Streit mit Italien und Griechenland Deutschland will nicht mehr Flüchtlinge
23.10.2013, 18:19 Uhr
Dieser junge Tunesier erreichte Lampedusa 2011.
(Foto: REUTERS)
Die Flüchtlingsdramen vor den Toren Europas machen auch die EU-Parlamentarier betroffen. Wie solche Tragödien zu verhindern sind, darüber sind sich Deutschland und die Mittelmeerstaaten uneinig.
Seit hunderte Flüchtlinge vor der Mittelmeerinsel Lampedusa ertrunken sind, ist eine neue Diskussion entbrannt. Wie lassen sich solche Katastrophen verhindern? Sollte die Einwanderung nach Europa neu geregelt werden? Diese Fragen drängen sich auf, stehen aber zurzeit im Hintergrund. Das EU-Parlament hat nun immerhin eine Resolution verabschiedet. Die Regierungen Europas sollten mehr tun, damit sich Tragödien wie die von Lampedusa nicht wiederholen. Weiter reicht der Konsens in Europa aber nicht. Was dafür getan werden sollte und vor allem von wem, sind die entscheidenen Fragen. Dabei schieben sich die Regierungen jeweils den Schwarzen Peter zu nach dem Motto: "Wir machen schon so viel, jetzt seid ihr dran".
Vor allem die Mittelmeeranrainer wie Italien, Griechenland und Spanien füllen sich als Eingangstore in die EU überlastet. Sie wünschen sich einen "Lastenausgleich". Diese Forderung zielt unweigerlich auf Deutschland, dem reichen Land im Norden. Doch die Bundesregierung mauert. In Deutschland würden im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung viel mehr Asylanträge als in Italien gestellt, hieß es aus Berliner Regierungskreisen. Das bedeute, "dass es keine Frage von Lastenteilung gibt".
Laut Pro Asyl werden allerdings über 80 Prozent der Asylanträge in Deutschland abgelehnt. Die Bundesregierung hofft dagegen, dass ihr Engagement bei der Aufnahme syrischer Flüchtlinge "auch ein Beispiel für andere ist". Die Bundesregierung hat die Aufnahme von 5000 Syrern zugesagt. Schweden hatte zuletzt ebenfalls darauf verwiesen, dass es zusammen mit Deutschland zwei Drittel der syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge in der EU aufgenommen habe.
Barroso fordert "neue Wege"
Gemessen an seiner Bevölkerung liegt Deutschland bei der Aufnahme von Flüchtlingen allerdings nur im Mittelfeld. Italien, Griechenland und Malta wollen bei dem Gipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs am Freitag auch angesichts solcher Zahlen weiter auf mehr Lastenteilung pochen. Eine Reihe von Mitgliedstaaten ist aber gegen grundlegende Änderungen der geltenden Regel, wonach das EU-Land für die Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen zuständig ist, in dem die Ankömmlinge zuerst die EU erreichen. Diese Regelung verhindert, dass Flüchtlinge gleich nach Deutschland weiterreisen. Das tun viele zwar trotzdem, doch werden sie dann von den deutschen Behörden nach Italien, Griechenland oder Spanien zurückgeschickt – eben dahin, wo sie zuerst europäischen Boden betreten haben.
Kommissionspräsident José Manuel Barroso rief die Staats- und Regierungschefs auf, "neue Wege" für eine EU-Einwanderungspolitik aufzuzeigen und der "humanitären Tragödie" an ihrer Außengrenze nicht den Rücken zuwenden. Der Vorsitzende der liberalen Fraktion im Europaparlament, Guy Verhofstadt, sagte vor den Abgeordneten in Straßburg, im Prinzip sei eine gemeinsame Einwanderungspolitik schon vor 15 Jahren beschlossen worden. Bis heute sei diese aber nicht umgesetzt worden, und auch der anstehende Gipfel werde keine Entscheidung dazu treffen.
"Schande für Europa"
Dass die Frage auf Juni 2014 und damit nach die Europawahl vertagt worden sei, sei "eine Schande für Europa", kritisierte der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion, Hannes Swoboda. Nach Ansicht des Grünen-Abgeordneten Daniel Cohn-Bendit spielt die Verzögerung Populisten in die Hände, "die einfach die Grenzen dicht machen wollen". Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl forderte die Europäische Union auf, endlich zu einer Aufnahmeregelung zu finden, "die die Bedürfnisse der Schutzsuchenden in den Mittelpunkt stellt".
Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy plädierte dafür, die Aufgabe zur Kontrolle der EU-Außengrenze "zwischen der ganzen Gemeinschaft, allen Mitgliedstaaten und Institutionen aufzuteilen". Außerdem müssten die Herkunftsländer der Migranten selbst mehr Hilfe leisten und ihre Zusammenarbeit anbieten.
Für den Anti-Terror-Koordinator der EU, Gilles de Kerchove, gilt das aber auch umgekehrt: "Wenn Europa nicht mehr für Afrika tut, werden wir weiterhin Flüchtlingsdramen wie zuletzt vor Lampedusa erleben", sagte Kerchove der "Welt". "Mehr noch: Wir werden mehr illegale Zuwanderung haben, mehr organisierte Kriminalität, mehr Drogen, mehr Terrorismus."
Quelle: ntv.de, vpe/AFP/dpa