Politik

Wahl-Serie: Arbeitsmarktpolitk auf dem Prüfstand Das leisten die Parteien für Geringverdiener

Im Friseurhandwerk gilt mittlerweile eine Lohnuntergrenze. Im Osten liegt sie bei 6,50 Euro pro Stunde. Im Westen bei 7,50 Euro.

Im Friseurhandwerk gilt mittlerweile eine Lohnuntergrenze. Im Osten liegt sie bei 6,50 Euro pro Stunde. Im Westen bei 7,50 Euro.

(Foto: picture alliance / dpa)

Das Thema Mindestlohn taugt für einen heftigen Lagerwahlkampf. Die Fronten zwischen Regierungsparteien und Opposition sind verhärtet. Und als wäre das nicht genug Konfliktstoff, zerreißt das Thema eine Partei auch noch innerlich.

CDU/CSU:

Ginge es nach der Linken, würden auch unausgebildete Kräfte künftig mindestens 10 Euro pro Stunde bekommen.

Ginge es nach der Linken, würden auch unausgebildete Kräfte künftig mindestens 10 Euro pro Stunde bekommen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Was hat die Union vor? Im Bundestagswahlkampf 2002 prägten CDU und CSU den Slogan: "Sozial ist, was Arbeit schafft." Und diesem Credo ist die Partei noch heute treu. Die Union ist überzeugt: Von starken Unternehmen und Wirtschaftswachstum profieren die Arbeitnehmer am stärksten. Gegen einen allgemeingültigen flächendeckenden Mindestlohn sperrt sie sich aus Sorge, er könnte Arbeitsplätze vernichten. Getreu dem Motto: Wer einem Unternehmen weniger einbringt, als er kostet, fliegt raus.

Um trotzdem Gehälter von drei oder vier Euro pro Stunde zu verhindern, setzten die Schwesterparteien auf sogenannte Lohnuntergrenzen. Wie bisher sollen Gewerkschaften und Arbeitgebervertreter demnach Tarifverträge mit Minimallöhnen festlegen. In Regionen und Branchen allerdings, in denen es noch keine Tarifverträge gibt, soll eine Kommission einschreiten und einen Lohn aushandeln. Ihr sollen je sieben Vertreter von Arbeitnehmern und Arbeitgebern angehören. Können sie sich nicht einigen, kann die Kommission mit Mehrheitsbeschluss einen sogenannten Schlichter einberufen, der eine Entscheidung fällt. Entscheidend für die Union ist, dass die Politik keine Löhne diktiert, sondern dass sie weiterhin von den Tarifpartnern abhängen.

Was ist von den Plänen der Union zu halten? Der Slogan "Sozial ist, was Arbeit schafft" klingt schmissig. Doch vor allem die Entwicklungen seit 2002 haben gezeigt: Arbeit an sich ist noch lange nicht sozial. In den vergangenen Jahren wuchs der Niedriglohnsektor stetig und ist heute einer der größten in der Europäischen Union. Leiharbeit, Werksverträge und die Notwendigkeit, dass etliche Deutsche auch trotz Vollbeschäftigung auf Sozialleistungen angewiesen sind, machen deutlich: Sozial ist der Arbeitsmarkt in Deutschland nicht.

Ob Mindestlöhne tatsächlich Arbeitsplätze zerstören ist heftig umstritten. Etliche Studien behaupten das Gegenteil. Kritiker halten sie allerdings für unseriös.

Unstrittig ist dagegen: Die Lohnuntergrenzen der Union sind zum Teil kosmetischer Natur. Sie werden an den prekären Beschäftigungsverhältnissen nicht überall etwas ändern. Schwache Arbeitnehmervertreter werden auch weiterhin nur niedrige Löhne aushandeln können. Fünf oder sechs Euro pro Stunden bleiben möglich. Die Pläne der Union bergen zudem das Schlupfloch, dass sich Arbeitgeber gezielt besonders schwache Tarifpartner für ihre Verhandlungen suchen und dann durch einen vermeintlich fairen Abschluss niedrige Löhne legitimieren.

FDP

Was haben die Liberalen vor? Für die FDP waren Mindestlöhne in jedweder Form stets ein Tabu. Sie versteht sie als ein Eingriff in die Autonomie der Unternehmer – unentschuldbar für die liberale Partei. Doch die Realitäten des Niedriglohnsektors und die Schaar der Aufstocker rüttelten an der Weltsicht der FDP. Das Thema ist in der Partei umstritten. Wie die Union unterstützt sie jetzt das Konzept der Lohnuntergrenzen. Bei ihrem Parteitag in Nürnberg setzte die Parteispitze ihren neuen Kurs aber nur mit einer knappen Mehrheit von 57 Prozent der Stimmen durch.

