Politik

Union floppt in Städten "Die CDU muss nicht cooler werden"

Besonders hip sind auch Angela Merkels Auftritte nicht. Doch die CDU-Vorsitzende kann mit anderen Qualitäten überzeugen.

Besonders hip sind auch Angela Merkels Auftritte nicht. Doch die CDU-Vorsitzende kann mit anderen Qualitäten überzeugen.

(Foto: REUTERS)

Bürgermeister in den bevölkerungsreichsten deutschen Städten? Fehlanzeige. Die CDU hat ein Großstadtproblem. Stefan Kaufmann, ein urbaner, schwuler Christdemokrat aus Stuttgart, erklärt im Interview mit n-tv.de, woran es liegt.

n-tv.de: Jeder dritte Deutsche lebt bereits in einer Stadt mit mehr als 100.000 Einwohnern. Tendenz steigend. Nimmt die CDU ihre Schwäche in Großstädten ernst genug?

Stefan Kaufmann: Ich denke schon, dass die Partei erkennt, dass sie in Großstädten ein Problem hat. Wir sind eine große Partei, die in Ballungszentren genauso erfolgreich sein will wie auf dem Land.

Stefan Kaufmann konnte sich bei der Bundestagswahl in seinem Wahlkreis Stuttgart I gegen den grünen Parteivorsitzenden Cem Özdemir durchsetzen.

Stefan Kaufmann konnte sich bei der Bundestagswahl in seinem Wahlkreis Stuttgart I gegen den grünen Parteivorsitzenden Cem Özdemir durchsetzen.

Nichtsdestotrotz geht seit Jahren eine Metropole nach der anderen verloren.

Ja, je größer die Stadt, desto schlechter schneiden wir ab. Die Frage ist: Was können wir dagegen tun?

Vielleicht hilft ein Imagewechsel. Ist die CDU womöglich einfach nicht cool genug für die Großstadt?

(Lacht) Cool genug?

Genau.

Also, cool ist sicherlich kein Label, das einem einfällt, wenn man an die CDU denkt. Wir müssen aber nicht zwingend cooler werden. Wir müssen die Vielfalt, die sich in der Stadtgesellschaft zeigt, widerspiegeln. Und wir dürfen die Wähler nicht bevormunden. Wir dürfen ihnen nicht vorschreiben, was gut und was schlecht für sie ist.

Viele Funktionsträger der Partei verströmen den Hauch des Ländlichen.

Natürlich müssen auch die Kandidaten, die wir aufstellen, die Breite der Stadtgesellschaft abbilden. Wenn wir über Großstädte reden, kommen unsere Leute ja durchaus auch daher. Aber es ist die Verantwortung und Aufgabe der jeweiligen Parteivorsitzenden, dafür zu sorgen, dass die Kandidatenlisten am Ende möglichst bunt und vielfältig zusammengestellt sind. Da geht es zum Beispiel um Frauenanteile und Kandidaten mit Migrationshintergrund.

Angela Merkel reüssiert immer wieder im Bund. Ist sie so etwas wie der Prototyp für den modernen CDU-Politiker?

Sie ist jedenfalls die erste Frau in diesem Spitzenamt. Angela Merkel ist Naturwissenschaftlerin. Sie ist aus Ostdeutschland. Sie hat eine sehr sachliche Art, an die Dinge heranzugehen. Und sie ist sehr aufgeschlossen. Das unterscheidet sie von anderen in der Partei und hebt sie heraus.

Die CDU braucht also andere Spitzenpolitiker in den Städten.

(Lacht) So würde ich es jetzt nicht zuspitzen wollen. Das Personalangebot der CDU muss bunter werden.

Image und Personal sind das eine. Die CDU hinkt aber doch vor allem bei vielen Themen der gesellschaftlichen Entwicklung hinterher. Bei der Homoehe oder der Integration zum Beispiel. Wie erklären Sie sich das?

Als schwuler Vertreter einer großstädtischen CDU sehe ich natürlich, dass meine Partei noch Nachholbedarf hat. Ich verstehe aber auch die, die sagen, wir müssen jetzt einen Schritt nach dem anderen machen. Darin spiegelt sich das Problem wider, dass wir eine Volkspartei sind. Wir müssen denen, die zum Beispiel für die Homoehe und die doppelte Staatsbürgerschaft sind, das Signal geben, dass sich die CDU zumindest auf den Weg gemacht hat. Wir wollen aber auch diejenigen mitnehmen, die sich noch etwas schwerer tun bei diesen Entwicklungen. Wir dürfen sie nicht überfordern.

Wären Sie angesichts des Ziels, die Gesellschaft zu verändern, nicht in einer anderen Partei besser aufgehoben?

Ich bin als Bildungspolitiker in die CDU eingetreten und mir war Europa sehr wichtig. Bei diesen Themen war ich ganz klar auf CDU-Linie. Bei Themen wie der Homoehe war mir klar, dass es schwierig werden würde. Aber ich habe damals schon gemerkt, dass es gerade deshalb entscheidend ist, in der CDU zu sein. Mir war es wichtiger, mit dieser Partei die ganze Gesellschaft zu erreichen, statt ein weiterer offen schwuler Politiker bei einer kleinen Partei wie den Grünen oder der FDP zu sein.

Aber braucht Deutschland wirklich eine fortschrittliche CDU? Gibt es da nicht einen grundsätzlichen Widerspruch? Liberale und progressive Parteien gibt es bereits, das Markenzeichen der Union war vor Angela Merkel doch stets der Konservatismus.

Natürlich braucht Deutschland eine fortschrittliche CDU. Wir sind die letzte große Partei, die alle gesellschaftlichen Strömungen vereint. Konservativ zu sein, heißt ja nicht, dass man stehen bleibt. Ich bringe da immer gern das Beispiel der Homoehe: Es ist kein Widerspruch, gleichgeschlechtliche Partnerschaften zu fördern und trotzdem die Familie als Wert zu erkennen. Für mich geht es in der CDU darum, diese Positionen zusammenbringen und zu sagen, das eine ist nicht mehr wert als das andere. In diesem Punkt will ich mit der CDU weiter kommen.

Zeigt nicht der Erfolg der AfD, dass dieser Spagat zum Scheitern verurteilt ist?

Nein, die AfD hat weniger mit Inhalten und Programm und mehr mit Stimmung ihren Wahlerfolg erreicht. Zudem sind gerade ihre gesellschaftspolitischen Positionen unklar. Der Erfolg der AfD bei der Europawahl muss uns deutlich machen, dass wir die Sorgen der Menschen, die der AfD zuletzt ihre Stimme gegeben haben, ernstnehmen müssen. Ausgrenzen ist der falsche Weg – ebenso aber auch eine Abkehr vom Kurs der Öffnung und Modernisierung.

Mit Stefan Kaufmann sprach Issio Ehrich

Quelle: ntv.de

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