Politik

Linke ohne Leitwolf Debatte über neue Mehrheiten

Nach Lafontaines Rückzug aus der Bundespolitik sehen Abgeordnete von Linken, SPD und Grünen Chancen für Mehrheiten jenseits von CDU/CSU und FDP: "Das Leben ist bunter", appellieren sie in einem gemeinsamen Aufruf an ihre Parteien. Die SPD-Spitze jedoch hebt abwehrend die Hände; auch führende Linke sind skeptisch.

Rot-Rot-Grün will Schwarz-Gelb Feuer machen.

Rot-Rot-Grün will Schwarz-Gelb Feuer machen.

(Foto: © M. Großmann / PIXELIO)

Der Rückzug von Linkspartei-Chef Oskar Lafontaine aus der Bundespolitik hat eine Debatte über eine Annäherung zwischen der Linken und der SPD ausgelöst. Abgeordnete von Linken, SPD und Grünen veröffentlichten einen gemeinsamen Aufruf, in dem sie ihre Parteien auffordern, ab sofort auf eine rot-rot-grüne Mehrheit im Bund hinzuarbeiten. Parteivize Klaus Ernst, der parteiintern als möglicher Nachfolger Lafontaines gehandelt wird, sieht dagegen keine veränderten Chancen für eine Kooperation. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel widerspricht Mutmaßungen, nun rücke eine rot-rote Koalition im Bund näher.

Lafontaine gab seinen Verzicht auf eine neuerliche Kandidatur für den Parteivorsitz am Samstag in Berlin bekannt. Sein Bundestagsmandat will er bereits in den nächsten Tagen niederlegen. Als einziges Amt will er den Fraktionsvorsitz der Linken im Saarbrücker Landtag behalten. Der frühere SPD-Chef, Bundesfinanzminister und saarländische Ministerpräsident führte die Linke seit ihrer Gründung 2007.

Der Parteienforscher Peter Lösche sieht nun größere Chancen für rot-rote Bündnisse. "Die persönlichen Verletzungen zwischen Lafontaine und der SPD-Spitze sind nie vernarbt. Sein Rückzug macht Kooperationen für die SPD leichter", sagte er "Bild am Sonntag". "Ohne Lafontaine kann sich das linke Lager aus SPD, Grünen und Linkspartei festigen. Dann wird es für Schwarz-Gelb schwerer, Wahlen zu gewinnen."

"Das Leben ist bunter"

In ihrem in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" veröffentlichten Brief schreiben die Abgeordneten von Linken, SPD und Grünen, nun müsse die Debatte um eine Zusammenarbeit beginnen. Es müsse geklärt werden, wie es jenseits von Union und FDP zu parlamentarischen Mehrheiten kommen könne, forderten die Unterzeichner, darunter die SPD-Umweltpolitiker Frank Schwabe und Martin Bülow, die Linken-Politiker Stefan Liebich, Halia Wawzyniak und Jan Korte sowie die Grünen-Politiker Nicole Maisch und Anton Hofreiter.

"Wir wissen, dass ein rot-rot-grünes Bündnis mehr unter Druck stehen würde als jede andere Konstellation. Deshalb wollen wir die Debatte jetzt beginnen", heißt es in dem Aufruf "Das Leben ist bunter".

Hick-Hack in der SPD

Spekulationen über eine mögliche Annäherung der SPD an die Linkspartei hatten Äußerungen von Ex-Juso-Chef Niels Annen ausgelöst. Der Sprecher der SPD-Linken plädierte laut "Handelsblatt"  für eine engere Zusammenarbeit beider Parteien. Schon heute seien Politiker der Linken verlässliche Partner der SPD, sagte er. In der "Süddeutschen Zeitung" ruderte Annen dann zurück und widersprach der Interpretation, wonach er nun größere Kooperationsmöglichkeiten mit der Linkspartei sehe. "Die Partei muss sich jetzt sortieren. Alles andere ist Spekulation", so Annen in der SZ.

