Politik

Deutschlands erste Damen Dahinter steht immer eine Frau

Oben: Elly Heuss-Knapp, Wilhelmine Lübke, Hilda Heinemann, Mildred Scheel und Veronica Carstens (v.l.). Unten: Marianne von Weizsäcker, Christiane Herzog, Christina Rau, Eva Luise Köhler und Bettina Wulff.

Oben: Elly Heuss-Knapp, Wilhelmine Lübke, Hilda Heinemann, Mildred Scheel und Veronica Carstens (v.l.). Unten: Marianne von Weizsäcker, Christiane Herzog, Christina Rau, Eva Luise Köhler und Bettina Wulff.

(Foto: picture alliance / dpa)

Deutschland wählt am Sonntag nicht nur einen neuen Bundespräsidenten. Das Land wählt auch eine neue First Lady. Bisher gelang es allen ersten Damen des Staates, die Amtszeit ihres Gatten mitzuprägen. Die Partnerin des künftigen Präsidenten, Daniela Schadt, muss in große Fußstapfen treten.

Sie lächelt. Etwas verkrampft zwar, aber sie lächelt. Sie wird auch diesen Abend überstehen, ohne die Fassung zu verlieren. Nicht, weil sie glaubt, sie schulde das dem Land, sondern weil sie es sich selbst schuldig ist. Die Journalisten und Fotografen, die - zumindest in ihrer Wahrnehmung - dafür verantwortlich sind, dass sie diesen Abend überstehen muss, weil sie ihren Mann zum Rücktritt getrieben haben, sollen sie nicht weinen sehen. Also lächelt Bettina Wulff, als sie aus dem Schloss Bellevue in den Garten tritt, wo knapp 200 geladene Gäste darauf warten, dass der Rücktritt von Christian Wulff vom Amt des Bundespräsidenten mit dem Großen Zapfenstreich besiegelt wird.

Beim Großen Zapfenstreich für ihren Mann: Bettina Wulff versucht, Haltung zu bewahren.

Beim Großen Zapfenstreich für ihren Mann: Bettina Wulff versucht, Haltung zu bewahren.

(Foto: picture alliance / dpa)

Das Schloss gekonnt beleuchtet, das Stabsmusikcorps der Bundeswehr angetreten - eigentlich eine perfekte Kulisse. Wäre da nicht das akustische Störfeuer, das etwa 300 Demonstranten auf der Straße vor dem Bellevue abfeuern. Das Gesicht des Bundespräsidenten ist erstarrt, als das Stabsmusikcorps kaum gegen den und Trillerpfeifen ankommt. Eine unwirkliche Situation ist das, aber das wiederum ist Bettina Wulff gewohnt. In den vergangenen 20 Monaten hat sie viele Momente erlebt, die ihr vermutlich genauso unwirklich vorgekommen sein müssen.

Die jüngste First Lady

Nachdem Bettina Wulff als jüngste First Lady in der Geschichte der Bundesrepublik den roten Teppich betreten hat, sind die Scheinwerfer des öffentlichen Interesses praktisch nie wieder ausgegangen. Die inzwischen 37-Jährige hat mit ihrem Mann den russischen Präsidenten Medwedew und dessen Frau getroffen, sie hat mit ihrer amerikanischen "Kollegin" Michelle Obama Tee getrunken und mit der niederländischen Königin Beatrix einen Kinderzirkus besucht. Bettina Wulff war vor der Beziehung mit Christian Wulff eine alleinerziehende berufstätige Mutter mit Halbtagsstelle in der niedersächsischen Provinz - seine Wahl an die Staatsspitze katapultierte auch sie in eine andere Liga.

Bodyguards, eine persönliche Referentin, ein Büro im Bundespräsidialamt - und ein Übermaß an öffentlicher Aufmerksamkeit. Keine Frage: sie ist in diese Position schnell hineingewachsen, hat sich augenscheinlich in ihrer Rolle wohlgefühlt. Manchmal vielleicht ein bißchen zu forsch, zu unbekümmert, aber sie hat frischen Wind ins Schloss gebracht - , ihren kleinen Kindern, ihrer Fröhlichkeit. Die wird ihr nun wieder einmal und viel früher als gedacht helfen müssen, ein neues Leben zu beginnen - ohne Scheinwerfer, ohne Referentin, zurück in Großburgwedel, in der niedersächsischen Provinz.

Konstanten im Leben der ersten Damen

Es gibt Dinge, die haben sich seit Elly Heuss-Knapp nicht geändert. So ist die Ehefrau des Bundespräsidenten traditionell Schirmherrin des Müttergenesungswerkes und von Unicef Deutschland, aber jede First Lady hat auch immer versucht, eigene Akzente zu setzen - die in der Rückschau viel über die Zeit aussagen, in der sie agierten oder über die Frauen selbst.

Elly Heuss-Knapp als First Lady der Nachkriegszeit gründete das Müttergenesungswerk, ihre Nachfolgerin Wilhelmine Lübke hat das "Essen auf Rädern" erfunden und Hilda Heinemann förderte Wohnstätten für geistig Behinderte - heute heißt das betreutes Wohnen.