Was ist von den Plänen der Liberalen zu halten? Was für die Lohnuntergrenzen-Pläne der Union gilt, gilt auch für die der FDP. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse werden sie nicht restlos unterbinden, denn das Konzept birgt Schlupflöcher.

Auch die FDP führt gern das Argument an, dass durch schärfere Regeln Arbeitsplätze in Deutschland verloren gehen könnten. Doch dieses Argument greift nur zum Teil. Neben den umstrittenen Studien, die das Gegenteil behaupten, gibt es noch einen weiteren Grund, diese These in Frage zu stellen. Der Arbeitsplatzverlust in Deutschland, vor dem die FDP warnt, wäre die Folge einer Verlagerung der Arbeitsplätze ins Ausland, weil die Unternehmen dort bei niedrigeren Löhnen günstiger produzieren können. Sich diesem Lohnwettstreit durch den Verzicht auf Minimallöhne anzuschließen, wäre volkswirtschaftlich zwar der logische Schritt. Beim Blick auf den Wohlstand auf der ganzen Welt lässt eine derartige Politik aber viel Raum für Kritik.

SPD

Was haben die Sozialdemokraten vor? Für die SPD ist soziale Gerechtigkeit das Wahlkampfthema schlechthin. Sie fordert einen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Die Sozialdemokraten legen Wert darauf, dass er in Ost- und Westdeutschland gleich hoch ausfällt. Zudem pochen sie darauf, dass eine unabhängige Mindestlohnkommission ihn jährlich anpasst, um dauerhaft für eine angemessene Bezahlung zu sorgen.

Was ist von den Plänen der Sozialdemokraten zu halten? Es gibt viele gute Gründe für einen flächendeckenden Mindestlohn. Vor allem der stetig wachsende Niedriglohnsektor liefert der SPD ein starkes Argument. Doch die Partei muss sich zwei Vorwürfe gefallen lassen. Am schwersten wiegt wohl: Zum Teil ist sie selbst für den wachsenden Niedriglohnsektor verantwortlich. Im Rahmen ihrer Arbeitsmarktreformen der "Agenda 2010" schaffte die SPD mit Minijobs und gelockerten Regeln zur Leiharbeit eine Hauptursache.

Der zweite Vorwurf: Die Höhe des Mindestlohns, den die SPD vorschlägt, ist willkürlich. Warum es ausgerechnet 8,50 Euro sein müssen, weiß die Partei nicht ausreichend zu begründen. Bei einer 40-Stunden-Woche käme ein Arbeitnehmer auf 1360 Euro Brutto im Monat. Netto blieben ihm noch 1000 Euro. Eine direkte Verbindung zum Existenzminimum das auf Höhe des Hartz-IV-Niveaus von weniger als 400 Euro plus Unterkunft liegt, kann die SPD nur vage durch das Lohnabstandsgebot erklären.

Grüne

Was haben sie vor? Wie die SPD fordern die Grünen einen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Auch sie wollen ihn jährlich von einer unabhängigen Kommission festlegen lassen.

Was ist von ihren Plänen zu halten? Für die Grünen ist das Thema soziale Gerechtigkeit als Schwerpunkt verhältnismäßig neu. Erst bei ihrem Parteitag in Hannover Ende 2012 rückten sie es in den Vordergrund ihrer Politik. Das rechtfertigt allerdings nicht, dass die Grünen durch ihre Zustimmung zur Agenda 2010 wie die SPD mitverantwortlich sind für das Dilemma der Minilöhne. Und auch sie müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass die Höhe ihres Mindestlohns willkürlich ist.

Linke

Was haben sie vor? Wie bei anderen entscheidenden Themen dieses Bundestagswahlkampfes setzt die Linke noch einen drauf: Ein Mindestlohn von 8,50 Euro reicht der Partei nicht. Sie fordert 10 Euro. Auch eine Kommission, die den Mindestlohn den Entwicklungen der Wirtschaft anpasst, reicht der Linken nicht. Sie fordert, dass der Mindestlohn jährlich steigen "muss". Bis zum Ende der nächsten Wahlperiode soll der Mindestlohn bei mindestens 12 Euro liegen. Zudem pocht die Partei auch darauf, dass branchenspezifisch höhere Mindestlöhne möglich sind.

Was ist von ihren Plänen zu halten? Noch mehr als bei Grünen und SPD erscheint die Höhe des Mindestlohns bei den Linken unbegründet. Bei einer 40-Stunden-Woche und 10 Euro im Monat käme ein Mitarbeiter in Vollzeit auf 1600 Euro Brutto und mehr als 1100 Euro Netto. Bei 12 Euro pro Stunde wären es schon ungefähr 1300 Euro Netto. Das ist nicht ausgesprochen viel, doch es ist als Minimum vielleicht ein wenig zu viel für eine unausgebildete Kraft. Wie bei anderen Wahlkampfthemen auch muss sich die Linke den Vorwurf des Populismus gefallen lassen.

Quelle: ntv.de

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