Politik

Friedrich feuert Bundespolizeispitze Der Frust der Geschassten

Seeger erfuhr aus der Presse, dass er seinen Posten räumen muss.

Seeger erfuhr aus der Presse, dass er seinen Posten räumen muss.

(Foto: dapd)

Ohne einen Grund zu nennen, entlässt Innenminister Friedrich den Chef der Bundespolizei und versetzt zwei seiner Stellvertreter. Denkbar ist, dass er damit ein Zeichen setzen will - nach etlichen Pannen in seinem Verantwortungsbereich. Getreu dem Motto: Der Minister räumt auf. Dafür nimmt er offensichtlich auch Bauernopfer in Kauf.

Der scheidende Chef der Bundespolizei, Matthias Seeger, erhebt . Seinen Rauswurf bezeichnet er als "würdelosen Vorgang". In seiner Kritik schwingt offenkundig viel Frust mit. Vermutlich nicht nur, weil er aus der Presse erfuhr, dass er seinen Posten räumen muss.

Friedrich warf Seeger und zwei seiner Stellvertreter am Montagmorgen aus dem Amt. Gründe nannte der CSU-Politiker nicht, maßgeblich sollte für einen Minister aber die Leistungsfähigkeit der Behörde sein. Und da gilt eines als sicher: Stimmung und Arbeitsmoral bei den rund 40.000 Mitarbeitern der Bundespolizei sind desaströs. Das belegen gleich zwei Untersuchungen: die Studie "Klartext 2010" im Auftrag der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und die Studie der Hochschule Magdeburg Stendal. Etliche Beamte arbeiten danach an der Grenze zum Burnout. Höchstleistungen sind unter derartigen Bedingungen nicht möglich. Äußerst fraglich ist aber, ob Seeger und seine Stellvertreter dafür verantwortlich zeichnen. Denn eigentlich liegen die Gründe für die Überlastung der Beamten auf der Hand. Die Mitarbeiter sind seit Jahrzehnten Spielfiguren in einem gewaltigen Transformationsprozess, auf den sie selbst keinen Einfluss haben.

Verlust der Kernaufgabe

Zunächst verlor die Behörde, die früher noch Bundesgrenzschutz hieß, durch das Schengen-Abkommen und die deutsche Wiedervereinigung ihre Hauptaufgabe. Statt die Außengrenzen der Bundesrepublik zu sichern, gilt es seither nur noch sporadisch, Personenkontrollen in Grenznähe durchzuführen. Im Vordergrund steht nun vielmehr der Schutz von Bahn- und Flugverkehr. Wenn irgendwo in Deutschland randalierende Fußballfans oder Neonazis aufmarschieren, stehen die Bundespolizisten heute in vordersten Front – vor allem weil die Einsatzkräfte in den Bundesländern nach etlichen Sparprogrammen nicht mehr leistungsfähig genug sind.

Eine Entscheidung der Führungsspitze der Bundespolizei war das, wie bei Behörden üblich, natürlich nicht. Die zunehmende europäische Integration Deutschlands, die Wiedervereinigung – all das waren Projekte, die auf höchster politischer Ebene entschieden wurden. Das Aufgabenspektrum der Behörde war seitdem nie mehr richtig klar.

Nachdem die Mitarbeiter etliche neue Aufgaben übernehmen mussten, bahnte sich unter Friedrichs Amtsvorgänger Thomas de Maizière dann die nächste große Veränderung an. Der CDU-Politiker wollte auch angesichts des schwindenden Profils des einstigen Bundesgrenzschutzes die Behörde mit dem Bundeskriminalamt zusammenlegen. Wieder war es eine Entscheidung der Politik, die die Verunsicherung der Beamten vergrößerte. Die Widerstände waren entsprechend groß. Seeger sagte damals: "Bei einer Fusion wären beide Organisationen Verlierer."

Kaum hatten sich einige der Mitarbeiter mit der anstehenden Reform abgefunden, überraschte sie eine politische Kehrtwende. Unter Innenminister Friedrich sollte es die Fusion nicht mehr geben.

Friedrich nahm Bauernopfer in Kauf

Vor diesem Hintergrund ist es klar, dass ein Personalwechsel an der Spitze die Leistungsfähigkeit der Behörde kaum verbessern kann. Im Gegenteil: Sie wird wohl noch mehr Verunsicherung schüren. Das dürfte auch dem Innenminister klar sein. Darum entsteht der Eindruck, dass es dem CSU-Politiker mit seiner Entscheidung vor allem darum ging, ein Zeichen zu setzen. Getreu dem Motto: Nach all den öffentlichkeitswirksamen Pannen bei den Ermittlungen zur in seinem Verantwortungsberich räumt der Minister jetzt auf.

Mit dieser Kampagne allerdings kehrt er ein entscheidendes Detail unter den Tisch. Aktenschredderaktionen und Datenpannen waren Fehltritte der Verfassungsschutzämter und des Bundeskriminalamts, nicht der Bundespolizei. Da die Spitzen dieser Behörden schon ausgetauscht wurden oder demnächst ausgetauscht werden, nahm Friedrich das Bauernopfer Seeger wohl schlicht in Kauf, um seine eigene Position zu stärken. Der arbeitete zwar unter schwersten Bedingungen, vergleichbare Fauxpas leistete er sich aber nicht. Dass in Seegers Stimme vor diesem Hintergrund Frust mitschwingt, wenn er über das Ende seiner Karriere spricht, verwundert da kaum.

Quelle: ntv.de

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