Politik

Die "Fertignudel" ist vom Herd Chinas Staatschef Xi festigt seine Macht

Mit Zhous Festnahme ist ein bisher eisernes Tabu der chinesischen Politik gebrochen worden - zum Nutzen der obersten Führungsriege.

Mit Zhous Festnahme ist ein bisher eisernes Tabu der chinesischen Politik gebrochen worden - zum Nutzen der obersten Führungsriege.

(Foto: REUTERS)

Die Festnahme des früheren chinesischen Polizeichefs Zhou - zur Umgehung der Zensur auch "Fertignudel" genannt - ist ein neues Kapitel im Machtkampf der Kommunistischen Partei. Sie nützt vor allem dem neuen Präsidenten.

Die Zutaten lauten: Macht, Geld und Korruption. Die Festnahme des früheren Polizeichefs Zhou Yongkang ist ein Novum in der skandalträchtigen Geschichte der Kommunistischen Partei Chinas. Nie zuvor musste sich ein derart hochrangiger Funktionär des Machtapparats wegen "ernsthafter disziplinarischer Verstöße", wie es offiziell heißt, einer formellen Untersuchung stellen. Zhou ist vermutlich Täter und Opfer zugleich. Täter, weil es deutliche Hinweise darauf gibt, dass er seine Position dazu genutzt hat, um sich selbst, seinen Clan und seine Gefolgsleute ungeheuer zu bereichern. Opfer, weil er in einem parteiinternen Machtkampf auf der schwächeren Seite steht.

Anonyme Quellen haben der Nachrichtenagentur Reuters berichtet, dass es einen Konsens zwischen dem neuen Staatschef Xi Jinping und seinen beiden Vorgängern Hu Jintao sowie Jiang Zemin gegeben habe. Das mächtige Trio in Chinas jüngerer Geschichte einigte sich demnach darauf, Zhou fallen zu lassen. Es gibt Gerüchte über einen Staatsstreich, an dem der 71-Jährige mit Verbündeten gebastelt haben soll. Zur Clique zählte unter anderem auch das ehemaliges Politbüro-Mitglied Bo Xilai. Der hatte sich angeschickt, im Schatten einer Wiederbelebungs-Kampagne alter Mao-Traditionen dem damals noch designierten Staatschef Xi dessen Macht streitig zu machen. Jetzt verbüßt Bo eine lange Haftstrafe. Wegen Korruption. Dem verhafteten Zhou Yongkang droht ein ähnliches Schicksal.

Zhou war bis 2012 fünf Jahre lang Mitglied im damals noch neunköpfigen Ständigen Komitee des Politbüros, das inzwischen auf sieben Mitglieder reduziert wurde. Nie zuvor wurden gegen ein Mitglied dieses kleinen Kreises Ermittlungen eingeleitet. In diesem Zirkel entscheiden die einflussreichsten Männer des Landes autoritär über die Politik eines Landes mit fast 1,4 Milliarden Menschen. Wer hier ein Wörtchen mitreden will, muss ein glänzender Strippenzieher sein, bestens verdrahtet mit einem engmaschigen Netzwerk aus wichtigen Kontakten, und er muss das chinesische Beziehungsspiel aus Gefallen tun und fordern bestens beherrschen. Zhou war Chef des gesamten Sicherheitsapparats der Volksrepublik: Polizei, Staatssicherheit, Paramilitär. Auch Richter und Staatsanwälte tanzten nach seiner Pfeife. Unter Zhous Führung überstiegen die jährlichen Ausgaben für innere Sicherheit sogar den ständig wachsenden Verteidigungsetat des Militärs.

Zensur macht erfinderisch

Der Ehrenkodex, dass aktuelle oder ehemalige Kader von Zhous Rang nicht belangt werden für ihre Gesetzesbrüche, ist mit der Festnahme außer Kraft gesetzt. Zhou wird sich sehr wahrscheinlich für seine korrupten Machenschaften vor einem Gericht verantworten müssen. Im Frühjahr hatten chinesische Ermittler ein Vermögen von mehr als 90 Milliarden Yuan, umgerechnet etwa elf Milliarden Euro, aus seinem privaten und geschäftlichen Umfeld beschlagnahmt. Er selbst stand offenbar seit Ende letzten Jahres unter einer Art informellem Hausarrest und wurde Tag und Nacht beschattet.

Der jetzt verwendete Sprachgebrauch "disziplinarische Verstöße" lässt jedoch auch weitere Anklagepunkte zu wie beispielsweise Subversion, also die Umwälzung der Staatsmacht. Beobachter rechnen jedoch nicht mit einem öffentlichen Prozess wie ihn Bo Xilai bekommen hatte. Es sollen nicht einmal alle Anklagepunkte öffentlich gemacht werden, zitiert Reuters einen Insider. Dennoch erhält die Aktion einen rechtsstaatlichen Anstrich. Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua, die mit ihren Meldungen den Zungenschlag der Berichterstattung über den Fall für alle Medien des Landes vorgibt, betont, dass die Festnahme Zhous im Einklang mit der Verfassung und dem üblichen Rechtsrahmen stehe.

Inzwischen spuckt die Suche nach dem Namen Zhou Yongkang beim Kurznachrichtendienst Weibo sogar wieder Suchergebnisse aus. Bis zu seiner Festnahme war das Thema offenbar zu sensibel. Die Behörden zensierten Kommentare über ihn, um die öffentliche Meinung besser steuern zu können. Die Nutzer wurden deshalb kreativ und tauften Zhou wegen eines identischen Schriftzeichens wie eine landesweit populäre Fertignudelsorte namens Meister Kang. Das half, die Zensur auszutricksen. Später wurde Zhou oft auch einfach nur noch die Fertignudel genannt. Die Internetseite Huxiu.com griff das am Dienstag auf und veröffentlichte einen Bericht über die Festnahme mit dem Titel "Lang gekochte Fertignudel endlich bereit, um sie vom Herd zu nehmen."

Xi zerlegt Zhous Seilschaften

Die Staatsspitze stellt den Fall als Höhepunkt der Anti-Korruptions-Kampagne dar, die Staatschef Xi bei Amtsantritt vor anderthalb Jahren ausgerufen hat. Die Korruption will er auslöschen, um der Partei die Zukunft zu sichern im fragilen Gesellschaftsvertrag. Sie muss sich neu erfinden, die KP, damit die Bürger den Anspruch der Kader auf Alleinherrschaft noch länger akzeptieren. Zu viele Unzufriedene hat Chinas wirtschaftlicher Aufstieg hinterlassen, die das politische System in Frage stellen. Doch meint es Xi wirklich ernst oder geht es ihm vor allem darum, seine Macht zu festigen? Das ist ihm jedenfalls gelungen mit dem Clou gegen Zhou und seine Gefolgschaft. "Xi ist nach Mao Zedong und Deng Xiaoping der Dritte, dem es gelungen ist, derart viel Macht im Regime an sich zu bringen", sagt der politische Kommentator und Buchautor Ding Dong.

Xi hat die alten Seilschaften aus dem Zhou-Clan regelrecht seziert. 300 Personen seines Netzwerkes wurden festgenommen oder verhört. Zhou gehörte in den 90er Jahren zur Führungsriege der  China National Petroleum and Natural Gas Corporation (CNPC), die Mutterfirma des Ölgiganten PetroChina. Der Energiesektor gilt als starke Interessengruppe, die einem Reformprozess in China im Wege steht. Danach war Zhou Minister für Land und Rohstoffe. 2002 wurde er Parteisekretär der Provinz Sichuan und Mitglied im KP-Politbüro. Seit 2007 gehörte er zum Ständigen Ausschuss. Am Dienstagabend war das Ende seiner Parteikarriere beschlossene Sache.

Quelle: ntv.de

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