Elly Heuss-Knapp gründete als erste Dame 1950 in Bonn das Mütter-Genesungswerk und steckte Journalisten auch mal eine Blume ins Revers.

Elly Heuss-Knapp gründete als erste Dame 1950 in Bonn das Mütter-Genesungswerk und steckte Journalisten auch mal eine Blume ins Revers.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Name von Mildred Scheel bleibt eng verbunden mit der von ihr gegründeten Deutschen Krebshilfe und der der Ärztin Veronika Carstens mit der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft. Auch das Engagement der als zurückhaltend geltenden Marianne von Weizsäcker für Suchtkranke passt in die Amtszeit ihres Mannes, als in den 80-er Jahren Drogenprobleme allmählich ins Bewusstsein der Öffentlichkeit vordrangen. Der Schock, den der Film "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" ausgelöst hatte, war längst noch nicht verarbeitet.

Die resolute Christiane Herzog hat 1986 die Mukoviszidose-Hilfe gegründet und dass sich Christina Rau vor allem für die Kindernothilfe stark gemacht hat, verwundert nicht. Schließlich waren ihre drei Kinder Teeanger, als Johannes Rau Bundespräsident wurde. Die Tochter von Horst und Eva Luise Köhler ist als Kind erblindet, ihre Mutter war als First Lady Schirmherrin der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen.

Bettina Wulff schließlich, die das Leben einer alleinerziehenden berufstätigen Mutter nur zu gut kennt, hat ihre Stiftung "Eine Chance für Kinder" aus Hannover mitgebracht und aus dem Schloss Bellevue heraus bundesweit etabliert. Im Auftrag dieser Stiftung kümmern sich Familienhebammen um junge Mütter, die mit ihrem Baby überfordert sind und helfen den Frauen und den Kindern beim Start ins Leben.

Daniela Schadt muss ihre Aufgabe noch finden

Wofür sich Daniela Schadt, die Lebensgefährtin von Joachim Gauck, engagieren wird, hat sie noch nicht entschieden - aber eines ist schon vor seiner Wahl zum Bundespräsidenten klar: Ihr Leben wird sich spürbar verändern. Sie ist 52 Jahre alt, seit Jahrzehnten erfolgreich als Journalistin, zuletzt als verantwortliche Politikredakteurin der Nürnberger Zeitung. Daniela Schadt ist es gewohnt, andere zu beobachten, jetzt muss sie sich daran gewöhnen, beobachtet zu werden.

Menschen, die sie nicht kennt und wohl nie kennenlernen wird, werden über ihr Leben, ihren Beruf und ihre Ansichten diskutieren. Jedes Wort kommt auf die Goldwaage. Und als Journalistin macht sie sich keine Illusionen darüber, dass plötzlich "die ganze Nation" eine Meinung über ihre Frisur und ihren Kleidungsstil hat. Dass sie ihren Beruf aufgibt, versteht sich irgendwie noch von selbst. Es steht zwar nirgendwo geschrieben, dass die Partnerin des Bundespräsidenten nicht arbeiten darf, aber als Politikjournalistin würde sie wohl schnell in Interessenkonflikte geraten.

Daniela Schadt wird die neue First Lady.

Daniela Schadt wird die neue First Lady.

(Foto: picture alliance / dpa)

Ihre früheren Kollegen aus Nürnberg sagen nur das Beste über die künftige First Lady: Bodenständig sei sie, habe einen hintersinnigen Humor und die Fähigkeit, über sich selbst zu lachen. Alles Eigenschaften, die ihr in den kommenden Jahren nur helfen können. Vor allem dann, wenn "Hinz und Kunz" über ihre "wilde Ehe" mit Joachim Gauck diskutieren - und das politische Establishment fröhlich einstimmt.

- augenscheinlich sehr glücklich. Aber ist die Gesellschaft bereit, einen Bundespräsidenten hinzunehmen, der Deutschland zu Hause und vor allem im Ausland mit einer Frau an seiner Seite repräsentiert, mit der er nicht verheiratet ist - auch deshalb, weil er noch nicht von seiner ersten Ehefrau, der Mutter seiner vier Kinder, geschieden ist?

Christian und Bettina Wulff mit ihren drei Kindern aus drei Beziehungen galten als moderne Patchwork-Familie und wurden dafür gefeiert, deutsche Lebenswirklichkeit ins Schloss Bellevue gebracht zu haben. Die Beziehung von Joachim Gauck und Daniela Schadt ist genauso deutsche Lebenswirklichkeit. Trotzdem: diese Debatte ist noch nicht ausgestanden - kaum jemand weiß das besser als eine erfahrene Journalistin. Daniela Schadt sagte vor kurzem zu Kollegen, sie und Gauck hätten "durchaus Respekt vor der Institution Ehe. Es gibt aber noch andere Probleme in dieser Republik und da ist eine Eheschließung nicht das größte" - das mag sein. Aber ab sofort glauben 80 Millionen Deutsche, da ein Wörtchen mitreden zu dürfen.

Quelle: ntv.de

Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen