Politik

Parlamentswahl in der Ukraine Der letzte Rest für die Faschisten

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Die Menschen in Kiew hoffen jetzt auf eine schnelle Befriedung im Osten des Landes.

(Foto: imago/ITAR-TASS)

Die Maidan-Aktivisten stellen sich zur Wahl für das ukrainische Parlament. Nach ihren Demonstrationen ist das Land im Bürgerkrieg versunken – und das ist noch nicht einmal ihr größtes Problem. Zumindest einen Vorwurf müssen sie sich bald nicht mehr gefallenlassen.

Aus der Sicht der Europa-begeisterten Demonstranten, die vor einem Jahr ihren Präsidenten aus dem Amt trieben, hat der Krieg im eigenen Land auch etwas Gutes: Weil weder auf der Krim, noch in Donezk und Lugansk Wahlen möglich sind, ist es sicher, dass sich die Mehrheiten in Kiew deutlich zu ihren Gunsten verschieben. Die "Partei der Regionen", die 2012 mit 30 Prozent der Stimmen stärkste Kraft wurde und aus der der abgesetzte Präsident Viktor Janukowitsch stammt, tritt gar nicht erst zur Wahl an. Möglicherweise kommt keine einzige Russland-nahe Partei ins Parlament, stattdessen wird es viele neue Abgeordnete geben, von denen sich einige auf dem Maidan erstmals einen Namen gemacht haben.

Auf jeden Fall wird auch die nächste Regierung die Mitgliedschaft in EU und Nato anstreben. Allerdings erscheint es bislang unrealistisch, dass das in den nächsten Jahren gelingt, und der Konflikt im Osten des Landes ist bei weitem nicht der einzige Grund dafür.

Eine der wichtigsten Aufgaben der neuen Regierung wird es sein, die Wirtschaft zum Laufen zu bringen. Das Land befindet sich in einer Rezession, das Bruttoinlandsprodukt könnte dieses Jahr laut IWF um 7,25 Prozent schrumpfen. Nur mit Milliarden aus der EU ist das Land derzeit überlebensfähig. Damit die Menschen den Umsturz als Erfolg sehen, brauchen sie bald neue Arbeitsplätze und einen besseren Lebensstandard. Die Zollunion mit der EU könnte dabei helfen, doch nichts ist Investoren wichtiger als Stabilität – und von der ist die Ukraine weit entfernt.

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Proteste auf dem Maidan-Platz im Januar

(Foto: REUTERS)

Um einen echten Waffenstillstand mit den Separatisten zu schließen, wird es nötig sein, noch weiter auf Russland zuzugehen. Bislang überbieten sich die Politiker mit Plänen, die besetzten Gebiete zurückzuerobern. Poroschenkos Ankündigung, den Regionen einen Sonderstatus zu verleihen, hat ihm heftige Kritik eingebracht. Doch letztlich reibt sich die Ukraine in diesem Bürgerkrieg auf, verschwendet Geld und Menschenleben. Die umkämpfte Donbass-Region braucht einen stabilen Zustand wie die Krim – so schwer es für die neue Regierung sein wird, das zu akzeptieren. Viel könnte von den lokalen Wahlen abhängen und ob diese überhaupt stattfinden können: Kiew möchte sie am 7. Dezember organisieren, die Separatisten wollen ihre Unabhängigkeit aber schon am 2. November mit selbst organisierten Wahlen festigen.

Ein zentrales Argument für ihren Kampf könnten die Separatisten dann schon verloren haben: Sie stellen die Maidan-Proteste noch immer als faschistische Bewegung dar und verbreiten Angst vor einem vermeintlichen Nazi-Regime. Bei der Volksabstimmung auf der Krim zum Anschluss an Russland gab es nur ein einziges Wahlplakat, und auf diesem war die Halbinsel einmal in russischen Farben und einmal mit einem Hakenkreuz dargestellt. Der wahre Kern der Angstmacherei: In der ukrainischen Regierung befinden sich drei Mitglieder der rechtspopulistischen und nationalistischen Partei Swoboda. Und diese Partei liegt in den aktuellen Umfragen meist unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde. Gleiches gilt für den noch wesentlich radikaleren "Rechten Sektor", der zur Eskalation der Maidan-Proteste beitrug. Die Oberste Rada, das ukrainische Parlament könnte nach der Wahl an diesem Sonntag Faschisten-frei werden.

An seinem Ziel ist der Umsturz damit aber noch nicht. Um eine Demokratie nach westlichem Vorbild zu werden, müssten die Ukrainer die Oligarchen entmachten – jene Milliardäre, die mit ihrem Geld das Land mitregieren. Solange sie die Wirtschaft des Landes unter sich aufgeteilt haben, wird es für kleine Unternehmen schwer, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Die Vermischung von wirtschaftlicher und politischer Macht führt zu Korruption und Intransparenz, was einen Staat lähmen kann. Doch auch bei dieser Wahl haben die meisten Parteien einen Oligarchen im Hintergrund, der den Wahlkampf finanziert. Auch Präsident Petro Poroschenko, der mit dem Schokoladen-Konzern Roshen reich wurde, gilt als Oligarch. Die Entmachtung des Großkapitals ist erst einmal aufgeschoben.

Quelle: ntv.de

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