Referendum in Donezk Wer fälscht, gewinnt
06.05.2014, 17:37 Uhr
Die prorussischen Separatisten in Donezk fordern die Unabhängigkeit der Region von der Ukraine.
(Foto: REUTERS)
Die prorussischen Separatisten in Donezk haben es eilig. Am Sonntag soll ein Referendum die Abspaltung von der Ukraine besiegeln. Als Vorbild dient die Abstimmung auf der Krim - dennoch ist fast alles anders.
Ein paar Zeilen, etwas grüne Verzierung an den Rändern, dazwischen der Grundriss der Region Donezk und fertig ist der Stimmzettel: "Unterstützen Sie die staatliche Unabhängigkeit der Donezker Volksrepublik?" - so lautet die eindeutige Frage auf den Wahlscheinen, mit denen die 3,2 Millionen Stimmberechtigten an diesem Sonntag per Referendum über den Status der Region entscheiden sollen.
Die prorussischen Separatisten, die die Abstimmung initiieren, haben zuletzt die Kontrolle über weite Teile der Ostukraine übernommen. Sie besetzen Verwaltungsgebäude in Donezk, Slawjansk, Kramatorsk und Horliwka. "Wir werden jede Entscheidung des Volkes akzeptieren", versprechen die Milizen zwar. Doch der Ausgang des Referendums steht offenbar längst fest. Ein Nein ist nicht eingeplant. Milizenführer Denis Puschilin zufolge werde es nach dem Votum "freie Wahlen geben, um darüber zu entscheiden, wer diese Volksrepublik regieren soll".
Welchen Status die neue Republik dann künftig hat, ob sie sich mit Russland verbündet oder der Föderation beitritt, ist noch nicht klar. Nur so viel: Die Oblast Donezk soll nicht länger Teil der Ukraine bleiben, das Referendum die Abspaltung besiegeln und die "Volksrepublik" zu einem "Subjekt internationalen Rechts" machen.
"Keiner konnte mir Antworten geben"
Die Vorbereitungen für den Wahltag laufen bereits. Glaubt man der russischen Nachrichtenagentur "Ria Novosti", dann gibt es bereits 55 territoriale Wahlkommissionen und 2270 Wahllokale. Auch die mehr als zwei Millionen Wahlzettel wurden schon gedruckt. Das Referendum wird angeblich von privaten Spendern finanziert. "Wir haben Konten, auf die Menschen das Geld überweisen. Das sind Einwohner der Donbass-Region und der ganzen Welt", so zitiert "Ria Novosti" ein Mitglied der Volksbewegung.

Im April riefen Puschilin und seine Mitstreiter bereits die "Volksrepublik Donezk" aus.
(Foto: REUTERS)
n-tv-Korrespondent Dirk Emmerich bezweifelt, dass ein ordnungsgemäßer Ablauf der Wahl gewährleistet ist. Er berichtet von chaotischen Zuständen in der Militäradministration der Milizen in Donezk. Dort sei nichts davon zu spüren, dass am Sonntag ein Referendum stattfindet. Gibt es Wählerlisten? Wie ist die Auszählung organisiert? Wann erfolgt die Meldung des Endergebnisses? "Keiner konnte mir darauf Antworten geben", sagt Emmerich. "Mein Eindruck ist: Die linke Hand weiß nicht, was die rechte tut."
Ein Problem haben die prorussischen Rebellen: Sie haben keinen Zugang zum offiziellen Wahlregister. Dieses wurde von der ukrainischen Übergangsregierung gesperrt. Kiew erklärte das Referendum für illegal, kann den Abspaltungstendenzen aber wenig entgegensetzen. Premier Arseni Jazenjuk unterbreitete zuletzt das Angebot, zeitgleich zur Präsidentenwahl am 25. Mai eine Volksabstimmung über die Einheit der Ukraine durchzuführen. Doch die Separatisten lehnen dies ab.
Viele Beobachter vergleichen die Situation daher mit der auf der Krim. Erst im März war die Abspaltung der Schwarzmeerinsel infolge eines ebenfalls umstrittenen Votums vollzogen worden. Wie auf der Krim ist das Referendum in Donezk rechtlich problematisch. Denn regionale Abstimmungen sieht die ukrainische Verfassung nicht vor. Nur in einem gesamtukrainischen Referendum kann über die Unabhängigkeit einzelner Regionen abgestimmt werden. Erinnerungen an die Krim wecken auch Forderungen der Separatisten, Russlands Präsident Wladimir Putin, solle "Friedenssoldaten" in die Ostukraine entsenden.
Krim-Referendum offenbar gefälscht
Tatsächlich überwiegen jedoch die Unterschiede zur Krim. Anders als in der Ukraine hatten die prorussischen Kräfte dort viel mehr administrative Möglichkeiten, weil sich sämtliche Verwaltungsstrukturen unter ihrer Kontrolle befanden. Die Separatisten in Donezk stehen Russland zwar nahe, aber bisher gibt es in der Ostukraine keine regulären russischen Streitkräfte, die wie auf der Krim den Ablauf der Wahlen überwachen könnten. Russlands Außenminister Sergej Lawrow beteuerte zudem mehrfach, dass die Krim ein Sonderfall und eine Invasion in der Ukraine nicht geplant sei.
Ohnehin sind die Voraussetzungen diesmal anders: Auf der Halbinsel gab es, auch aufgrund der mehrheitlich russischstämmigen Bevölkerung, große Sympathien für einen Beitritt zu Russland. In Donezk und Lugansk befürworten laut einer Umfrage des Kiewer Internationalen Instituts für Soziologie jedoch nur 27,5 Prozent der Menschen eine Abspaltung. n-tv Reporter Emmerich vermutet trotzdem, dass die Separatisten noch am Sonntagabend das Wahlergebnis und die Unabhängigkeit der Republik verkünden. "Offiziell wird es bestimmt eine Mehrheit geben, mit der dann Politik gemacht wird."
In Donezk könnte also etwas Ähnliches passieren wie auf der Krim. Wie wenig genau man es dort mit der Auszählung nahm, zeigt ein Bericht des russischen Menschenrechtsrats über den Ablauf der Wahl. Demnach scheint die Wahlbeteiligung nur zwischen 30 und 50 Prozent gelegen zu haben (offiziell: 83), nur 50 bis 60 Prozent (96) der Teilnehmer stimmten demnach für den Beitritt zu Russland. Mit der nötigen Fantasie ist am Sonntag in Donezk also nichts unmöglich.
Quelle: ntv.de