Fördern und fordern, Frau Merkel! Deutschland verhätschelt die Ukraine
11.04.2014, 11:18 Uhr
In der Ukraine ist die Haltung der Bundesregierung deutlich: Man unterstützt die neue Regierung um Premier Jazenjuk. Dafür nimmt Kanzlerin Merkel auch die Konfrontation mit Russland in Kauf.
(Foto: REUTERS)
Ex-Präsident Janukowitsch ließ auf sein Volk schießen, sagt die ukrainische Regierung. Doch es gibt Zweifel an dieser Version. Umso mehr wundert die Haltung der Bundesregierung. Die lässt Kiew erneut sorglos gewähren.
Warum mussten mehr als 100 Demonstranten auf dem Maidan sterben? Die heißen Proteste liegen erst sechs Wochen zurück und schon in der vergangenen Woche legte der ukrainische Innenminister einen Untersuchungsbericht vor. Demzufolge gab Ex-Präsident Wiktor Janukowitsch den Befehl, auf die Protestler zu schießen.
Eine Überraschung ist das Ergebnis des Berichts nicht. Ganz im Gegenteil. Neu an der Macht, will die alte Opposition nicht schon ihren eigenen Mythos beerdigen. Die Untersuchung ist dementsprechend wenig wert. Als Konfliktpartei ist die Regierung in Kiew viel zu befangen, um die Vorgänge auf dem Maidan zu überprüfen. Besser wäre es gewesen, wenn führende Staaten wie Deutschland oder Frankreich sich bei der Aufklärung stärker eingemischt hätten. Sie haben es nicht gemacht, das ist ein Fehler.
Gewiss: Es ist denkbar, dass Janukowitsch den Schießbefehl gab. Doch zusehends wachsen die Zweifel an der Version, die die Regierung in Kiew vertritt. Wie inzwischen bekannt wurde, ist es unwahrscheinlich, dass die tödlichen Schüsse ausschließlich vonseiten des alten Regimes angefeuert wurden. Ein Video belegt, was mehrere Augenzeugen berichteten: Die Demonstranten wurden von verschiedenen Richtungen angegriffen. Zudem gibt es einen Audio-Mitschnitt, in dem Janukowitschs Einheiten sich wundern, dass offenbar noch andere Scharfschützen am Werk sind. Der offizielle Untersuchungsbericht verschwieg diese Erkenntnisse jedoch.
Russland zweifelt - zu Recht
USA und EU unterstützen die neue Regierung in Kiew politisch und wirtschaftlich. Das ist nicht falsch. Doch der Westen muss seine Haltung in der Ukraine-Krise auch kritisch hinterfragen. Schon die Regierungsbeteiligung der rechtsextremen Swoboda nahm Kanzlerin Angela Merkel nur beiläufig zur Kenntnis. Bei der vermeintlichen Aufklärung des Maidan-Mythos ließ man die Regierung in Kiew nun erneut gewähren.
Länder wie Deutschland und Frankreich hätten auf eine unabhängige Untersuchung drängen müssen. Mal angenommen, eine objektive Instanz wie die OSZE hätte die Ereignisse auf dem Maidan untersucht - die Wirkung wäre ungleich größer. Ein unparteiischer Bericht hätte die Legitimität der umstrittenen ukrainischen Regierung stärken können. Stattdessen kann sich Russland darin bestätigt sehen, deren Integrität von Beginn an zu Recht angezweifelt zu haben.
Und nun? Kanzlerin Merkel sollte getreu dem Motto von Ex-Kanzler Gerhard Schröder fördern und fordern: Das sollte für die Ukraine gleichermaßen gelten wie für Russland. Doch das gelingt zurzeit nicht. Stattdessen offenbart der eigene außenpolitische Kurs unnötig viele offene Flanken. Der Bundesregierung schadet dies. Vor allem im Hinblick auf jene wichtige Rolle, die sie international so gerne spielen würde.
Quelle: ntv.de