Politik

Putin-Partei drohen Verluste Der Zar menschelt und beißt

Wladimir Putin zieht im Wahlkampf alle Register.

Wladimir Putin zieht im Wahlkampf alle Register.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Russen wählen am Sonntag eine neue Staatsduma. Als Sieger wird "Gerechtes Russland" daraus hervorgehen. Dennoch sind Präsident Medwedew und Regierungschef Putin alles andere als entspannt, denn die Demoskopen sagen ihrem Wahlverein Verluste voraus. Vor allem der dominante Putin kann sich damit nicht abfinden.

Russlands Führungsduo ist nervös: "Fremde Mächte" seien am Werk, um den Wahlkampf im Sinne der Opposition zu "manipulieren", wettert Ministerpräsident Wladimir Putin auf dem pompösen Parteitag seiner Partei "Geeintes Russland" im Moskauer Luschniki-Sportpalast. Ihm zur Seite steht natürlich Dmitri Medwedew, der Noch-Präsident der Russischen Föderation und damit Pro-Forma-Chef des Alphapolitikers aus Sankt Petersburg. Obwohl die Delegierten Putin frenetisch zujubeln und ihn mit einem - das haben zu Sowjetzeiten nicht einmal die KPdSU-Generalsekretäre geschafft -, mag beim 59-Jährigen keine rechte Freude aufkommen.

Blick in die russische Staatsduma.

Blick in die russische Staatsduma.

(Foto: picture alliance / dpa)

Schuld an der schlechten Laune von Zar Wladimir sind die Demoskopen, die sich anscheinend nicht hundertprozentig kontrollieren lassen. Nicht dass "Geeintes Russland" die Wahl verlieren könnte. Nein, der Partei drohen Stimmenverluste: "Nur" noch etwas mehr als 50 Prozent werden für sie vorhergesagt - deutlich weniger als die 64,3 Prozent von vor vier Jahren. Allerdings wäre die für Verfassungsänderungen notwendige Zweidrittel-Mehrheit futsch.

Der Lack ist ab beim "Geeinten Russland". Die Russen, die Putin nach den wilden Jelzin-Jahren dafür belohnten, dass er das flächengrößte Land der Erde in ruhigeres Fahrwasser geführt hat, gehen zunehmend auf Distanz. Sie nehmen Putin und Medwedew beim Wort und fordern eine Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse ein. Diese war trotz aller Versprechungen in den vergangenen vier Jahren ausgeblieben. Die Wirtschafts- und Finanzkrise von vor drei Jahren hatte auch die russische Mittelklasse schwer getroffen. Sie fürchtet nun weitere Abstriche.

Aber nicht nur ökonomische Gründe gibt es für den Akzeptanzverlust der Staatspartei, die sich selbst als zentristisch und konservativ bezeichnet. Der geplante Ämtertausch von Putin und Medwedew wird vor allen Dingen in den Städten mit wachsendem Unbehagen zur Kenntnis genommen. Die Redewendung "Partei der Gauner und Diebe" macht in Moskau, Nischni Nowgorod und anderswo die Runde. Das ist natürlich auch Wasser auf die Mühlen der Opposition. Sie versucht, den wachsenden Gegenwind für das Duo Putin/Medwedew für sich zu nutzen.

Putin und Medwedew setzen ihr Rollenspiel fort.

Putin und Medwedew setzen ihr Rollenspiel fort.

(Foto: dpa)

Allerdings haben es die Oppositionsparteien schwer, sich Gehör zu verschaffen. Wie es in einer "gelenkten Demokratie" nun einmal ist, machen die staatlichen Rundfunkanstalten einen Bogen um sie und senden rund um die Uhr Berichte und Trailer über die Staatspartei - Putin hier, Medwedew dort. Der Regierungschef menschelt auch: So schwärmt Putin anlässlich des Muttertages von Mamas Essen und über das Leben in einer armen Familie. Der Russe weiß nun auch, dass sein langjähriger Ex- und nunmehr Bald-Staatschef Pasteten aus Kohl, Fleisch, Reis und Quark mag und dass seine Mutter es überhaupt nicht mochte, wenn er zum Judo ging, "um sich dort zu prügeln". Was können die anderen Parteien da schon dagegenhalten, wenn der starke Mann Russlands Familiäres zum Besten gibt. Aber nicht jeder fällt auf diese Masche herein, wie die beweisen.

Putin dirigiert Medwedew

Dagegen mimt der "liberale" Medwedew - er ist als zukünftiger Ministerpräsident der Spitzenkandidat von "Geeintes Russland" bei der Dumawahl - den knallharten Machtpolitiker. Bezüglich des Streits mit den USA um das geplante Raketenabwehrsystem in Europa drohte er mit einer . Aber wer steckt dahinter? Natürlich, der sich warmherzig gebende Wladimir Putin. Denn als Präsident besitzt er ab März 2012 die Richtlinienkompetenz in der Außen- und Verteidigungspolitik, während sich Medwedew als Regierungschef mit maroden Unternehmen, unzufriedenen Arbeitern, Waldbränden und der ansteigenden Kriminalitätsrate herumschlagen muss. Der zweite Teil der Schmierenkomödie läuft bereits.

Platz zwei ist erneut möglich: Kommunistenchef Gennadi Sjuganow.

Platz zwei ist erneut möglich: Kommunistenchef Gennadi Sjuganow.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Beide Staatsschauspieler sorgen dafür, dass die anderen sechs registrierten Parteien nur ein mediales Nischendasein fristen. Wie 2007 werden nach Lage der Dinge wieder vier Parteien in der nächsten Duma vertreten sein. Dafür sorgt die letztmalig geltende Sieben-Prozent-Hürde, die dann auf fünf Prozent herabgesetzt wird. Zweitstärkste Partei werden wahrscheinlich die Kommunisten mit ihrem "ewigen" Vorsitzenden Gennadi Sjuganow. Umfragen zufolge werden sie ihr Ergebnis von vor vier Jahren, als sie 11,6 Prozent erreichten, deutlich übertreffen - zu Lasten der Putin-Partei. Deshalb ist es wenig verwunderlich, dass Putin die Kommunisten auf dem Kongress von "Geeintes Russland" sehr scharf attackierte und - unter völliger Verkennung seiner kommunistischen Vergangenheit als KGB-Mann - für jegliche Form von Stagnation und Rückschritt verantwortlich machte.

Sprücheklopfer Wladimir Schirinowski in Aktion.

Sprücheklopfer Wladimir Schirinowski in Aktion.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Erneut vertreten sein werden auch die sogenannten Liberaldemokraten (LDPR) des notorischen Unruhestifters Wladimir Schirinowski. Er hat alles in seinem Angebot: links- oder rechtspopulistische Sprüche, garniert mit einem gehörigen Maß an Nationalismus und Antisemitismus. Die LDPR wird wohl auch bei der Putin-Partei "wildern" und ihr letztes Ergebnis von 8,1 Prozent übertreffen. Bleibt noch das "Gerechte Russland" mit damals 7,7 Prozent. Die sich als sozialdemokratisch gebende Partei vertritt überwiegend die Belange der Rentner und versucht seit Jahren, es sich nicht mit Putin und den Seinen zu verscherzen. Nur geringe Chancen auf einen Wiedereinzug in die Duma wird der liberalen Jabloko-Partei eingeräumt, deren langjähriger Chef Grigori Jawlinski für Sergej Mitrochin Platz machte. Jawlinski gibt sich zwar optimistisch - dennoch ist in Russland die Wählerschaft für eine echte liberale Partei derzeit überschaubar.

Schief ging der Versuch Putins und Medwedews, eine ihnen genehme Oppositionspartei zu fördern. Der Unternehmer Michail Prochorow sollte mit der Partei "Rechte Sache" den Sprung ins Parlament schaffen. Prochorow, der im Sommer sogar von Medwedew im Kreml empfangen wurde, machte sich mit Kritik bei seinen Gönnern unbeliebt. Er verschwand daraufhin wieder in der politischen Versenkung.

Die politischen Kontrahenten haben sich in Stellung gebracht. Der Wähler entscheidet nun, wie stark er das medial allgegenwärtige "Gerechte Russland" abstraft. Aber was für eine Bedeutung hat die Duma schon beim Präsidialsystem russischen Typs? Die wichtigere Wahl ist am 12. März des kommenden Jahres. Dann geht es für den Familienmenschen, Judoka und "lupenreinen Demokraten" Putin um das Präsidentenamt - diesmal für sechs Jahre. Teil drei der Schmierenkomödie ist bereits in Arbeit.

Quelle: ntv.de

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