Politik

Kretschmann im Porträt Der konservative Grüne

Bald Regierungschef? Kretschmann im Stuttgarter Landtag.

Bald Regierungschef? Kretschmann im Stuttgarter Landtag.

(Foto: dapd)

Winfried Kretschman hat gute Chancen, in Baden-Württemberg als erster Grüner Ministerpräsident eines Bundeslandes zu werden. Der 62-Jährige ist zwar ein Urgestein der Grünen, gilt aber zugleich als konservativer Vertreter seiner Partei, der auch gut mit CDU-Politikern kann.

Er hat das Amt nie gezielt angestrebt. Nun aber dürfte Winfried Kretschmann der erste grüne Ministerpräsident in Deutschland werden. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis liegen Grüne und SPD bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg knapp vor Schwarz-Gelb. Und die Ökopartei ist stärker als die Sozialdemokraten, mit denen sie eine Regierung bilden will.

Kretschmann sieht einen großen Vertrauensvorschuss durch viele Menschen, die erstmals grün gewählt haben und er verspricht noch am Wahlabend: "Wir werden den versprochenen Weg in die Bürgergesellschaft gehen." Große Pläne wollte der 62-Jährige aber noch nicht verkünden: "Heute freuen wir uns erst mal richtig."

CDU schürte Ängste

Der historische Sieg der Grünen ist eine Sensation, aber keine totale Überraschung: Schon im Vorfeld hatte die Stärke der Grünen in den Umfragen die bislang regierenden Christdemokraten in Angstzustände versetzt. Eine Folge war, dass sogar haltlose Gerüchte über den Gesundheitszustand Kretschmanns gestreut wurden. Ein CDU-Staatssekretär behauptete, dass der Grüne den Belastungen des Amtes gesundheitlich nicht gewachsen sein könnte und als Ministerpräsident bald vom Chef der Bundes-Grünen, Cem Özdemir, abgelöst würde. Kretschmann nahm die Steilvorlage dankbar an: "Man muss schon mächtig Angst haben, wenn man Verschwörungstheorien verbreiten muss."

(Foto: dpa)

Im Wahlkampf hatte der 62-Jährige mit seiner bescheidenen Art gerne den früheren Ministerpräsidenten Erwin Teufel zitiert: "Das Amt muss zum Manne kommen und nicht der Mann zum Amt." Jenseits politischer Gegensätze fühlen sich die beiden Politiker auch sonst verbunden. Wie Teufel beschäftigt sich auch Kretschmann gerne mit Philosophie und Geschichte. Die beiden Katholiken waren sogar schon gemeinsam auf einer Kreuzfahrt zu historischen Stätten unterwegs.

Grün und konservativ

Mit seiner wertkonservativen Grundhaltung entspricht der Lehrer für Ethik, Biologie und Chemie so gar nicht dem typischen Bild eines Grünen. Meist tritt er im dunklen Anzug auf, trägt eine randlose Brille und einen markanten grauen Bürstenhaarschnitt. Gerade mit seinem bedächtigen, ernsthaften Wesen hat der langjährige Oppositionspolitiker auch in konservativen ländlichen Regionen Vertrauen gewonnen.

Seit 36 Jahren ist Kretschmann mit einer Grundschullehrerin verheiratet. Die beiden haben drei erwachsene Kinder - zwei Söhne und eine Tochter. Er geht in der Freizeit gerne mit seiner Frau auf der Schwäbischen Alb wandern, wo er "jeden Felsen kennt". Noch heute empfindet Kretschmann nach eigenen Worten eine tiefe Liebe zur Natur, die ihn vor mehr als 30 Jahren zu den Grünen gebracht hat. Im kleinen Ort Laiz bei Sigmaringen wohnt er in einem ehemaligen Bauernhaus, gehört dem Kirchenchor und dem Schützenverein an.

Wenn Kretschmann im Landtag ans Redepult tritt, wird es auch auf der Regierungsseite still. Denn was er zu sagen hat, ist durchdacht, fundiert und von argumentativer Klarheit. Der scharfzüngige Redner mit der durchdringenden Stimme ergreift gerne bei Grundsatzfragen das Wort: bei Risiken der Bio- oder Gentechnik, beim islamischen Religionsunterricht oder bei der Frage, ob muslimische Lehrerinnen mit Kopftuch unterrichten dürfen.

Umweg über K-Gruppen

Kretschmann gehörte schon der ersten grünen Parlamentsgruppe an, die 1980 in Stuttgart ins Parlament eines Flächenlandes einzog. Seither drücken die Grünen die harten Oppositionsbänke. Zeitweise sah es so aus, als würde sich das nie ändern. Dabei hätte er sich nach der Landtagswahl 2006 sogar auf eine schwarz-grüne Koalition eingelassen. Doch noch während der laufenden Gespräche mit den Grünen machte der damalige CDU-Fraktionschef Stefan Mappus dem damaligen Ministerpräsidenten Günther Oettinger einen Strich durch die Rechnung.

Dass Kretschmann nicht Christdemokrat wurde, liegt an der "68er Sozialisation" des damals 20-Jährigen in linksradikalen K-Gruppen. In seiner studentischen Sturm- und Drangzeit hatte sich Kretschmann in maoistische Gruppen verirrt, sie aber wegen ihrer autoritären Grundhaltung bald wieder verlassen. "Vom Linksextremismus bin ich geheilt", sagte er kürzlich mit Blick auf die Linkspartei.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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