Düsterer Blick in die Zukunft Deutschland nur mittelmäßig
14.01.2010, 16:53 UhrDie Situation von Kindern hat sich in Deutschland nach Einschätzung der UN-Kinderhilfsorganisation UNICEF in den vergangenen Jahren leicht verbessert – dennoch blicken Jugendliche hierzulande überwiegend pessimistisch in die Zukunft. Die Forderungen der UN-Organisation nach Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz und nach einer eigenen Kindergrundsicherung lehnt die Bundesregierung ab.
Im Vergleich von 21 Industrieländern liegt die Bundesrepublik nach einer neuen Studie des UN-Kinderhilfswerks UNICEF auf Platz acht. 2007 war es noch Rang elf. Es gebe aber "keinen Anlass, es sich auf einem Mittelplatz bequem zu machen", sagte die Geschäftsführerin von UNICEF Deutschland, Regine Stachelhaus, in Berlin bei der Vorstellung der Studie.

So weit wie UNICEF-Managerin Stachelhaus (r) will Bundesfamilienministerin Köhler nicht gehen.
(Foto: REUTERS)
Bundesfamilienministerin Kristina Köhler (CDU) lehnte die Forderung der UNICEF-Managerin nach Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz ab. Auch zu einer eigenen Kindergrundsicherung äußerte sie sich skeptisch: Sie setze auf andere, zielgenauere Instrumente wie den Kinderzuschlag oder den erhöhten Kinderfreibetrag.
Am Kita-Rechtsanspruch wird nicht gerüttelt
Am Rechtsanspruch, von 2013 an für 35 Prozent der Kinder unter drei Jahren einen Betreuungsplatz anzubieten, werde "nicht gerüttelt, auf gar keinen Fall", stellt Köhler klar. Sie wies Einwände der Kommunen gegen den Ausbau von Krippenplätzen zurück. Der Bund habe seine Zusage erfüllt, vier Milliarden Euro beizusteuern. Nun seien die Kommunen am Zug. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hatte jüngst erklärt, der vorgesehene Rechtsanspruch sei nicht umsetzbar. Zur Begründung hieß es, ein Kita-Platz werde nicht wie angenommen von 35 Prozent, sondern von 66 Prozent der Eltern gewünscht. Das sei nicht bezahlbar. Köhler bezweifelte die Zahl.
Niederlande auf Platz 1
Nach der UNICEF-Studie haben Kinder in den Niederlanden, in Schweden und Finnland die besten Lebensbedingungen. Schlusslichter sind Großbritannien und die USA. Deutschland schneidet in der UNICEF- Betrachtung wegen abweichender Daten besser ab als in anderen internationalen Vergleichsstudien.
Untersucht wurden Parameter rund um das Wohl von Jugendlichen: unter anderem die materielle Versorgung, Gesundheit, Bildung, aber auch das Verhältnis zu Eltern und Freunden. Außerdem durften die Befragten ihre eigene Einschätzung äußern, wie gut es ihnen geht und wie sie in die Zukunft blicken.
Alleinerziehende "vergessene Gruppe"
Dringenden Handlungsbedarf gibt es nach den Worten von Stachelhaus vor allem bei alleinerziehenden Frauen. Sie seien eine von der Politik vergessene Gruppe; Alleinerziehende und ihre Kinder würden in Deutschland "von der Politik nicht erreicht", so Stachelhaus. "Der Armutsdruck für die Alleinerziehenden ist unverändert hoch geblieben." UNICEF rief dazu auf, den Kampf gegen Kinderarmut gezielt zu verstärken, etwa durch eine eigene Kindergrundsicherung.
Düsterer Blick in die Zukunft
Bei Bildung und Ausbildung verzeichnet die Studie für Deutschland Fortschritte. Besorgniserregend - zumal im internationalen Vergleich - sei aber, dass etwa ein Viertel der Jugendlichen sehr düster in ihre berufliche Zukunft sehen und sich mit ihren Problemen häufig alleingelassen fühlen. Sechs Prozent fühlen sich als Außenseiter, elf Prozent "fehl am Platz". Etwa jeder dritte 15-Jährige sagte, dass er sich "alleine" fühle. Bei der Lebenszufriedenheit insgesamt liegt Deutschland auf dem viertletzten Platz. Stachelhaus warnte: "In keinem anderen Industrieland haben die Jugendlichen eine so düstere Einschätzung ihrer Zukunft."
Köhler weist Kritik zurück
So weit wie UNICEF gehen und die Kinderrechte im Grundgesetz verankern, will Bundesfamilienministerin Köhler allerdings nicht. Die 32-Jährige wehrte sich bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt gegen Kritik an ihrer angeblich zu langen Einarbeitungszeit. "Anmaßend wäre, vom ersten Tag an zu behaupten, dass man alles fertig konzipiert hat und alles klar sei." Köhler war im Zuge einer Kabinettsrotation nach dem Rücktritt von Arbeitsminister Franz Josef Jung Anfang Dezember zur neuen Familienministerin berufen worden.
Das fehlt: "Du kannst es schaffen!"

Hans Bertram fordert von den Erwachsenen, den Kindern den Glauben an sich selbst zu vermitteln.
(Foto: dpa)
"Erwachsene müssen Kindern den Glauben an sich selbst vermitteln, um sie auch für eine unsichere Zukunft zu stärken", sagte der Autor der Studie, Hans Bertram von der Humboldt-Universität Berlin. In Deutschland sei die Botschaft häufig: "Pass auf, dass Du nicht scheiterst!" - im Gegensatz zum amerikanischen "Du kannst es schaffen!'"
Quelle: ntv.de, rts/dpa/AFP