Politik

Gabriel schimpft auf Wagenknecht Die Linke wird der SPD lästig

Sigmar Gabriel und Martin Schulz werden zusammen Wahlkampf für die Europawahl machen.

Sigmar Gabriel und Martin Schulz werden zusammen Wahlkampf für die Europawahl machen.

(Foto: dpa)

Die SPD will einen Deutschen als nächsten Präsidenten der EU-Kommission durchsetzen. Das könnte ihre Situation in der Bundesregierung entscheidend verbessern. Die Annäherung an die Linkspartei muss erst einmal warten.

Martin Schulz ist ein unauffälliger Mann. Nur noch wenige Haare umrahmen seine hohe Stirn, sein Bart entfärbt sich langsam, sein Brillenmodell könnte aus den frühen 90er Jahren stammen, seine Stimme hat selbst dann einen rheinischen Einschlag, wenn er Englisch spricht. Dieser Mann ist für die SPD ein Segen. Martin Schulz hat gute Chancen darauf, der wichtigste Mann in der Europäischen Union zu werden und die deutschen Sozialdemokraten müssen dazu kaum etwas tun. Ein einigermaßen gutes Ergebnis bei der Europawahl, und Schulz könnte der erste deutsche Kommissionspräsident seit 1967 werden.

Die SPD, in Berlin in der verzwickten Lage, gleichzeitig Politik mit und gegen die CDU machen zu müssen, hätte dann die bestmögliche Vertretung in Brüssel. Dass die Kommission unter Schulz die Energiewende von SPD-Chef Gabriel zerschießt, wäre nicht vorstellbar. Schulz könnte den Mitgliedsstaaten Bankenregulierungen und Finanztransaktionssteuern vorschreiben, die weit über das hinausgehen, was die CDU plant. Die deutsche Politik wäre noch sozialdemokratischer, als sie es ohnehin zu werden scheint.

Schulz ist ein guter Kandidat für die europäischen Sozialdemokraten: Als Präsident der Parlaments ist er vielen bekannt. Er spricht leidenschaftlich für die EU und wirkt gleichzeitig volksnah und bodenständig. Wenn er zu viel aus dem Apparat in Brüssel spricht, schiebt er einfach noch ein paar Anekdoten aus seiner Heimatstadt Würselen nach, wo er zwölf Jahre lang Bürgermeister war. Die sozialdemokratischen Parteien haben sich schon auf ihn geeinigt. Alles, was er von der SPD braucht, ist etwas Rückenwind.

Die Linken und die Realität

SPD-Chef Gabriel versucht beim Parteitag in Berlin, so viel Wind zu machen wie möglich. Er spricht über die Verantwortung, die aus der Vergangenheit erwächst, und die Herausforderungen, die in Zukunft auf den Kontinent zukommen. Europa habe in Zukunft entweder eine gemeinsame Stimme in der Welt oder eben gar keine Stimme mehr, ruft Gabriel.

Dass der SPD-Vorsitzende seine Partei eigentlich nach links öffnen möchte, passt da nicht ins Konzept. Denn die Linke ist sich ihrer Europafreundlichkeit gerade nicht so sicher. Im Entwurf für das Europaprogramm steht, die EU sei zu einer "neoliberalen, militaristischen und undemokratischen Macht" geworden. Linken-Fraktionsvize Sahra Wagenknecht legte in einem Interview nach: "Die EU ist auch ein Hebel zur Zerstörung von Demokratie", sagte sie dem "Tagesspiegel". Das ist für die rot-rot-grünen Gedankenspiele ein Problem, denn eine verlässliche Europapolitik ist die wichtigste Bedingung, die die SPD an ihre Koalitionspartner stellt. Um der Kandidatur von Schulz nicht zu schaden, wird die SPD ihre Flirts mit der Linken vorerst einstellen müssen. Gabriel reicht das aber nicht. Er lässt sich dazu hinreißen, Wagenknecht für diese Äußerung zu beschimpfen: "Wie weit muss man von der Realität entfernt sein, um auf einen solch dummen Satz zu kommen?", zeterte er.

Die Diskussion vor der Europawahl ist damit einmal mehr auf die viel zu simple Frage verkürzt, ob es "mehr Europa" oder "weniger Europa" brauche. Mindestens CDU, SPD und Grüne werden im Wahlkampf darum wetteifern, wer den größten Pathos in Sachen europäische Einigung verbreiten kann. Dabei gäbe es einiges zu diskutieren, was weit darüber hinaus geht, zum Beispiel das geplante und hoch umstrittene Freihandelsabkommen mit den USA. In den Reden von Schulz und Gabriel kommt es aber gar nicht vor.

Auch in der Debatte um das Programm für die Europawahl am 25. Mai wurden kritische Fragen höchstens angetippt. Die Zeit war ohnehin knapp bemessen, die SPD wählte am selben Tag auch eine Generalsekretärin, einen stellvertretenden Vorsitzenden und einen Schatzmeister. Schulz überzog seine Rede dann auch noch so weit, dass viele Delegierte schon abgereist waren, als es endlich konkret um Inhalte ging. Auch Gabriel interessierte sich nicht sonderlich für die Einwände, die seine Genossen gegen den Leitantrag vorbringen wollten. Er bat darum, Wortmeldungen doch bitte wieder zurückzuziehen.

Quelle: ntv.de

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