Politik

Megaprojekt Fehmarnbelt-Tunnel Dänen buddeln, Deutsche schlafen

Geplantes Tunnelportal auf deutscher Seite.

Geplantes Tunnelportal auf deutscher Seite.

(Foto: picture alliance / dpa)

Wird der geplante Fehmarnbelt-Tunnel für Deutschland zur Blamage? Die Dänen bohren ihn flott bis zur Insel Fehmarn - und die Deutschen wissen nicht einmal, ob sie für die Festlandanbindung einen weiteren Tunnel oder eine Brücke wollen.

Es ist ein Megavorhaben und ein Prestigeprojekt für Dänemark: Bis 2022 will der kleine Nachbar im Norden den Fehmarnbelt-Tunnel quer durch die Ostsee nach Deutschland gebohrt haben. Für Deutschland dagegen droht ein Schreckensszenario: Die größte Wirtschaftsnation Europas ist lediglich für die Anbindung von der Insel Fehmarn ans Festland zuständig, kommt damit aber nicht voran.

Nach der Fertigstellung der hochmodernen Ostseeunterquerung droht in Ostholstein nun ein peinlicher Engpass. Bisher ist noch nicht einmal klar, ob die leistungsschwache Brücke über den Fehmarnsund überhaupt einen Ersatz haben wird - geschweige denn, ob sie gegebenenfalls durch eine neue Brücke oder einen weiteren Tunnel ersetzt werden sollte. "Es gibt dazu keine Entscheidung", sagte Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Reinhard Meyer. Immerhin: "In unserem jüngsten Gespräch hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt zum ersten Mal richtig erkannt, dass wir hier ein echtes Problem haben."

Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Reinhard Meyer warnt vor einem "echten Problem".

Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Reinhard Meyer warnt vor einem "echten Problem".

(Foto: picture alliance / dpa)

Dabei ist die Ausgangslage schon lange klar: Spätestens 2022 wollen die Dänen den 18 Kilometer langen Tunnel von der dänischen Insel Lolland zur deutschen Insel Fehmarn fertig haben. Dort kommen dann je zwei Straßen- und Schienentrassen an - und würden an der 1,3 Kilometer langen Sundbrücke auf nur je eine Spur treffen, wenn bis dato nichts Neues da ist. Weil nur noch acht Jahre bleiben, ist nach deutschen Planungs-, Klage- und Baumaßstäben höchste Eile geboten. "Das liegt auch daran, dass man bei dem Projekt viel zu lange geschlafen hat", sagte SPD-Politiker Meyer.

Keine Brücke, weniger Kosten

Schuld an den Verzögerungen ist aber nicht nur der für die Finanzierung zuständige Bund allein. Das Land Schleswig-Holstein hat es auch lange versäumt, das Projekt für den Bundesverkehrswegeplan anzumelden. Meyer, der erst seit 2012 zuständig ist, sagt: "Inzwischen haben wir das fristgerecht nachgeholt und dem Bund mehr als deutlich gemacht, dass es ein riesiges Problem darstellen würde, wenn der Fehmarnbelt-Tunnel fertig ist und wir dann ein Nadelöhr anbieten."

Dass bisher kaum etwas passiert ist, hat wohl auch etwas damit zu tun, wie in Deutschland politisch gewollte Großvorhaben durchgesetzt werden. "Das Gesamtprojekt Fehmarn-Hinterlandanbindung sollte nicht mehr als eine Milliarde Euro kosten, und mit der Sundbrücke wäre man darüber gerutscht", berichtet Meyer. "Also hat man die Brücke einfach rausgelassen, obwohl man wusste, dass da einmal vier Fahrspuren vom Norden auf eine zweispurige Brücke treffen werden und zwei Schienenstränge auf einen."

Querschnitt durch den Fehmarnbelt-Tunnel: Bis zum Jahr 2022 sollen Autos und Züge den längsten Tunnel dieser Art passieren können.

Querschnitt durch den Fehmarnbelt-Tunnel: Bis zum Jahr 2022 sollen Autos und Züge den längsten Tunnel dieser Art passieren können.

(Foto: picture alliance / dpa)

Dabei wird Deutschland das Geld dennoch irgendwie aufbringen  müssen, weil es sich im Staatsvertrag mit Dänemark zu dem Anschluss verpflichtet hat. Von mindestens 1,6 Milliarden Euro ist die Rede. Kein Wunder, dass der deutsche Steuerzahler bei solchen Fehlplanungen das Vertrauen in Großprojekte zu verlieren scheint. Der Fehmarnbelt-Tunnel ist dabei nur ein Beispiel unter vielen. Hamburgs Philharmonie, Berlins Flughafen, Stuttgarts Bahnhof - die einst hochgelobte deutsche Baukunst blamiert sich seit Jahren immer wieder.

Zu wenig Personal

Bundesbauministerin Hendricks gibt einem Medienbericht zufolge zu: Die meisten Bauvorhaben des Bundes kosten mehr als geplant. Bei den 40 größten Bauvorhaben des Bundes sind mittlerweile Mehrkosten von insgesamt rund einer Milliarde Euro entstanden. Nur 14 der 40 Projekte bleiben im Kostenrahmen, das berichtet der "Spiegel".

Schuld an dieser Misere sind laut Ministerin Hendricks Probleme in der Bauverwaltung. "Bei einzelnen Bauverwaltungen tragen strukturelle Defizite und ein zu weit gehender Personalabbau inzwischen zu einer teilweise unzureichenden Aufgabenwahrnehmung bei", sagt sie gegenüber dem "Spiegel". Probleme, die vielen Dänen fremd sind.

Die Nachbarn im Norden sind zuversichtlicher im Umgang mit Großprojekten. Man hat ja auch bessere Erfahrungen gemacht. Sowohl die Brücke über den Großen Belt, als auch die über den Öresund sind Erfolgsgeschichten. Vom Fehmarnbelt-Tunnelbau verspricht sich Dänemark vor allem eins: Wirtschaftlichen Aufschwung. Der bevölkerungsarmen Region Kopenhagen-Südschweden soll die Verbindung mit Europas größten Märkten dauerhaften Wohlstand sichern.

Fortschrittsoptimismus statt Angst

Dänemark kostet das Projekt 5,5 Milliarden Euro - mehr als dreimal so viel wie Deutschland. Es ist kein Edelmut, der die Dänen dazu treibt, das deutsch-dänische Verkehrsprojekt quasi im Alleingang zu finanzieren. Es ist der Glaube an ein gewinnbringendes Vorhaben und die fehlende Angst vor Großprojekten.

Eine gute Nachricht gibt es aber auch auf deutscher Seite. Laut Verkehrsminister Meyer folge die Bahn AG dem Vorschlag der Landesplanung und werde von Fehmarn nach Lübeck, entlang der Autobahn A1, eine zweigleisige elektrifizierte Strecke bauen. Allerdings: Die bisherige Bäderbahn durch die Ferienorte an der Lübecker Bucht soll dann auf Sicht stillgelegt werden.

Quelle: ntv.de, jli/dpa

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