Geißler: "S21"-Weiterbau hat Grenzen Demonstranten stürmen Baustelle
20.06.2011, 23:03 Uhr
Demonstranten auf Baufahrzeug: Aktivisten stürmten das Baugelände.
(Foto: dpa)
Nach der Montagsdemonstration reißen Gegner des Bahnprojekts "Stuttgart 21" die Bauzäune um und stürmen das abgesperrte Gelände am Hauptbahnhof. Mehrere Polizisten werden verletzt. "Einen Weiterbau um jeden Preis wird es wohl nicht geben", sagt derweil der frühere Streitschlichter Geißler.
Neue Gewalt im Streit um Stuttgart 21: Mehrere hundert Gegner des Bahnhofsprojektes haben am Montagabend eine Baustelle gestürmt und dabei acht Polizisten leicht verletzt. Nach der traditionellen "Montagsdemonstration" rissen sie die Zäune zum geplanten Grundwassermanagement für den Bau des Tiefbahnhofs nieder. Einige Aktivisten besetzten die Wassertanks, andere zündeten Knallbomben in der Nähe der Polizeikette.
Nach Angaben der Polizei erlitt ein Beamter vermutlich einen Hörsturz. Ein weiterer Zivilbeamter sei in der Menge der Protestierenden enttarnt worden und mit Schlägen auf den Kopf traktiert worden. Der Polizei zufolge hatten vorher 3000 Menschen friedlich gegen das 4,1 Milliarden Euro teure Bahnvorhaben demonstriert.
"Das ist kriminell"
Nach der Attacke: demolierte Zäune.
(Foto: dpa)
Der Sprecher für das Projekt, Wolfgang Dietrich, sagte: "Nach meinem ersten Eindruck handelt es sich hier nicht mehr um zivilen Ungehorsam oder Recht auf Demonstration. Das ist schlicht und einfach kriminell." Der Stuttgarter CDU-Fraktionschef Peter Hauk betonte: "Diese Art der gewaltvollen Protestaktionen muss aufhören." Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) müsse seine abwartende Haltung aufgeben und die Demonstranten zur Friedfertigkeit aufrufen.
Dagegen sprachen die "Parkschützer", eine Gruppe von Aktivisten, von "gelöster Feierabendstimmung", in der rund 1000 Protestierende ein "Stück ihrer Stadt wieder in Besitz" genommen hätten. Die Versammlung sei friedlich verlaufen, es sei nicht zu Ausschreitungen gekommen. Die "Parkschützer" verlangen von der Bahn einen Baustopp.
Die Bahn hatte vor kurzem die seit Ende März ausgesetzten Bauarbeiten wieder aufgenommen - ungeachtet von Forderungen, diese mindestens bis zur Veröffentlichung der Ergebnisse des Stresstests Mitte Juli ruhen zu lassen. Die Verlegung von 17 Kilometern Rohren für das Grundwassermanagement im Stuttgarter Zentrum steht unmittelbar bevor. Die Ständer dafür wurden zum Teil bereits errichtet.
Geißler skeptisch
Der frühere "Stuttgart 21"-Schlichter Heiner Geißler sieht indes finanzielle Grenzen für einen Weiterbau des umstrittenen Bahnhofprojekts. "Die Mittel des Bundes und der Bahn sind beschränkt", sagte der CDU-Politiker der "Süddeutschen Zeitung". "Einen Weiterbau um jeden Preis wird es wohl nicht geben können." Geißler wird am 14. Juli das Ergebnis des Stresstests vorstellen.
Bei dem Stresstest könne er nur für Transparenz sorgen, sagte Geißler. "Entscheiden müssen dann Bahn, Bund, Land und die Stadt Stuttgart." Wenn der Stresstest negativ ausfalle, müsse die Frage beantwortet werden, "ob Milliarden Euro ausgegeben werden, für die man im Endeffekt keine Verbesserung der Verkehrsfähigkeit bekommt". Geißler bewertete auch die von der grün-roten Landesregierung geplante Volksabstimmung positiv: "Sie wird eine Eskalation stoppen und zur Befriedung beitragen."
Maximal 4,15 Milliarden Euro
Bei dem heftig umstrittenen Projekt soll der Stuttgarter Sackbahnhof in eine unterirdische Durchgangsstation mit kilometerlangen Tunnelstrecken umgebaut werden. Ob der neue Bahnhof den Anforderungen auch in Spitzenzeiten genügen würde, soll der Stresstest per Computersimulation zeigen. Sollten weitere Gleise nötig und die geplanten Kosten von 4,15 Milliarden Euro überschritten werden, wäre weiterer Streit zur Kostenübernahme vorprogrammiert.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa