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Unruhen im Kongo Demonstranten attackieren westliche Botschaften in Kinshasa

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Reifen brennen am Eingang des belgischen Botschaftsgebäudes in Kinshasa.

Reifen brennen am Eingang des belgischen Botschaftsgebäudes in Kinshasa.

(Foto: picture alliance/dpa/ACP)

Eine Rebellenmiliz gewinnt im Ostkongo die Kontrolle. In der Hauptstadt kommt es zu wütenden Protesten. Ziel der Gewalt sind neben den Botschaften von Frankreich, Belgien und der Niederlande auch mehrere afrikanische Landesvertretungen. Betroffen ist auch die deutsche Konrad-Adenauer-Stiftung.

In der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa attackierten Demonstranten die Botschaften mehrerer Staaten, denen sie Untätigkeit angesichts der anhaltenden Gewalt vorwerfen. Die Menge griff die Botschaften von Frankreich, Belgien, der Niederlande und der USA an, wie die jeweiligen Regierungen bestätigten. Die US-Botschaft riet ihren Bürgern, "an Ort und Stelle zu bleiben und Bewegungen zu vermeiden". Der französische Außenminister Jean-Noel Barrot verurteilte den Angriff auf die französische Botschaft als "inakzeptabel" und erklärte, ein Feuer in dem Gebäude sei mittlerweile unter Kontrolle.

Nach Angaben der kenianischen Regierung und der kongolesischen Polizei kommt es auch zu Übergriffen auf afrikanische Botschaften. Betroffen seien die Botschaftsgebäude von Kenia, Südafrika und Uganda in der Hauptstadt Kinshasa, sagte der kenianische Staatssekretär für Auswärtige Angelegenheiten Korir Sing'oei. Auch Botschaftspersonal sei demnach angegriffen worden.

Der kongolesische Polizeibeamte Felix Mwisa sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Botschaft Ruandas sei angegriffen und geplündert worden. Der kenianische Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten, Korir Sing'Oei, verurteilte auf X Angriffe auf die Botschaften Kenias, Ugandas und Südafrikas durch "marodierende Demonstranten".

Die gewaltsamen Proteste seien durch den aktuellen Angriff der Rebellengruppe M23 auf die Stadt Goma im Osten des Landes ausgelöst worden, so Sing'oei. Die Übergriffe auf die Botschaften seien "ein schwerwiegender Verstoß gegen das Völkerrecht, und wir verurteilen sie auf das Schärfste", sagte der Minister.

Büro deutscher Stiftung angezündet

Von gewalttätigen Ausschreitungen sind auch Büroräume der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) betroffen. Das betreffende Gebäude, in dem die Botschaft Ruandas untergebracht ist, sei von Demonstranten angezündet und geplündert worden, sagte der Leiter des KAS-Auslandsbüros in Kinshasa, Jakob Kerstan. Auch Fahrzeuge der Stiftung seien in Brand gesetzt worden. Mitarbeiter wurden nicht verletzt.

Das Ausmaß der Schäden sei bisher unklar. Die Stiftung hatte in den Stunden nach den Übergriffen keinen Zugang zu den Räumen. Die Konrad-Adenauer-Stiftung ist eine CDU-nahe Stiftung, die mit Büros in mehr als 80 Ländern vor allem politische Bildungsarbeit betreibt.

"Die Angriffe galten im Prinzip allen, denen vorgeworfen wird, mit Ruanda zu paktieren. Sie sollten sozusagen dafür büßen", sagte Kerstan, der sich zum Zeitpunkt des Angriffs nicht in Kinshasa aufhielt. "Dass sich die Wut gegen Ruanda und seine vermeintlichen Unterstützer richtet anstatt gegen die Regierung, spielt der Regierung aber auch in die Hände. Die Sicherheitskräfte sind nicht mit letzter Konsequenz gegen die Demonstranten vorgegangen." Vereinzelt seien auf Aufnahmen auch Sicherheitskräfte zu sehen gewesen, die sich an Plünderungen von Läden beteiligten. Unter die Demonstranten hätten sich auch Opportunisten gemischt. Für Mittwoch sind erneut Proteste angekündigt. "Die Situation ist noch nicht unter Kontrolle", sagte Kerstan.

Deutsche Botschaft bisher nicht betroffen

Die deutsche Botschaft in Kinshasa ist nach Angaben aus dem Auswärtigen Amt bisher nicht von den Unruhen in der Demokratischen Republik Kongo betroffen. "Die Kolleginnen und Kollegen der Botschaft in Kinshasa stehen mit unserem Krisenreaktionszentrum im engen Austausch und haben Vorsorgemaßnahmen getroffen", hieß es am Mittag aus dem Ministerium von Außenministerin Annalena Baerbock. Der Krisenstab der Bundesregierung habe bereits getagt und ein aktuelles Lagebild erstellt.

Auf der Krisenvorsorgeliste ist den Angaben zufolge derzeit eine niedrige dreistellige Zahl von Deutschen registriert, die angeben, sich in der Demokratischen Republik Kongo aufzuhalten, darunter eine niedrige zweistellige Zahl von Menschen, die sich nach eigener Darstellung in Ostkongo befinden.

In den letzten Tagen hatte das Krisenreaktionszentrum bereits Landsleutebriefe verschickt und die Reise- und Sicherheitshinweise für die Demokratische Republik Kongo angepasst. Deutsche in Nord-Kivu werden aufgefordert auszureisen. Deutschen in Süd-Kivu wird die Ausreise empfohlen. Von Reisen in die übrigen Landesteile der Demokratischen Republik Kongo wird abgeraten.

"Extrem besorgniserregende Lage"

Die UNO hat die Lage in Goma als "extrem besorgniserregend" bezeichnet. Es gebe Berichte über Vergewaltigungen und Plünderungen, sagte der Sprecher des UN-Büros für humanitäre Angelegenheiten (Ocha), Jens Laerke, vor Pressevertretern in Genf. Laerke sagte, Ocha habe "Berichte über geschlechtsspezifische Gewalt und Vergewaltigungen durch Kämpfer, Plünderungen, einschließlich eines humanitären Lagers, und Angriffe auf humanitäre und gesundheitliche Einrichtungen" in Goma erhalten. Die UNO habe bereits nicht unbedingt erforderliche humanitäre Helfer verlegt, "aber das unerlässliche Personal bleibt in Goma", sagte Laerke.

Kämpfer der von Ruanda unterstützten Gruppe M23 und ruandische Soldaten waren am Sonntagabend in das Stadtzentrum von Goma eingedrungen. Es gab widersprüchliche Angaben darüber, wie viel von Goma noch unter kongolesischer Kontrolle stand. Am Dienstag waren erneut Schüsse in der Stadt zu hören. M23-Kämpfer und ruandische Soldaten eroberten nach Angaben aus Sicherheitskreisen zudem den Flughafen der Großstadt.

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Am Montag wurden mehr als 360 Menschen in Krankenhäusern behandelt, die bei den Kämpfen verletzt wurden. Nach Zählung der Nachrichtenagentur AFP gab es mindestens 17 Tote. Das Rote Kreuz äußerte sich ebenfalls besorgt über die humanitäre Lage in Goma. Viele Menschen, die durch Schüsse oder Explosionen verletzt worden seien, suchten demnach Einrichtungen des Roten Kreuzes auf. Seit Anfang des Monats hätten Mitarbeiter des Roten Kreuzes mehr als 600 Verletzte behandelt, fast die Hälfte von ihnen Zivilisten und viele von ihnen Frauen und Kinder.

Die an Bodenschätzen reichen kongolesischen Provinzen Nord- und Süd-Kivu im Osten des zentralafrikanischen Landes sind seit drei Jahrzehnten von Konflikten geprägt. Die M23 hat sich dabei als stärkste bewaffnete Gruppe erwiesen. Seit 2021 hat sie weite Gebiete im Osten erobert, tausende Menschen vertrieben und eine humanitäre Krise ausgelöst.

Quelle: ntv.de, gut/dpa/AFP

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