Ex-Top-Terrorist wartet auf Urteil Carlos sieht sich als Polit-Opfer
15.12.2011, 20:57 UhrZum Schluss wurde es einsam für den Ex-Terroristen "Carlos". Bei seinem stundenlangen, konfus wirkenden Schlusswort im Pariser Terrorismusprozess leert sich der Saal. Ein Urteil wird für Freitag erwartet.
Mit einem fünfstündigen Schlusswort des Angeklagten ist in Paris ein Prozess gegen den einstigen Top-Terroristen Carlos zu Ende gegangen. Mit einem "Vive la Revolution!" (Es lebe die Revolution) beendete der Venezolaner Ilich Ramirez Sanchez am Abend seine mitunter konfus wirkende Rede. Die Richter zogen sich danach zu Beratungen über ein Urteil zurück, die mehrere Stunden dauern könnten. Die Urteilsverkündung wurde für den frühen Freitag erwartet.
Carlos wird vorgeworfen, hinter vier Attentaten 1982/1983 auf Züge, Bahnhöfe und eine Zeitung zu stecken. Die Verteidigung hatte den Venezolaner in ihrem Schlussplädoyer als Polit-Opfer und Widerstandskämpfer dargestellt. Zum Ende des sechswöchigen Verfahrens versuchte seine Anwältin Isabelle Coutant-Peyre dabei, dem bereits zu lebenslanger Haft verurteilten Angeklagten eine erneute lebenslange Strafe zu ersparen. Die Pariser Staatsanwaltschaft hatte zuvor das Bild eines gewaltbesessenen Mannes ohne Reue oder Mitgefühl für die Opfer der ihm vorgehaltenen Anschläge gezeichnet.
Carlos selbst begann seine Schlussbemerkungen in seiner verglasten Angeklagten-Box in einer freien Rede auf Französisch. Ein Notizheft in Händen haltend betonte er, vom Kampf der Palästinenser überzeugt gewesen zu sein. Wild gestikulierend meinte er zum Auftakt der Rede, es gebe in der Klageschrift keine Details. Die aber seien wichtig. Zu den Vorwürfen äußerte er sich aber ebenso wenig wie zu den Opfern der Anschlagsserie, die ihm vorgehalten wird.
Carlos zitierte Gaddafi
Zusammenhanglos nannte er den Prozess eine Komödie, sich selbst einen Kommunisten, aber auch gottgläubigen Menschen, der als "lebender Märtyrer" illegal in Haft gehalten werde. Irritiert reagierte er, als er mehrere Zuschauer beim Verlassen des Gerichtssaals oder gelangweilt beim Blättern in Unterlagen bemerkte. Am Ende seiner fünfstündigen Rede zitierte er sichtlich gerührt auf arabisch auch aus einem angeblichen Testament des getöteten libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi zitierte.
Viele Tote und Verletzte bei Anschlägen
In dem Terrorprozess vor dem nur mit Berufsrichtern besetzten Geschworenengericht geht es um vier Anschläge mit 11 Toten und rund 150 Verletzten aus den Jahren 1982/83 - Bombenanschläge auf einen Zug Paris-Toulouse am 29. März 1982, auf den Pariser Sitz des arabischen Magazins "Al Watan Al Arabi" am 22. April 1982 sowie einen Doppelanschlag am 31. Dezember 1983 auf einen Hochgeschwindigkeitszug Marseille-Paris und den Bahnhof in Marseille. Laut Anklage hatte Carlos die Anschläge in Auftrag gegeben, um die Freilassung zweier Komplizen zu erzwingen.
Coutant-Peyre, die den einstigen Top-Terroristen 2001 in einer islamischen Zeremonie ohne Rechtskraft "geheiratet" hatte, betonte vor allem rechtliche Bedenken gegen belastende Akten, die aus Beständen von Ostblock-Geheimdiensten stammen, darunter der Stasi. Sie spielten eine tragende Rolle in dem Prozess und hatten das Verfahren knapp drei Jahrzehnte später erst ermöglicht.
Quelle: ntv.de, AFP