Dissident will mit Clinton fliegen Chen fürchtet um sein Leben
03.05.2012, 06:56 UhrChina und die USA lösen ihre diplomatische Krise zunächst: Chen Guangcheng verlässt die US-Botschaft. Dem blinden Aktivisten bleiben aber nur vage Versprechen. Später wird bekannt, dass es offenbar auch Drohungen gab. Jetzt fürchtet er um sich und seine Familie und will das Land doch verlassen.
Der will China verlassen, da er sich dort nicht sicher fühlt. Der blinde Aktivist, der nach sechs Tagen die US-Botschaft unter ungeklärten Bedingungen verlassen hatte, sagte mehreren Nachrichtenagenturen, er bitte die USA um Hilfe beim Verlassen des Landes. US-Außenministerin Hillary Clinton rief unterdessen in Peking die Regierung auf, die "Würde" ihrer Bürger zu respektieren.
In einem Telefoninterview mit der Pekinger "Newsweek"- und "Daily Beast"-Korrespondentin äußerte Chen Guangcheng die Hoffnung, "dass es für mich und meine Familie möglich wäre, mit Clintons Flugzeug in die USA zu fliegen."
Der blinde Aktivist wurde in einem Pekinger Krankenhaus wegen einer Fußverletzung behandelt, die er sich vergangene Woche bei seiner Flucht aus dem Hausarrest zugezogen hatte. Trotz der ihm vor Verlassen der US-Botschaft gemachten Zusicherungen der Behörden fühle er sich nicht sicher in China. "Ich will fort", sagte Chen.
Eigentlich habe er in der Volksrepublik bleiben wollen. Doch nachdem er am Mittwoch die US-Botschaft verlassen und mit seiner Familie gesprochen habe, habe er seine Meinung geändert. Seine Familie sei drangsaliert worden. Er hoffe nun, schnellstmöglich zur medizinischen Behandlung in die USA ausreisen zu können, sagte er Reuters. Er habe die USA aber noch nicht über seine geänderten Wünsche informieren können.
Aufruf an Obama
Chen hatte zuvor in einem kurzen Interview mit dem US-Fernsehsender CNN US-Präsident Barack Obama gebeten, "alles zu tun", damit er mit seiner Familie China verlassen könne. In dem Telefoninterview warf Chen den US-Diplomaten vor, ihn im Stich gelassen zu haben. Sie hätten versichert, ihn in das Krankenhaus zu begleiten, wohin er nach dem Verlassen der Botschaft gebracht worden sei. Dieses Versprechen hätten sie jedoch nicht gehalten.
Seine Frau Yuan Weijing habe gesagt, dass in ihrem Haus in der östlichen Provinz Shandong bereits die Sicherheitskräfte auf ihn warteten, sagte Chen CNN. Die Behörden drohten demnach, dass er das Haus nie wieder verlassen werde. Seine Frau habe ihm zudem gesagt, dass sie stundenlang verhört worden sei. Von seinen Verwandten hatte es zuvor geheißen, die Behörden hätten Chen mit Repressalien gegen seine Familie gedroht, sollte er die Botschaft nicht verlassen.
Clinton wird deutlich
US-Außenministerin Clinton sagte zur Eröffnung eines amerikanisch-chinesischen Forums in Peking, alle Regierung müssten "dem Streben ihrer Bürger nach Würde und Rechtsstaatlichkeit nachkommen". Kein Land dürfe diese Rechte seinem Volk verweigern, sagte Clinton, ohne Chen namentlich zu erwähnen. Chinas Präsident Hu Jintao sprach sich für gegenseitigen Respekt und Kooperation mit den USA aus.
Das chinesische Außenministerium hatte zuvor das Vorgehen der USA im Fall Chen als Einmischung in Chinas innere Angelegenheiten bezeichnet. "China fordert eine Entschuldigung in dieser Angelegenheit, eingehende Ermittlungen, Strafmaßnahmen für die Verantwortlichen und eine Garantie, dass sich eine solche Angelegenheit nicht wiederholt", sagte der Sprecher Liu Weimin.
Der seit seiner Kindheit blinde Chen hatte sich als autodidaktischer Anwalt mit seinem Einsatz für die Opfer von Zwangssterilisierungen und Landenteignungen einen Namen gemacht. Der 40-Jährige war 2006 zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt und anschließend in seinem Haus unter Arrest gestellt worden. Am 22. April war es ihm mit Hilfe von Unterstützern gelungen, aus dem Hausarrest zu fliehen. Seitdem befand er sich in der US-Botschaft.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts