Politik

So verlaufen Koalitionsgespräche Das ist der Fahrplan zur neuen Regierung

Lieber mit den Grünen oder lieber mit der SPD? In dieser Woche will sich die Union wohl entscheiden.

Lieber mit den Grünen oder lieber mit der SPD? In dieser Woche will sich die Union wohl entscheiden.

(Foto: picture alliance / dpa)

Drei Wochen nach der Wahl treffen sich SPD und Union ein zweites Mal und sondieren über eine mögliche Große Koalition. Es bleiben viele Fragen. Wann muss die neue Regierung stehen? Was passiert, wenn die Verhandlungen scheitern? Und wann gibt es Neuwahlen?

Drei Wochen nach der Bundestagswahl naht eine Vorentscheidung in der bisher so schwierigen Regierungsbildung.  Die Entscheidung, mit wem CDU und CSU in den kommenden Wochen in Koalitionsverhandlungen eintreten, soll noch in dieser Woche fallen.

An diesem Montag treffen sich SPD und Union ein zweites Mal und sondieren über eine mögliche Große Koalition. Am Dienstag trifft sich die Delegation um Angela Merkel mit den Grünen. Aus Unionskreisen heißt es, die Kanzlerin bevorzuge ein Bündnis mit den Sozialdemokraten. Auch aus der Parteispitze der SPD äußerten sich in den vergangenen Tage mehrere Vertreter aufgeschlossen gegenüber der Bildung einer gemeinsamen Bundesregierung.

"Ich glaube, dass wir Mitte November eine neue Regierung haben werden", sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble. Vorher müssen sich die Parteien im Sondierungsgespräch jedoch auf eine Perspektive für die nächsten vier Jahre einigen. Wir haben die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengestellt.

Was sind Sondierungsgespräche?

Das Gebäude der Parlamentarischen Gesellschaft liegt gleich gegenüber dem Reichstag.

Das Gebäude der Parlamentarischen Gesellschaft liegt gleich gegenüber dem Reichstag.

(Foto: picture alliance / dpa)

Delegationen beider Parteien führen Vorgespräche, um herauszufinden, ob es genügend für eine Koalition gibt. Bei der SPD ist das Verfahren diesmal besonders kompliziert. So hat Parteichef Sigmar Gabriel angekündigt, erst nach Zustimmung eines kleinen Parteitags in die Koalitionsverhandlungen eintreten zu wollen. Macht die Union also keine ausreichenden Zugeständnisse, wird es wohl schwierig für Schwarz-Rot. Wahlsiegerin Angela Merkel müsste sich dann mit den Grünen über eine Koalition einig werden. Die Sondierungsgespräche finden übrigens in den Räumen der Parlamentarischen Gesellschaft und damit auf neutralem Boden statt. Unsicher ist, ob ein Tag für die Sondierung reicht. Vielleicht werden es auch zwei oder drei.

Wer verhandelt?

CDU, CSU und SPD entsenden jeweils sieben Vertreter in die Gespräche. Neben Kanzlerin Merkel und, SPD-Chef Gabriel nehmen unter anderem die Generalsekretäre und Fraktionschefs sowie einige Ministerpräsidenten teil. Auch Ex-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sitzt für die Sozialdemokraten am Tisch.

Welche Themen sind entscheidend?

Die Steuerpolitik ist wohl eines der wichtigsten Themen. Die SPD will die Steuern vor allem für Spitzenverdiener erhöhen, die CDU nicht. Aufseiten der Genossen zählen außerdem die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns und einer Solidarrente, Mietpreisbremse, doppelte Staatsbürgerschaft und die Abschaffung des Betreuungsgeldes zu den Bedingungen für eine Koalition.

Wie geht es nach den Sondierungsgesprächen weiter?

In dieser Woche treffen sich Unionsvertreter zunächst mit den Sozialdemokraten (Montag) und dann mit den Grünen (Dienstag). Daraufhin wollen CDU/CSU die Koalitionsverhandlungen mit einer der beiden Parteien aufnehmen. Die SPD-Parteispitze lässt bei einem Konvent am kommenden Wochenende über die Aufnahme möglicher Verhandlungen abstimmen. Bei positivem Ausgang wird wahrscheinlich über mehrere Wochen verhandelt.

Wie lange dauern die Verhandlungen?

