Politik

Schäubles unangenehmer Griechenland-Trip Der deutsche Sündenbock

Bei deutschen Urlaubern ist Griechenland noch immer beliebt - ob Wolfgang Schäuble sich die Reise wohl gern ersparen würde?

Bei deutschen Urlaubern ist Griechenland noch immer beliebt - ob Wolfgang Schäuble sich die Reise wohl gern ersparen würde?

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Bilder sind unvergessen: Mit Hakenkreuz-Fahnen und Hitler-Bärtchen begrüßten die griechischen Demonstranten im vergangenen Jahr Kanzlerin Merkel. Nun reist Bundesfinanzminister Schäuble nach Athen. Das Timing des Besuchs könnte kaum schlechter sein.

Die Eurokrise beeindruckt die deutschen Touristen offenbar nicht. Etwa 2,5 Millionen und damit über zehn Prozent mehr als im Vorjahr reisen in diesem Jahr nach Griechenland. All dem Eurofrust zum Trotz: Die Einnahmen aus dem Tourismus sind für das wirtschaftliche geschwächte Mittelmeerland unverzichtbar. Die Griechen heißen die Deutschen daher herzlich willkommen. Bis auf einen Mann, der an diesem Donnerstag nicht privat, sondern beruflich nach Griechenland reist: Wolfgang Schäuble.

Dem Bundesfinanzminister droht bei seinem ersten Athen-Besuch in dieser Amtszeit nicht gerade ein freundlicher Empfang. Seit Ausbruch der Schuldenkrise 2009 werfen viele Griechen vor allem der Bundesregierung ein bedingungsloses Spardiktat vor. Angela Merkel durfte die Schmähungen schon erleben. Während ihrer letzten Stippvisite in Athen protestierten die Menschen mit Plakaten, die sie mit Hakenkreuz-Fahne und Wehrmachts-Uniform zeigen. Diesmal ist Schäuble an der Reihe, der Mann für die Finanzen. Er, der das Land aus Sicht vieler Griechen kaputtspart.

Einen Vorgeschmack lieferte die konservative Zeitung "Real" bereits am vergangenen Wochenende. "Herr Schäuble, bringen Sie das Gestohlene zurück" titelte das Blatt auf deutsch in Anspielung auf die ausstehende Rückzahlung deutscher Kriegsschulden. "Herr Schäuble, wir würden Sie gern in Griechenland willkommen heißen, falls Sie als Gast kommen", schrieb Manolis Glezos in dem Zeitungsartikel. "Aber Sie kommen als Herrscher." Glezos gilt in Griechenland als Kriegsheld. Während des Zweiten Weltkriegs lehnte er sich gegen die deutsche Besatzung auf. 70 Jahre später dient der inzwischen 90-Jährige nun wieder als antideutsches Symbol.

Die Ausnahmewoche

Die Gewerkschaften rufen seit Tagen zu einer Großdemonstration gegen Schäubles Besuch auf. Gutes Timing beweist der 70-Jährige mit seinem Besuch sowieso nicht. Die Stimmung in Griechenland ist in diesen Tagen höchst angespannt. Erst am Mittwochabend entschied das Parlament in Athen über das umstrittene Gesetz, das unter anderem die Entlassung von 15.000 der 700.000 Staatsbeamten bis Ende 2014 vorsieht, davon 4000 noch in diesem Jahr. Die Regierung von Ministerpräsident Antonis Samaras hatte keine andere Wahl. Wäre das Gesetz gescheitert, hätte das schuldengeplagte Land die in Aussicht gestellte 2,5-Milliarden-Hilfe nicht bekommen.

Doch die Entscheidung für die Sparreformen ist in Griechenland höchst umstritten. Zum ersten Mal seit 100 Jahren sollen Staatsbedienstete entlassen werden. Vor allem Lehrer, Hausmeister und Reinigungskräfte in Schulen sowie Angestellte der Kommunen bangen um ihre Jobs. Schäuble reist nun ausgerechnet in der Woche nach Athen, in der das Schicksal vieler Griechen besiegelt wird. Unvergessen ist, wie der deutsche Finanzminister empfahl, die Griechen 2012 lieber nicht wählen zu lassen. Er gilt als Feindbild für die aufoktroyierte Sparpolitik von außen, für die ständigen Einschnitte und Steuererhöhungen, frei nach der Devise: ohne Reformen gibt es keine Hilfsgelder. Nur unter Bedingungen gaben die Euro-Finanzminister die letzte Hilfstranche von 6,8 Milliarden Euro frei. Zum Unmut vieler Demonstranten: Beim Generalstreik am Dienstag forderten sie, die Kontrolleure der internationalen Geldgeber aus dem Land zu werfen.

Strohfeuer oder Rettungsanker?

Hilfsgelder für Griechenland

Von den Euro-Ländern und dem IWF wurde Griechenland in den vergangenen Jahren zweimal vor der Pleite bewahrt. Insgesamt 240 Millionen Euro kosteten die bisherigen Finanzhilfen.

Warum Schäuble nach Griechenland reist? In Regierungskreisen heißt es, er fahre nicht nach Athen, "um den Griechen zu sagen, wie sie ihre Hausaufgaben machen sollen". Vielmehr wolle er den ihnen Respekt für ihre Reformen zollen und sie ermutigen, auf diesem schmerzhaften Weg fortzufahren. Schäuble soll eine Rede vor der griechisch-deutschen Handelskammer halten. Außerdem sind Treffen mit Regierungschef Samaras und dem griechischen Finanzminister Ioannis Stournaras geplant.

Dabei kommt Schäuble nicht mit leeren Händen. Die Bundesregierung will sich in dem Krisenland mit rund 100 Millionen Euro an einer Wachstums-Förderbank beteiligen. Weil die griechischen Banken dazu nicht in der Lage sind, könnte der neu gegründete Fond dann zinsgünstige Kredite für kleine und mittelständische Unternehmen vergeben. Zuvor müsse das Krisenland jedoch "weitere Maßnahmen" umsetzen. Ein Strohfeuer oder ein letzter Rettungsanker für das Land, dessen Staatsverschuldung immerhin 175 Prozent des Bruttoinlandsprodukts beträgt? Was auch immer die neue Finanzspritze bringen mag: Dass sie erneut an Bedingungen geknüpft ist, dürfte man in Griechenland nicht gerne hören.

Die gefährliche Debatte um den Schuldenschnitt

Doch der Deutsche ist in Athen trotzdem ein gefragter Mann. Denn Griechenland droht offenbar eine neue Finanzierungslücke von bis zu zehn Milliarden Euro. Das berichtet die "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf einen hohen Beamten der EU-Kommission. Für die Griechen könnte das fatale Folgen haben: Der Internationale Währungsfonds, einer der maßgeblichen Geldgeber, darf sein Geld nach seinen Regeln nur an Länder vergeben, die für die kommenden zwölf Monate ausreichend finanziert sind. Die Euro-Länder zwingt die neue griechische Geldnot zu raschem Handeln unmittelbar nach der Sommerpause.

Für Merkels Regierung ist die Debatte vor der Bundestagswahl jedoch höchst gefährlich. Denn so kurz vor dem 22. September steht plötzlich wieder eine umstrittene Frage im Raum: die nach einem weiteren Schuldenschnitt für Griechenland im Jahr 2014 oder 2015. Einige Wirtschaftswissenschaftler befürworten das ausdrücklich. Jörg Rocholl, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Bundesfinanzministeriums, sagte der "FAZ", er halte einen Schuldenschnitt für "unabwendbar". Andere Experten warnen vor einer solchen Diskussion. Dies störe nur den griechischen Konsolidierungsprozess. Schäubles griechischer Kollege Stournaras befürwortet einen Schuldenerlass hingegen ausdrücklich.

Schäuble und Merkel haben also ein Problem: Die Rettung Griechenlands so kurz vor der Wahl platzen zu lassen, läge wohl kaum in ihrem Interesse. Wahrscheinlicher ist, dass Schäuble in Athen mit Hilfe des 100 Millionen starken Gastgeschenks auf Zeit spielen will. Einen Schuldenschnitt hatten er und die Kanzlerin zuletzt ausgeschlossen. Dieser würde vor allem die deutschen Steuerzahler treffen. Den bedächtigen Merkelschen Wahlkampfstil würde eine solche Hiobsbotschaft in den kommenden Wochen nur unnötig gefährden.

Quelle: ntv.de, mit AFP

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