Politik

Schädel-Gedenkfeiern in Namibia Der Botschafter verneigt sich

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Einer der 20 Schädel aus Berlin wird in der Hauptstadt Windhuk gezeigt.

(Foto: AP)

Die Verständigungsschwierigkeiten zwischen Deutschland und seiner einstigen Kolonie Namibia dauern an. Das liegt am diplomatischen Versagen der Bundesregierung, vor allem von Staatssekretärin Pieper. Dahinter steht möglicherweise die Angst, nicht nur Schädel zurückgeben zu müssen, sondern auch Beutekunst.

Die 20 Schädel, die Anfang der Woche aus Deutschland nach Namibia zurückgebracht worden waren, sind am Mittwoch offiziell von der Regierung des Landes in Empfang genommen worden. An der Trauerfeier nahmen Präsident Hifikepunye Pohamba und der deutsche Botschafter Egon Kochanke teil.

Die Schädel waren Anfang des 20. Jahrhunderts als Trophäen und zu Forschungszwecken einer rassistisch orientierten Anthropologie nach Deutschland gebracht worden. Bei den Toten, deren sterbliche Überreste bereits in der vergangenen Woche in der Berliner Klinik Charité an eine namibische Delegation übergeben wurden, handelt es sich um 9 Herero und 11 Nama, beides Völker, die mehrheitlich in Namibia leben.

Die 20 Afrikaner wurden vermutlich bei der Niederschlagung des Aufstands der Herero und Nama getötet. Historiker klassifizieren den Feldzug der deutschen Kolonialherren zwischen 1904 und 1908 als Vernichtungskrieg. Die meisten Schätzungen gehen davon aus, dass von den ursprünglich 80.000 Herero nur 15.000 überlebten, bei den Nama starben 10.000.

"Wiedergutmachung für Völkermord"

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Ankunft der Schädel am Flughafen von Windhuk.

(Foto: AP)

Nach Angaben der Zeitung "The Namibian" nahmen rund 2000 Vertreter von Herero-Clans und Nama an der Trauerfeier auf dem "Heldenacker" nahe der namibischen Hauptstadt Windhuk teil. Herero-Führer Alfons Maharero sagte, die Rückkehr der Schädel sei "ein starker Beweis, dass Namibia Grund für die Forderung nach einer Wiedergutmachung für den von Deutschland während der Kolonialherrschaft begangenen Völkermord hat". Das ist der zentrale Konflikt: Die Bundesregierung lehnt Zahlungen an die Herero und Nama kategorisch ab, als Völkermord hat sie die Taten der kaiserlichen Truppen nicht anerkannt.

Alfons Maharero ist ein Nachkomme von Samuel Maharero, der den Herero-Aufstand im Januar 1904 anführte. In seiner Rede beklagte er, der unfreundliche Empfang der namibischen Delegation in Berlin sei erniedrigend gewesen. Nama-Häuptling David Fredericks warf der Bundesregierung vor, ihre historische Verantwortung zu leugnen. "Sie sehen uns immer noch als einen untermenschlichen Gegenstand an."

Streit auch innerhalb Namibias

Dass das Thema auch innerhalb Namibias nicht unumstritten ist, demonstrierte die Rede von Präsident Pohamba. Er verurteilte die "furchtbaren Grausamkeiten", welche die kaiserlichen Truppen verübt hatten. Die Forderung nach einer Entschädigung erhob Pohamba jedoch nicht. Zudem lehnt die Befreiungsbewegung SWAPO, die seit der späten Unabhängigkeit des Landes regiert, Zahlungen an einzelne Volksgruppen im Land ab.

Zaungäste der Schädel-Debatte sind die rund 20.000 deutschstämmigen Namibier. Viele von ihnen sind empört über den Aufwand, der für 20 Schädel betrieben wurde, einige bestreiten, dass so viele Herero von den kaiserlichen Truppen in den Tod getrieben wurden. "Aufgebauscht und fabriziert" seien die Geschichten über die versuchte Ausrottung der Herero, sagt etwa der 79 Jahre alte Farmer Heiner Schneider-Waterberg.

"Gestatten Sie mir, an der Trauer teilzunehmen"

Mit Blick auf die Forderung nach einer offiziellen Entschuldigung Deutschlands erinnerte Botschafter Kochanke daran, dass die damalige Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul sich 2004 entschuldigt habe. Dies sei von der namibischen Seite auch akzeptiert worden. "Sie reichte ihre Hand und sie wurde genommen", sagte Kochanke. Allerdings hatte die rot-grüne Bundesregierung Wieczorek-Zeuls Entschuldigung später relativiert.

Nach Angaben der namibischen "Allgemeinen Zeitung" sagte Kochanke: "Gestatten Sie mir, an der Trauer zu diesem tragischen Geschehen teilzuhaben. Ich verneige mich und drücke mein tiefes Bedauern aus." Verhandlungen mit Vertretern der Herero und Nama lehnte der Botschafter ab: "Meine Regierung unterhält keine Sonderbeziehungen zu individuellen ethnischen Gruppen."

"Historische und moralische Verantwortung"

Wie immer bei namibisch-deutschen Treffen war der Auftritt des Botschafters ein diplomatischer Balanceakt. Da die Bundesregierung sich beharrlich weigert, den Völkermord als solchen anzuerkennen, sind solche Veranstaltungen für die deutschen Vertreter häufig ein Reden um den heißen Brei.

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Mitglieder der namibischen Delegation bei der Übergabe der Schädel in der Charité.

(Foto: dapd)

Das klingt dann so: "Die Bundesregierung hat sich wiederholt zu der historischen und moralischen Verantwortung Deutschlands gegenüber Namibia bekannt", beantwortete eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes die Frage von n-tv.de, warum Deutschland die Gräueltaten, die Deutsche vor über 100 Jahren in Namibia verübten, nicht als Völkermord anerkennt. "Die Bundesregierung kommt dieser Verantwortung insbesondere durch eine verstärkte bilaterale Zusammenarbeit - auch auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit - nach." Das stimmt: Kein afrikanisches Land erhält pro Kopf mehr deutsche Entwicklungshilfe als Namibia.

Dem Grünen-Abgeordneten Hans-Christian Ströbele reicht das nicht. "Ich habe kein Verständnis dafür, dass die Bundesregierung den Völkermord nicht als solchen anerkennt", sagt er n-tv.de. Ströbele setzt sich seit 2004 für die Forderungen der Nama und Herero ein. "Selbst wenn es das Risiko einer juristischen Klage geben sollte, muss Deutschland den Völkermord so nennen, denn nur dann kann Deutschland offiziell bei den Herero und Nama um Entschuldigung bitten."

Pieper-Rede "einfach nur peinlich"

Wer diplomatisch balanciert, kann auch abstürzen. Die Übergabe der Schädel wurde nicht etwa von der Bundesregierung organisiert, sondern von der Charité. Außen-Staatssekretärin Cornelia Pieper (FDP) trat lediglich als Gast auf. In ihrer Rede bat sie "im Namen der Bundesregierung die besonders betroffenen Völker der Herero, Nama und Damara um Versöhnung". Im Publikum rieb man sich die Augen: Die Gäste hatten gehofft, dass Pieper um Entschuldigung bitten würden. Nun bat sie um "Versöhnung".

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Beamte verpacken Schädel von Herero für den Transport nach Berlin.

(Foto: Wikimedia)

Piepers Rede am vergangenen Freitag wurde von Zwischenrufen begleitet, danach wurde sie ausgebuht. Teilnehmer sagen, dass die Buhrufe von Angehörigen deutscher Nichtregierungsorganisationen kamen, während sich, wie die "Allgemeine Zeitung" schrieb, "die namibische Delegation trotz tiefgreifender Differenzen mit der Bundesregierung und nicht erfüllter Erwartungen die Woche über und bei der Zeremonie stets maßvoll verhalten hat". Nach der Rede verließ Pieper die Veranstaltung, ohne sich von den Namibiern zu verabschieden. Der Sprecherin des Auswärtigen Amtes zufolge musste die Staatsministerin "die Veranstaltung aufgrund unaufschiebbarer Termine verlassen".

Der Linken-Abgeordnete Niema Movassat, der an der Feierstunde teilgenommen hat, glaubt das nicht. "In jedem Fall", so sagt er, "war es eine Respektlosigkeit der namibischen Delegation gegenüber." Schon die Rede sei "einfach nur peinlich" gewesen, so Movassat. "Kein Wort der Entschuldigung darin."

Angst vor der Rückgabe von Beutekunst

Ganz offensichtlich fürchtet die Bundesregierung, mit einer offiziellen Entschuldigung die Grundlage für einklagbare Reparationsforderungen zu schaffen. Möglicherweise steht jedoch eine weitere Angst dahinter, sagt Nicolai Röschert, Vorstandsmitglied der deutschen Sektion von AfricAvenir - die Angst vor der Rückerstattung von geraubten Kulturgütern. "Menschliche Überreste werden jetzt offenbar zurückgegeben, aber mit Kunst- und Kulturgegenständen soll dies keinesfalls passieren." Tatsächlich forderte Präsident Pohamba, weitere Objekte namibischen Ursprungs in Deutschland zu identifizieren, die heimgeholt werden sollen. Ins Detail ging er nicht.

Die Schädel aus der Charité waren übrigens erst vor drei Jahren wiederentdeckt worden. Wie viele insgesamt in den Untiefen deutscher Forschungsinstitute lagern, ist unbekannt. Allein eine Expedition des Herzogs Adolf Friedrich zu Mecklenburg brachte 1908 mehr als 1000 Schädel aus Afrika nach Deutschland.

Der namibische Jugendminister Kazenambo Kazenambo sagte bei der Trauerfeier, 18 der Schädel stammten aus dem deutschen Konzentrationslager auf der Halbinsel Shark Island. Dort waren während des Krieges Nama-Gefangene interniert. Kazenambo, der wie Maharero nach Berlin gereist war, sagte, man prüfe, wie viele namibische Schädel noch in Deutschland seien. Hier immerhin gab es einen Konsens: Botschafter Kochanke unterstrich, dass die Bundesregierung ihren Dialog mit der namibischen Seite über die Rückführung von Schädeln fortsetzen werde.

Quelle: ntv.de, mit dpa

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