Proteste vor Ägyptens Machtzentrum Die Mauer fällt
11.12.2012, 16:54 Uhr
Demonstranten überwinden das Bollwerk Mursis.
(Foto: REUTERS)
Ägyptens Präsident schafft einen gewaltigen Schutzwall vor seinem Amtssitz. Hunderte Soldaten, ein Metallzaun und Betonklötze schirmen das Gebäude ab. Dem Druck der Demonstranten hält das Bollwerk dennoch nicht stand. Kurz vor dem umstrittenen Verfassungsreferendum spitzt sich die Lage in Kairo weiter zu.
Bei Protesten in Kairo haben mehrere hundert Gegner des ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi die Absperrung zum Präsidentenpalast durchbrochen. Die Soldaten, die Mursi abgestellt hatte, um den Palast zu schützen, wichen zurück. Es gab zunächst keine Berichte über gewaltsame Auseinandersetzungen.
Der Schutzwall, den Mursi geschaffen hatte, war massiv: Eine Metallabsperrung und eine Mauer aus Betonblöcken schirmten das Gebäude ab. Mursi hatte die Armee am Montag per Dekret zudem mit Polizeibefugnissen ausgestattet. Mehrere Hundert Soldaten standen vor dem Palast bereit und durften auch Zivilisten festnehmen. Das blieb zunächst aber aus. Nachdem die Demonstranten eine Metallabsperrung auseinandernahmen und mit Ketten Betonblöcke aus der Schutzmauer rissen, zogen sich die Soldaten näher zum Palast hin zurück, der durch eine weitere hohe Mauer geschützt ist. Um die Anlage waren auch sechs Panzer stationiert.
Neue Massenproteste stehen bevor
Während die Demonstranten nun vor dem Präsidentenpalast ausharren, laufen im Hintergrund schon die Vorbereitungen für einen weiteren Schlagabtausch zwischen liberalen, linken, und christlichen Kräften - den Mursi-Gegnern - und ihrem politischen Widerpart, den Islamisten. Mursi-Gegner trafen am Nachmittag in Kairo und in Alexandria Vorbereitungen für Massenproteste gegen das geplante Verfassungsreferendum. Die Organisatoren erklärten aber, sie hätten die Routen für ihre Protestmärsche so gewählt, dass Zusammenstöße mit den Islamisten vermieden würden.
Der ägyptische Verteidigungsminister und Armeechef Abdel Fattah al-Sissi rief die Gegner und Anhänger von Präsident Mursi zum Dialog auf. Sissi habe die verschiedenen Strömungen der Gesellschaft zur Überwindung der Krise zu einem Treffen am Mittwochabend eingeladen, meldete die Nachrichtenagentur Mena.
Die Ägypter sollen am Samstag über ihre neue Verfassung abstimmen. Den Entwurf des Textes gaben allerdings die Islamisten maßgeblich vor. Präsident Mursi, der ihnen verbunden ist, hatte sich zudem vorübergehend mit weitreichenden Sondervollmachten ausgestattet – nach eigenen Angaben um den Prozess der Verfassungsgebung voranzutreiben. Seine Gegner befürchten eine Islamisierung des Landes.
Ob das Referendum tatsächlich wie geplant stattfinden kann, bleibt nicht nur wegen der Proteste ungewiss. Die Richter, die die Abstimmung überwachen sollen, sind nach wie vor uneins. Nach Angaben aus Justizkreisen entschieden sich einige Berufsverbände für einen Boykott. Andere, unter ihnen der Verband der Richter des Staatsrates, erklärte sich bereit, den Urnengang zu überwachen. Mursi hatte den Einfluss der Justiz bei seiner Selbstermächtigung massiv eingeschränkt.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP