Politik

Klagt Rheinmetall jetzt? Deshalb platzt der Rüstungsdeal

Russische Soldaten im Juli bei einer militärischen Übuung in der Oblast Rjasan.

Russische Soldaten im Juli bei einer militärischen Übuung in der Oblast Rjasan.

(Foto: imago/ITAR-TASS)

"In gegenwärtiger Lage nicht vertretbar": Das Gefechtsübungszentrum sollte in Mulino an der Wolga, mehrere Autostunden hinter Moskau, entstehen.

"In gegenwärtiger Lage nicht vertretbar": Das Gefechtsübungszentrum sollte in Mulino an der Wolga, mehrere Autostunden hinter Moskau, entstehen.

Die Große Koalition lässt einen deutsch-russischen Rüstungsdeal stoppen. Aber worum geht es eigentlich bei dem Geschäft? Was hat der Widerruf für Folgen? Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem gescheiterten Millionen-Projekt.

Was ist passiert?

Die Große Koalition hat ein deutsch-russisches Rüstungsgeschäft gestoppt. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hatte den von der schwarz-gelben Vorgängerregierung genehmigten Auftrag der Düsseldorfer Firma Rheinmetall schon im März vorläufig auf Eis gelegt. "In der gegenwärtigen Lage ist die Ausfuhr des Gefechtsübungszentrums nach Russland nicht vertretbar", hieß es damals. Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, habe die Bundesregierung nun versucht, mit Rheinmetall einen Konsens über eine Aussetzung des Geschäfts zu erzielen. Diese Bemühungen seien jedoch gescheitert. Gabriel sagte, das Unternehmen habe die Regierung gebeten, für eine "rechtssichere Position" zu sorgen. "Daher haben wir formal die Ausfuhrgenehmigung widerrufen", so Gabriel. Die Entscheidung sei mit dem Kanzleramt abgestimmt worden.

Um was für ein Rüstungsgeschäft geht es?

Es geht um die Genehmigung für den Bau eines Gefechtsübungszentrums. Eigentlich wollte Rheinmetall die hochmoderne Trainingsanlage noch in diesem Jahr in der Stadt Mulino im Osten Moskaus an die russische Armee übergeben. In solchen Übungszentren können jährlich bis zu 30.000 Soldaten an technisch hoch entwickelten Simulationsinstrumenten ausgebildet werden. Das Volumen des Rüstungsgeschäftes soll rund 123 Millionen Euro betragen. Bereits im März erklärte Rheinmetall-Chef Armin Papperger, der Auftrag sei fast abgearbeitet und beinahe vollständig bezahlt.

Was hat das Rheinmetall-Geschäft mit den EU-Sanktionen zu tun?

Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums verwies im Zusammenhang mit der Entscheidung zwar auf die EU-Sanktionen. Doch die von der EU vereinbarten Strafmaßnahmen gegen Russland schließen bereits beschlossene Waffengeschäfte eigentlich gar nicht mit ein, sondern nur künftige. Frankreich darf daher trotz Kritik zwei fast fertiggestellte Mistral-Hubschrauberträger im Wert von 1,2 Milliarden Euro nach Russland liefern. Deutschland geht mit dem Widerruf der Ausfuhrgenehmigung nun über die EU-Sanktionen hinaus. "Ich riskiere durch die Auslieferung eines Gefechtszentrums an Russland, dass die militärische Expansion, dass die militärischen Auseinandersetzungen größer werden", sagt Gabriel.

Wie sind die Reaktionen auf die Entscheidung?

Zustimmung für die Entscheidung kommt von Michael Fuchs, dem stellvertretenden Unions-Fraktionschef. "Mit Russland muss nun sehr deutlich gesprochen werden. Deshalb stimme ich darin überein, gegenüber Russland in dieser Situation keine Rüstungsexporte mehr zu genehmigen und das EU-Embargo gegen Russland durchzusetzen", sagte Fuchs n-tv.de.
Es sei jedoch nicht allein Aufgabe des Bundeswirtschaftsministeriums, sondern des Bundessicherheitsrates, diese Fälle zu entscheiden. "Ich hoffe darauf, dass unsere deutschen Industrieunternehmen weltweit breit genug aufgestellt sind, um die Sanktionen nach Russland gut wegzustecken und wir deshalb keine Arbeitsplätze verlieren." Der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann mahnt derweil eine einheitliche Praxis in Europa an. Es dürfe keine Ausfuhr von Rüstungsgütern in Krisen- und Spannungsgebiete sowie an Regime geben, die die Menschenrechte systematisch missachteten. Eine fortdauernde uneinheitliche Praxis könne die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik konterkarieren.

Was macht Rheinmetall?

Rheinmetall selbst will von einem endgültigen Stopp des Russland-Auftrags noch nichts wissen. In einer ersten Reaktion hieß es: "Wir befinden uns mit der Bundesregierung im Gespräch zu diesem Thema." Die Abwicklung des Auftrags will man noch nicht weiter kommentieren. "Zu inhaltlichen Details äußern wir uns nicht", sagte ein Sprecher. Er bekräftigte, dass Rheinmetall keine weiteren Rüstungsaufträge aus Russland vorliegen habe.

Kann Rheinmetall klagen?

Ja. Mit dem Widerruf steht dem Unternehmen nun der Klageweg gegen die Entscheidung offen. Rheinmetall könnte Anspruch auf Schadenersatz erheben. Das Wirtschaftsministerium hatte vor zwei Wochen selbst eingeräumt, dass Regresszahlungen drohen könnten, wenn die Bundesregierung über die EU-Sanktionen hinausgehen sollte. Der Konzern will die Frage nach einer etwaigen Klage gegen die Bundesregierung zurzeit noch nicht beantworten. Das sei pure Spekulation, so ein Sprecher. Eine sogenannte Hermesbürgschaft für die von Rheinmetall geplante Lieferung an die russische Armee gibt es aber nicht. Solche Exportkreditgarantien sichern in der Regel Geschäfte mit ausländischen Geschäftspartnern ab. Gabriel sagte auf die Frage, ob er mit dem Schritt nicht Schadenersatz riskiere: "Es geht nicht um Geld, es geht um Menschenleben."

Quelle: ntv.de, cro/rts/dpa/AFP

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