nicht informiert worden. Unter den Toten sollen nach ersten Informationen auch zwei Japaner sein. Das Schicksal von 14 Landsleuten sei noch unklar, hieß es in Tokio. Drei Japaner seien in Sicherheit. Aus Protest gegen das algerische Vorgehen bestellte das japanische Außenministerium den algerischen Botschafter in Tokio ein. Japan protestierte damit offiziell gegen den Angriff des Militärs und forderte den sofortigen Stopp der Aktion. 

Norwegens Ministerpräsident Jens Stoltenberg beklagte ebenfalls, man habe noch immer keine sicheren Informationen über das Schicksal der Geiseln. Stoltenberg sagte in Oslo, dass seine Regierung Algerien offiziell um militärische Zurückhaltung zum Schutz der Geiseln gebeten habe. Er sei dann am Mittag um 12.00 Uhr telefonisch von seinem algerischen Kollegen lediglich über die bereits laufende Militäraktion informiert worden. Auch die offiziellen Informationen aus Algier nach dem vermutlichen Abschluss des Militäreinsatzes seien unvollständig gewesen.

Der "Einäugige" soll tot sein

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Ein Satellitenbild zeigt die Anlage, auf der die Geiseln festgehalten werden.

(Foto: DigitalGlobe)

Die mauretanische Nachrichtenagentur ANI meldete unter Berufung auf einen Sprecher der Islamisten, dass auch deren Anführer tot sei. Der Algerier Mokhtar Belmokhtar führt einen gnadenlosen Dschihad gegen die "Ungläubigen". Mehrfach totgesagt, entging er immer wieder seinen Häschern. Das brachte dem Einäugigen den Spitznamen "der Unfassbare" ein. Belmokhtars Brigade soll 200 bis 300 Mann stark sein und sich "Die mit Blut unterschreiben" nennen. Er soll den Angriff auf In Amenas selbst angeführt haben.

Algerischen Medien zufolge gelang 15 Ausländern und 30 Algeriern vor dem Angriff die Flucht. Später seien 600 weitere Geiseln aus einer Wohnanlage befreit worden. Bestätigungen für die verschiedenen Berichte gab es nicht.

Auch ein nordirischer Mitarbeiter des Gasfelds befreite sich aus den Händen der Geiselnehmer. Sein Bruder sagte, der Mann sei aus einem Fahrzeug entkommen, auf das die algerische Armee geschossen habe, und nun in Sicherheit sowie bei guter Gesundheit. Allerdings habe er während der Geiselnahme "Sprengstoff um den Hals" tragen müssen, sagte der Bruder.

Viele Tote zu beklagen

Wie die staatliche Nachrichtenagentur APS am späten Abend berichtete, sei bislang lediglich der Wohnbereich befreit. Dies gelte jedoch nicht für die Produktionsstätte. Dort habe das Militär bewaffnete Terroristen umstellt. Zuvor hatte APS berichtet, die Befreiungsaktion sei beendet worden. Dann hieß es, diese Angaben hätten sich nur auf die Wohnanlage bezogen.

Algerische Hubschrauber und Bodentruppen hatten das Terrorkommando angegriffen, das sich seit Mittwoch mit Dutzenden von ausländischen und hunderten algerischen Geiseln auf dem Gasfeld verschanzt hielt. Dabei gab es Medienberichten zufolge viele Tote, mehrere ausländische Arbeiter konnten befreit werden. Nach Darstellung der Terroristen starben allein bei Luftschlägen 35 Geiseln und 15 Kidnapper.

Informationsminister Mohamed Said Belaid bestätigte, dass es Opfer gegeben habe: "Unglücklicherweise" seien einige Tote und Verwundete zu beklagen, es sei aber auch eine große Zahl von Terroristen "neutralisiert" worden.

Der britische Außenminister William Hague kritisierte die Terroraktion als "kaltblütigen Mord". Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich warnte vor der Terrorgefahr für Europäer. "Wir stehen im Fadenkreuz des islamistischen Terrors", sagte er beim Treffen der EU-Innenminister im irischen Dublin.

Quelle: ntv.de, ppo/dpa/AFP/rts

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