Politik

Nach Merkels Einladung Grüne zu Gesprächen bereit

Die Grünen sind bereit, mit der Union Sondierungsgespräche über eine mögliche Koalition aufzunehmen. Einige zweifeln allerdings noch, dass diese erfolgreich sein könnten. "Der erste Adressat" für die Regierungsverantwortung sei die Partei wohl nicht, meinen sie.

Die Grünen-Spitzenpolitikerin Katrin Göring-Eckardt hält einen Erfolg von Sondierungsgesprächen mit der Union für unwahrscheinlich. "Ich bin skeptisch", sagte die Spitzenkandidatin im Wahlkampf im ZDF-"Morgenmagazin". Entscheidend für die Grünen sei die ökologische Modernisierung. Sie glaube nicht, dass sich ihre Partei mit CDU und CSU darauf einigen könne.

Merkel soll die Grünen schon immer im Auge gehabt haben.

Merkel soll die Grünen schon immer im Auge gehabt haben.

(Foto: imago stock&people)

Tübingens grüner Oberbürgermeister Boris Palmer plädierte zwar für eine Öffnung seiner Partei gegenüber der Union, sieht aber derzeit keine Chancen für einen Erfolg der Sondierungsgespräche. "Ich bin wirklich verärgert darüber, dass wir nicht in der Lage sind, diese Gespräche zum Erfolg zu führen", sagte Palmer im RBB-Inforadio.

In den vergangenen Jahren sei in seiner Partei der Kurs falsch gesetzt worden. Wenn sich beim Grünen-Parteitag Mitte Oktober eine Mehrheit für künftige Linksbündnisse mit SPD und Linken durchsetze, werde das dauerhaft einstellige Prozentwerte bei Wahlen zur Folge haben, warnte er.

"Wir sind jederzeit handlungsfähig"

Der designierte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter erklärte, seine Partei sei bereit für Gespräche mit der Union. "Wir stellen uns neu auf, aber in einem geordneten Prozess. Wir haben gewählte Parteivorsitzende, und die Spitzenkandidaten sind von der Basis bestimmt worden. Wir sind jederzeit handlungsfähig", sagte Hofreiter der "Passauer Neuen Presse".

Hofreiter schränkte allerdings ein: "Nach einem schlechten Wahlergebnis ist man nicht der erste Adressat für die Übernahme von Regierungsverantwortung." Zunächst lotet die Union aber mit der SPD die Möglichkeiten einer Großen Koalition aus. Das erste Treffen mit den Grünen soll Ende kommender Woche stattfinden. Die Grünen hatten bereits beschlossen, eine solche Einladung anzunehmen - auch wenn ein schwarz-grünes Bündnis in den eigenen Reihen als extrem unwahrscheinlich gilt.

Rasmus Andresen, Parteiratsmitglied der Grünen, warf Merkel daher eine "infame Doppelstrategie" vor. Diese dürfe nicht aufgehen, sagte Andresen. Die Annahme von Sondierungsgesprächen sei ein Gebot demokratischer Kultur, doch Parallelsondierungen zur SPD dürfe es nicht geben. Merkel probiere, den Preis für ein Bündnis so gering wie möglich zu halten.

Verhandlungsrunde steht

Auch Parteichef Cem Özdemir sagte, dass sich die Grünen nicht gegen die SPD ausspielen lassen. Man werde sich nicht einlassen auf "Parallelgespräche (...), um die Preise zu drücken", hatte Özdemir nach der Sitzung des Bundesvorstandes in Berlin betont. Allerdings lag die Einladung der Union zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor.

Festgelegt wurde bereits, wer am Verhandlungstisch sitzen soll: die Spitzenkandidaten des Wahlkampfs, Göring-Eckardt und Jürgen Trittin, dazu die Parteichefs Claudia Roth und Cem Özdemir. Die Union schickt 14 Vertreter in die Gespräche. Trittin hat inhaltlich bereits harte Bedingungen gestellt: zehn Milliarden Euro mehr für Bildung, einen Ausbauplan für Öko-Energien, einen Mindestlohn, den Einstieg in eine Bürgerversicherung und ein Aus für das Betreuungsgeld.

Die Grünen ringen nach ihrem schwachen Abschneiden bei der Bundestagswahl um ihre personelle und inhaltliche Neuausrichtung. Die Partei sei im neuen Bundestag "die einzig verbliebene liberale Stimme, die Stimme der Bürgerrechte, der Selbstbestimmung", sagte Özdemir. Nach der Wahlniederlage werde man die Neuaufstellung in Partei und Fraktion nun zügig angehen. Die Neuwahl der Parteiführung steht beim Bundesparteitag Mitte Oktober in Berlin an.

Laschet kritisiert die SPD

CDU-Vize Armin Laschet lobte indes demonstrativ die Grünen. Diese analysierten "offen ihre Fehler und stellen sich neu auf", während die SPD lautstark die gleichen Dinge fordere wie im Wahlkampf, sagte Laschet der "Rheinischen Post". "Das ist so, als ob nach einem Fußballspiel die unterlegene Mannschaft vom Trainer des Siegers eine komplette Kurskorrektur erwartet."

Bereits vor dem ersten Treffen kam es zu einer Kraftprobe zwischen Union und SPD. CDU und CSU nominierten überraschend jeweils sieben Vertreter für das Gespräch in der Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin. Um ebenfalls auf sieben Unterhändler zu kommen, stockte die SPD ihr Team daraufhin kurzfristig um Mecklenburg-Vorpommerns Sozialministerin Manuela Schwesig auf.

Diese pocht für die SPD weiter auf Steuererhöhungen, die die Union bereits kategorisch ausgeschlossen hat. "Es ist unseriös, jetzt Pflöcke einzurammen, bevor überhaupt ein Gespräch stattgefunden hat", sagte Schwesig der "Rheinischen Post". Investitionen in Schulen, Kitas und die Infrastruktur erforderten "erheblich mehr Geld".

SPD-Frauen fordern eine Quote

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles bereitete Partei und Bevölkerung auf langwierige Verhandlungen vor. "Im Zweifel wird das alles länger dauern und wir landen irgendwann mit einer abschließenden Regierungsbildung im Dezember oder Januar", sagte sie. Sollte es zu Koalitionsverhandlungen kommen, will die SPD nach deren Abschluss noch ihre Mitglieder abstimmen lassen.

Die SPD-Frauen knüpften ihre Zustimmung an die Durchsetzung einer Frauenquote in Aufsichtsräten und die Abschaffung des Betreuungsgeldes. Sonst könne kein Koalitionsvertrag zustande kommen, sagte die Vorsitzende des Arbeitskreises Sozialdemokratischer Frauen (ASF), Elke Ferner, "Spiegel Online".

Bundespräsident Joachim Gauck nahm angesichts der schwierigen Regierungsbildung Einzelgespräche mit den Chefs aller im Bundestag vertretenen Parteien auf. Zunächst kam er mit Merkel zusammen. Auch ein Treffen mit SPD-Chef Sigmar Gabriel ist geplant. Danach folgen Linkspartei, Grüne und CSU.

Quelle: ntv.de, ppo/hah/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen