Politik

Syriza-Mann wählt markige Worte "Deutsche bekommen unsere Seele nicht"

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(Foto: imago/Invision)

Wenn sie die Namen Merkel oder Schäuble hören, reagieren manche Syriza-Politiker ausgesprochen wütend. Vokabeln wie "Viertes Reich" und "Protektorat" kommen ihnen problemlos über die Lippen - auch dem neuen Vize-Kulturminister des Landes.

In einem gemütlichen Café in einem studentisch geprägten Stadtteil Athens sitzt vor einer Woche ein zorniger Mann. Er heißt Nikos Xydakis und will  für das Linksbündnis Syriza in das Parlament einziehen - und soll damit Erfolg haben.

Er schimpft überraschend heftig auf Angela Merkel und Wolfgang Schäuble. Es sind irritierende Worte, die er wählt. "Schäuble benimmt sich, als würde er das Vierte Reich anführen", sagt Xydakis. Griechenland sei aber kein Protektorat Deutschlands.

Ein paar Tage später wird der ehemalige Kolumnist der angesehenen Zeitung "Kathimerini" überraschend Vize-Kulturminister in der neuen Regierung von Alexis Tsipras.

"Merkel hat Griechenland auf den Boden geworfen"

Angesichts der jahrelangen Rezession ist die Wut von Xydakis zwar durchaus verständlich. Die Griechen leiden heftig unter der Krise, heftiger, als sich die Deutschen das oft bewusst machen. Doch die meisten Menschen in Athen machen für die Misere vor allem ihre eigenen Politiker verantwortlich. Sie werfen der konservativen Nea Dimokratia und der sozialdemokratischen Pasok vor, das Land im Bündnis mit der wirtschaftlichen Elite in den vergangenen Jahrzehnten heruntergewirtschaftet zu haben.

In ihren Augen hat der Sparkurs vor allem die unteren und mittleren Einkommensschichten getroffen - und die Wohlhabenden verschont. "Wir Griechen sind Europäer zweiter Klasse", sagt ein 25-jähriger Arbeitsloser. "Dafür sind wir aber selbst verantwortlich."

Auch Xydakis kritisiert lähmende Bürokratie, Korruption und die Vetternwirtschaft. Doch sein Fokus liegt woanders. Er zeigt auf Deutschland. "Die Deutschen bekommen unser Geld, nicht aber unsere Seele", sagt er. Die Griechen hätten nie um Kredite gebettelt. Doch sie seien trotzdem gekommen, verbunden mit Sparprogrammen. Warum sie geflossen seien? Nur um die griechischen Banken und damit Europas Finanzinstitute zu retten. "Um Europas Banken zu helfen, hat Merkel Griechenland auf den Boden geworfen", so Xydakis.

Von Hoffnungslosigkeit spricht Xydakis, von Demütigung. Sein Land liege in Trümmern, sei kein souveräner Staat mehr. An Griechenland wurde seiner Meinung nach ein Exempel statuiert. Es sei zugrunde gerichtet worden, um als abschreckendes Beispiel für den Rest Europas zu dienen.

Zorn macht ungerecht

Ja, er sei wütend, enttäuscht und emotional, sagt Xydakis. Das sei sein gutes Recht, ergänzt er und beklagt ein "moralisches Paradigma" in Deutschland. In den 80er Jahren sei er oft in Berlin gewesen, sagt Xydakis und schwärmt von der Kunstszene. Damals sei Berlin die kulturelle Hauptstadt Europas gewesen. Und was ist Berlin jetzt? "Die Hauptstadt Preußens", stellt er fest.

Deutschland solle froh sein, wenn die Wende in Europa von der Linken und nicht von der Rechten komme, sagt Xydakis am Ende des Gesprächs. Wenige Tage später geht Wahlsieger Alexis Tsipras eine Koalition mit den Rechtspopulisten "Unabhängige Griechen" ein.

Nicht alle bei Syriza wählen so harsche Worte wie Xydakis. Eine Aktivistin des Linksbündnisses sagt bei einer Begegnung in Athen, dass auch sie sich über Nazi-Vergleiche ärgere. Sie seien allerdings in der Regel nicht so hart gemeint, wie sie für einen Deutschen klingen. "Viele wissen nicht, was sie damit eigentlich sagen", erläutert sie.

Das ist das Beunruhigende an der Krise. Wenn Menschen einen solchen Zorn in sich tragen, dass sie ungerecht werden. Wenn es zu einem Schulterschluss von Gruppen kommt, die allein Ablehnung verbindet. Xydakis reicht zum Abschied die Hand und verabschiedet sich mit den Worten "Auf Europa!".

Quelle: ntv.de

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