Politik

Nebelbombe oder Superwaffe? Der Westen krallt sich an die OSZE

OSZE-Chef Burkhalter und der russische Präsident machen bei ihren diplomatischen Bemühungen Fortschritte: Immerhin setzt Putin jetzt darauf, das umstrittene Referendum in Donezk zu verschieben.

OSZE-Chef Burkhalter und der russische Präsident machen bei ihren diplomatischen Bemühungen Fortschritte: Immerhin setzt Putin jetzt darauf, das umstrittene Referendum in Donezk zu verschieben.

(Foto: dpa)

Mehr als 20 Jahre lang interessierte sich niemand ernsthaft für die OSZE. Angesichts der Ukraine-Krise setzen Diplomaten jetzt ihre letzte Hoffnung in die Organisation. Dabei könnte sie sich am Ende auch als wirkungslos erweisen.

Und plötzlich ist die OSZE die neue diplomatische Superwaffe. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier hält die Organisation für das entscheidende Mittel, um einen "Krieg im Osten Europas" zu verhindern. Er schrieb vor wenigen Tagen in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung": "Wir haben in der Ukraine keine breite Palette an Instrumenten für eine friedliche Konfliktlösung mehr zur Hand. Aber wir haben eine bewährte und anerkannte Organisation vor Ort." Deutschlands Energieminister Sigmar Gabriel wünschte sich sogar eine zweite vergleichbare Organisation, die sicherstellen soll, dass Rohstoffe, insbesondere Gas, nicht zu einer Waffe mutieren.

Aber ist die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in der Ukraine wirklich die ersehnte diplomatische Superwaffe? Oder rührt die Euphorie Steinmeiers und Gabriels eher daher, dass sie die letzte Hoffnung des Westens ist?

Geboren im Kalten Krieg

Auf dem Papier erscheint die Organisation tatsächlich schlagkräftig: Die OSZE ging 1995 offiziell aus der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) hervor, die maßgeblich dazu beitrug, dass aus dem Kalten kein heißer Krieg wurde. Ihre Hauptaufgabe ist seither die Konfliktverhütung durch Diplomatie, aber auch Krisenbewältigung und Wahlbeobachtung. Das Besondere an der OSZE ist: Alle europäischen Staaten samt der Ukraine und den übrigen Nachfolgestaaten der Sowjetunion sind Mitglied. Hinzu kommen die USA und Kanada, also genau die Akteure, die jetzt im Mittelpunkt des Konfliktes stehen.

All diese Akteure halten dank der Organisation regelmäßig Kontakt. Der Ständige Rat der OSZE trifft sich mindestens einmal pro Woche, gleiches gilt für das Forum für Sicherheitskooperation. Eine weitere Besonderheit der OSZE ist das Konsensprinzip. Die 57 Mitgliedstaaten müssen Entscheidungen einstimmig fällen. In der Theorie fühlen sie sich deshalb Beschlüssen verbunden.

Hört man sich unter Experten um, ertönt viel Lob für OSZE - zumindest für die OSZE, wie sie auf dem Papier steht. "Ich glaube, dass die OSZE wichtig ist, weil sich im Rahmen der OSZE auch Russland zur Zusammenarbeit erklären und verhalten muss", sagt die Grünen-Europaabgeordnete und Ukraine-Expertin Rebecca Harms n-tv.de. Ähnlich äußert sich Hans-Joachim Spanger von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung: "Es hilft, dass es Routinen gibt, auf die man im Zweifel zurückgreifen kann", sagt er. Zudem nennt er die OSZE eine wichtige Informationsquelle.

Der Vergleich zur Uno liegt nahe

Von einer diplomatischen Superwaffe will allerdings niemand reden. "Als Organisation hat die OSZE keinen Einfluss, sie kann nur eine Plattform bilden", sagt Spanger. Und Harms: "Die Ukraine-Krise ist für die OSZE eine Schicksalsfrage. Wir haben sie genau für eine solche Situation gegründet. Jetzt muss sie sich beweisen."

Seit dem Ende des Kalten Krieges spielte die OSZE abgesehen von der Wahlbeobachtung keine hervorstechende Rolle. Bilaterale Absprachen dominierten die internationale Diplomatie. Beschlüsse der OSZE sind zwar politisch, aber nicht rechtlich bindend. Zudem gilt, wie schon für den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen: Die Organisation ist nur so stark, wie es die Mitglieder zulassen. Auch wegen Russlands Rolle im Sicherheitsrat tobt in Syrien noch ein Bürgerkrieg, und auch wegen Russland kann der Iran ungehindert Atomwaffen entwickeln. Fraglich ist, wie viel Wert Moskau jetzt in der Ukraine-Krise auf die Wünsche der anderen OSZE-Mitglieder legt.

Bisher gab es durchaus positive Signale: Russland stimmte einer Beobachtermission in der Ukraine zu. Zudem erklärte sich der Kreml bereit, 1000 OSZE-Männer dafür Sorge tragen zu lassen, die Präsidentenwahl am 25. Mai zu überwachen. An diesem Mittwoch sprach der russische Präsident Wladimir Putin zudem mit dem Vorsitzenden der OSZE, Didier Burkhalter. Ihre Unterhaltung brachte nicht den erhofften Durchbruch, aber immerhin einige Fortschritte. Auf eine Waffenruhe bis zur Wahl und eine als entscheidend gepriesene zweite Genfer Konferenz, die einen Zeitplan für deeskalierende Schritte und die Entwaffnung der Separatisten in der Ukraine festlegen sollte, ließ sich Putin nicht ein. Aber immerhin forderte er nun, das umstrittene Referendum der Separatisten in Donezk zu verschieben. Auch zu einem "Runden Tisch" mit allen Konfliktparteien erklärte er sich bereit.

Friedensforscher Spanger sagt: "Das zeigt, dass Russland im Prinzip keine systematischen Vorbehalte gegen die OSZE hat." Der Ukraine-Konflikt zeigt allerdings auch, dass sich Moskau nicht an alle Absprachen im Rahmen der OSZE hält: 2011 stimmte Russland dem Wiener Dokument zu. Es regelt, dass OSZE-Mitglieder Militärbeobachter aus anderen Mitgliedsstaaten zu sich einladen können, um Informationen zu sammeln und so für Transparenz zu sorgen. Das tat auch die Ukraine. Der Kreml verweigerte diesen Militärbeobachtern zeitweise aber den Zugang zur Krim. Auch für die Freilassung der Militärbeobachter, die prorussische Kräfte mehrere Tage in Slawjansk festhielten, setzte Moskau sich erst sehr spät ein.

Die OSZE erscheint dieser Tage wie eines der letzten hoffnungsvollen friedfertigen Mittel im Ukraine-Konflikt. Verlassen auf die Wirkung dieses Mittels allerdings kann man sich nicht.

Quelle: ntv.de

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