Die Koalitionsverhandlungen dauerten 1976 fast zwei Monate, der Stimmung von Bundeskanzler Helmut Schmidt bei der ersten Kabinettsitzung tat das jedoch keinen Abbruch.

Die Koalitionsverhandlungen dauerten 1976 fast zwei Monate, der Stimmung von Bundeskanzler Helmut Schmidt bei der ersten Kabinettsitzung tat das jedoch keinen Abbruch.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Die Dauer der Regierungsbildung gilt als Indiz für das Ausmaß der Probleme zwischen den Koalitionspartnern. Den Rekord für die längsten Verhandlungen halten bis heute SPD und FDP, die 1976 ganze 50 Tage benötigten, um sich zu einigen. Insgesamt vergingen zwischen Wahltag und der Vereidigung des Kabinetts damals 74 Tage. Am kürzesten verhandelten Union und FDP, die 1983 nur fünf Tage benötigten. Bei der letzten Großen Koalition 2005 lagen gut zwei Monate zwischen Wahltag und Vereidigung. Die Verhandlungen begannen erst über vier Wochen nach dem Wahlsonntag und nahmen schließlich 25 Tage in Anspruch. Diesmal könnte es etwas länger dauern. Denn über die Bildung einer Großen Koalition entscheidet nach Abschluss der Verhandlungen ein SPD-Mitgliedervotum.

Wann werden die Ministerien verteilt?

Über personelle Fragen wird traditionell erst am Ende der Koalitionsverhandlungen entschieden. Zuletzt hieß es jedoch bereits, die SPD beanspruche sechs Ministerien. Dazu zählen wohl unter anderem die für Finanzen, Familie und Arbeit.

Bis wann muss die neue Bundesregierung feststehen?

Eine Frist für die Bildung einer neuen Bundesregierung gibt es nicht. Maximal 30 Tage dürfen nach der Wahl vergehen, bis der neue Bundestag erstmals zusammentritt. Der späteste Termin ist also der 22. Oktober. Auch danach bleibt die schwarz-gelbe Regierung noch so lange geschäftsführend im Amt, bis ein neuer Regierungschef gewählt und die Minister ernannt worden sind. Deswegen behalten nun zunächst auch die Minister der FDP ihr Amt, obwohl die Partei nicht mehr im Bundestag sitzt. Der Handlungsspielraum der geschäftsführenden Regierung ist jedoch eng, weil sie im Bundestag keine Mehrheit mehr hat. Neue Gesetzesvorhaben von Schwarz-Gelb lägen damit weitgehend auf Eis.

Was passiert, wenn die Koalitionsverhandlungen scheitern?

Kommt es in den Verhandlungen mit SPD und Grünen nicht zu einer Einigung beziehungsweise verhindert ein SPD-Mitgliederentscheid eine Regierungsbildung, gibt es noch zwei Möglichkeiten. Sozialdemokraten und Grüne könnten entgegen ihres bisherigen Willens doch noch mit der Linkspartei über die Bildung einer rot-rot-grünen Koalition verhandeln. Ansonsten hieße der letzte Ausweg Minderheitsregierung. Dafür musste sich die Union im Bundestag wechselnde Mehrheiten suchen. Bei ihrer Wahl zur Kanzlerin benötigt Merkel jedoch eine absolute Mehrheit. Sollte sie die verfehlen, gibt es eine zweite Wahlphase. Kommt es auch hier nicht zu einer Mehrheit, reicht im dritten Wahlgang eine "relative Mehrheit" aus. Doch auch dann würde es schwierig für Merkel: Allein mit den Stimmen der Union reicht es nicht, solange alle anderen Abgeordneten des Bundestags mit Nein stimmen. Merkel bräuchte also einige Enthaltungen oder Stimmen aus der Opposition.

Wann gibt es Neuwahlen?

Scheitert die Wahl eines Kanzlers drei Mal an mangelnden Mehrheiten, kann der Bundespräsident den Bundestag auflösen und damit Neuwahlen herbeiführen. Bekommt der Kandidat erst im dritten Wahlgang eine "relative Mehrheit", liegt es am Präsidenten, zu entscheiden, ob er ihn zum Bundeskanzler einer Minderheitsregierung ernennt. Merkel hat eine solche Option bisher ausgeschlossen, weil sie ihr zu instabil erscheint.

Quelle: ntv.de, mit dpa

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