"Mehr Geld gibt's nicht" Dämpfer für den Bildungstopf
22.10.2009, 08:46 Uhr
Bildung ist Zukunft: In Deutschland wird dieser Erkenntnis immer noch nicht ausreichend Rechnung getragen.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Vor genau einem Jahr versprachen Kanzlerin Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder beim Bildungsgipfel zusätzliche Milliarden für Bildung. Doch die Kassen des Staates sind leer. Jetzt dämpfen die Finanzminister mit einer neuen Rechnung und Änderungen in der Statistik die hohen Erwartungen von Eltern und Hochschulen.
Das genau vor zwölf Monaten auf dem Bildungsgipfel in Dresden verabredete Finanzziel werde bereits in diesem Jahr erreicht, heißt es in einer Vorlage der Finanzministerkonferenz (FMK).
Als sich die große Koalition von Union und SPD Anfang 2006 über die Föderalismusreform verständigte, sollte der Bund bei der Bildung fortan überhaupt nichts mehr zu sagen haben. Schulen und Hochschulen sollten allein Sache der Länder sein. Gegen viel Widerstand wurde bei der Grundgesetzänderung dann doch noch in letzter Minute ein kleines Türchen eingebaut, damit der Bund wenigstens beim Thema Wissenschaft das neue "Kooperationsverbot" umgehen und den Ländern dabei finanziell ein wenig unter die Arme greifen kann. Der erste Hochschulpakt mit 90.000 zusätzlichen Studienanfänger-Plätzen wurde dadurch erst möglich.
Um so überraschender war es, als die Kanzlerin dann in der Mitte der Wahlperiode das Bildungsthema aufgriff, die "Bildungsrepublik Deutschland" ausrief, zur "Bildungsreise" quer durch die Länder aufbrach und medienwirksam durch Kindergärten, Schulen und Hochschulen tourte. Das Murren vieler Ministerpräsidenten - vor allem aus der Union - war unüberhörbar. Gleichwohl wollte man die Kanzlerin nicht düpieren. Am 22. Oktober kam es in Dresden beim Bildungsgipfel zum Schwur: Bis 2015 sollten in Deutschland die Gesamtausgaben von Staat und Wirtschaft für Bildung und Forschung auf zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) gesteigert werden.
Was ist seither geschehen?
Nahezu euphorisch berichten die Bildungsminister in ihrem "Ersten Zwischenbericht" von inzwischen eingeleiteten Reformen. In fast allen Landeshaushalten wie auch beim Bund seien die Ausgaben für diese Zukunftsbereiche deutlich gestiegen. Es gebe mehr Ganztagsschulen und mehr Lehrer. Bundesweit sei ein Trend zu kleineren Klassen erkennbar. Die mit dem Schülerrückgang verbundenen Einsparungen ("demografische Rendite") würden größtenteils zu Qualitätsverbesserungen genutzt - wie etwa zum Ausbau frühkindlicher Bildung, Finanzierung von Schulsozialarbeit oder Hilfen zur Vermeidung von Schulabbruch.
Eine "Strategiegruppe" mit Vertretern des Länder-Staatskanzleien und des Kanzleramtes brütet seitdem, wie die zusätzlichen Milliarden für Bildung und Forschung bis 2015 aufgebracht werden können. Ende nächster Woche soll auf der Ministerpräsidentenkonferenz in Mainz erneut beraten werden. Rund 26 Milliarden Mehrausgaben pro Jahr werden dem Vernehmen nach von der "Strategiegruppe" in einem internen Konzept veranschlagt - über dessen Realisierung die Länderchefs und die Kanzlerin noch im Dezember beraten wollen.
Doch pünktlich zum einjährigen Geburtstag des Bildungsgipfels überraschten die Länder-Finanzminister mit einer eigenen Rechnung. Weil das BIP infolge der Wirtschaftskrise inzwischen sinkt, werde das Zehn-Prozent-Ziel nicht erst 2015 sondern schon in diesem Jahr voll und ganz erreicht.
Und überhaupt:
Vor einem Jahr habe man bei der Auflistung der staatlichen Bildungsausgaben doch so vieles vergessen: Etwa das vollständige Kindergeld für Volljährige, Steigende Pensionszahlungen für Lehrer und Professoren, Steuererleichterungen für forschende Unternehmen, Ausbildungsfreibeträge bei der Einkommenssteuer und gar den ermäßigten Umsatzsteuersatz für "bestimmte Bildungsgüter(u.a. Bücher)" listeten die Finanzminister Anfang September in einem Bericht auf, der der Deutschen Presse-Agentur dpa vorliegt. Der Bundesfinanzminister, so heißt es in dem einstimmig angenommenen "Beschlussergebnis", habe sein Einvernehmen mit der neuen Rechnung bekundet.
Niemand wird den Finanzministern widersprechen, wenn sie darauf verweisen, dass das krisenabhängige BIP keine "geeignete Maßstabsgröße" ist, Zielvorgaben für ein "auf Kontinuität und Verlässlichkeit angewiesenes Politikfeld" zu machen - wie für Bildung und Forschung. Doch angesichts der aktuellen Debatte um Schattenhaushalte und der befürchteten Einnahmeausfälle durch geplante Steuersenkungen wird es für die Regierungschefs kein leichtes Spiel, die hohen Qualitätsversprechen des Dresdner Bildungsgipfels einzulösen.
Quelle: ntv.de, dpa