Der ebenfalls dem linken SPD-Flügel zugehörige Abgeordnete Ottmar Schreiner forderte seine Partei auf, sich zu bewegen. "Die SPD muss ein Stück weit ihre eigene Programmatik korrigieren, die ursächlich für das sozialdemokratische Wahldebakel ist. Das Ergebnis könnte dann mehr Kompatibilität mit der Linkspartei sein, sofern es auch dort eine inhaltliche Bewegung gibt", sagte er der "Saarbrücker Zeitung".

Gabriel und Nahles: Es hat sich nichts geändert

SPD-Parteivorsitzender Gabriel sah sich offenbar zur Klarstellung gezwungen. Auf die Frage, was sich nun im Verhältnis der Sozialdemokraten zur einstigen PDS ändere, sagte Gabriel der Süddeutschen Zeitung: "Gar nichts." Die SPD definiere sich nicht in Abgrenzung oder in Annäherung zu einer anderen Partei. Das Verhältnis werde auch nicht durch einzelne Personen bestimmt.

Gabriel machte deutlich, dass für ihn in der Oppositionszeit Koalitionsfragen von untergeordneter Bedeutung sind. "Die SPD muss sich darum kümmern, dass sie selbst wieder stark wird", sagte er. Koalitionen seien keine Frage der Arithmetik, sondern von Inhalten. "Wenn die Linkspartei, wie gegenwärtig in Nordrhein-Westfalen, mit wirren Programmen antritt, verbietet sich die Zusammenarbeit aus inhaltlichen Gründen", fügte er hinzu.

Auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles beschrieb das Verhältnis zur Linkspartei als unverändert. "Es wird sich zeigen, ob die Linkspartei eine wirkliche Partei mit Programm und Verantwortungsbewusstsein wird oder die vorübergehende Privatbühne von Oskar Lafontaine", sagte sie der SZ.

Bartsch: Grundlegende Unterschiede bleiben

Ebenso skeptisch sind prominente Linken-Politiker. Außer Parteivize Ernst wandte sich der scheidende Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch sich gegen die Einschätzung, Lafontaines Abgang werde Bündnisse mit der SPD leichter machen. "Das sehe ich ausdrücklich anders", sagte er der "Ostsee-Zeitung".

"Es geht um inhaltliche Voraussetzungen. Im Moment lohnt es sich überhaupt nicht zu spekulieren, ob es irgendwelche Bündnisse auf Bundesebene gibt." Die SPD müsse erst einmal ihre Rolle in der Opposition finden. Die grundlegend unterschiedlichen Positionen zwischen Linker und SPD zu Hartz IV, Rente mit 67 sowie zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan blieben bestehen.

Personalspekulationen bei den Linken

Zu möglichen Nachfolgern Lafontaines wollten sich führende Linke-Mitglieder noch nicht äußern. Fraktionschef Gregor Gysi sagte, es sei Aufgabe seiner Generation, den Vereinigungsprozess von PDS und WASG zu vollenden. Dazu wolle er seinen Beitrag leisten. Direkten Fragen zu möglichen eigenen Ambitionen wich er aus. In Parteikreisen wurden die Abgeordneten Gesine Lötzsch und Petra Pau sowie Ernst als Kandidaten genannt. Es sei auch denkbar, dass Gysi befristet die Partei führe.

Der Parteienforscher Jürgen Falter sagte der "Bild am Sonntag", nur Gysi könne jetzt die Linkspartei zusammenhalten. "Aus dem Westen gibt es niemanden, der Lafontaine als Parteichef ersetzen kann. Gysi muss die Partei zusammenhalten. Er ist der einzige, der das kann, weil er im Osten wie im Westen als Vorsitzender respektiert werden würde." Ohne Lafontaine werde die Linke im Westen Stimmen verlieren. Die SPD könne nun aufatmen: "Lafontaine ist die Person, die ihr am meisten geschadet hat."

Quelle: ntv.de, hdr/dpa/rts/AFP

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