Steuern senken - aber wie? Die Quadratur des Kreises
05.10.2009, 14:46 UhrMit dem Versprechen, die Bürger des Landes zu entlasten, feierte Schwarz-Gelb bei der Bundestagswahl einen rauschenden Sieg. Doch beim Blick auf die Staatsfinanzen droht die schnelle Ernüchterung. Während die Union Steuersenkungen auf die lange Bank schiebt, geht es für die FDP schon darum, vor ihren Wählern das Gesicht zu wahren.

Leere Taschen, leere Versprechungen?
(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)
"Jetzt wird durchregiert" titelte die Wochenzeitung "Der Freitag" nach dem schwarz-gelben Sieg bei der Bundestagswahl. Doch CDU, CSU und FDP weht vor den Koalitionsverhandlungen der eisige Wind des Sachzwangs ins Gesicht.
Vor allem in der Finanzpolitik wird deutlich, dass Union und FDP sich an der Quadratur des Kreises versuchen müssen. Zwischen dem erklärten Ziel, die Bürger spürbar zu entlasten, und den Haushalt zu konsolidieren, besteht eine Diskrepanz, die auch der Kanzlerin nicht verborgen geblieben ist. Es gebe eine gewisse "Dialektik", gestand Merkel ein, wich aber der entscheidenden Frage aus: Wie sollen angesichts der dramatischen Lücken, die durch die Krise in den Staatshaushalt gerissen wurden, auch noch Steuersenkungen geschultert werden?
Zwar ist es wegen der unübersichtlichen Lage nur schwer möglich, einen Kassensturz zu machen, oder eine solide Vorhersage für die Finanzlage des Bundes in den nächsten vier Jahren zu treffen. Klar ist dennoch, dass der Staat bis 2012 rund 300 Milliarden Euro weniger Steuern einnehmen wird als geplant. Hinzu kommen die Belastungen aus den Maßnahmen gegen die Wirtschaftskrise – die Rettung von Opel, die Verstaatlichung der HRE und der Finanzmarktstabilisierungsfonds SoFFin kosten weitere Milliarden. Mit dem zu erwartenden Anstieg der Arbeitslosigkeit droht auch den Sozialkassen eine Finanzierungslücke.
FDP im Dilemma

FDP-Generalsekretär Niebel wünscht sich Steuersenkungen für den Mittelstand.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Besonders für die FDP könnte die schlechte Haushaltslage zum ernsthaften Problem werden, schließlich ist die Steuerentlastung eines der zentralen Wahlversprechen der Liberalen. Demnach sollen Familien durch die Anhebung des Grundfreibetrages auf 8004 Euro für jedes Famiienmitglied sowie die Aufstockung des Kindergeldes auf 200 Euro besser gestellt werden. Der Eingangssteuersatz soll für Arbeitnehmer, die bis zu 20.000 Euro im Jahr verdienen, von 14 auf zehn Prozent gesenkt werden. Gleichzeitig tritt die FDP für eine Beseitigung der inflationsbedingten "kalten Progression" ein
Weitere steuerliche Entlastungen sehen die Liberalen auch für mittelständische Unternehmen sowie bei Erbschaften vor. Alles in allem ein Paket, das 30 bis 40 Milliarden Euro pro Jahr kosten dürfte. Ungeachtet der Sparzwänge spricht Generalsekretär Niebel im Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" von einem "unumgänglichen Schritt", um den Mittelstand in Deutschland zu stärken.
Ein Schritt, der dem Ziel der Haushaltskonsolidierung nicht widerspreche: "Steuersenkungen sind finanzierbar, wenn wir Schwarzarbeit eindämmen und eine vernünftige Ausgabendispziplin vereinbaren."
CDU vorsichtig, Experten skeptisch
Die Union hält sich bisher merklich bedeckt. Zwar äußerten CDU und CSU ihren Willen, Steuern zu senken. Allerdings legten sich die Schwesterparteien auf keinen Zeitplan fest. Erste Andeutungen lassen darauf schließen, dass sich auf absehbare Zeit keine Entlastung abzeichnet: "Ich sehe keine Spielräume, dass 2010 und 2011 die Steuern sinken werden", ließ der sächsische Ministerpräsident Tillich in der "Leipziger Volkszeitung" durchblicken.

Für Ausgabenkürzung: Wirtschaftsminister zu Guttenberg.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Experten rechnen ohnehin damit, dass Union und FDP ihr Wahlversprechen nicht halten können. Der Chef des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, Klaus Zimmermann, sprach in der "Thüringer Allgemeinen" sogar davon, die Koalition werde "langfristig Steuern erhöhen" müssen, wenn sie den Haushalt konsolidieren wolle.
Sollten sich die schlechten Aussichten bestätigen, könnten Steuererhöhungen allein nicht ausreichen, um den Haushalt zu sanieren. Alternativ – oder auch ergänzend - sind einschneidende Kürzungen der Staatsausgaben möglich, eine Perspektive, die Noch-Wirtschaftsminister zu Guttenberg schon vor der Wahl skizzierte: "Es werden Jahre werden, wo gespart werden muss und manches Liebgewonnene auf den Prüfstand muss." Denkbar sind Kürzungen bei den Sozialausgaben und den Investitionen in die Infrastruktur. Die FDP liebäugelt nach wie vor mit der Einführung eines Bürgergeldes in Höhe von 662 Euro, das sämtliche aus Steuern finanzierte Sozialleistungen zusammenfassen soll.
Auch staatliche Subventionen sollen auf den Prüfstand. Die Haushaltsexperten der FDP haben bereits 400 Sparvorschläge mit einem Volumen von 10,5 Milliarden Euro erarbeitet. So soll der Steinkohle-Förderung ein Ende gesetzt werden.
Taktische Reform statt großer Wurf
Doch nicht nur das fehlende Geld, sondern auch zwei noch unter der Großen Koalition beschlossene Regelungen engen den schwarz-gelben Spielraum ein. Die Rentenschutzklausel verhindert, dass der mit 80 Milliarden Euro größte Posten im Bundesetat angetastet werden kann. Zum anderen wirkt sich die Schuldenbremse, die dem Bund ab 2016 eine Neuverschuldungsgrenze von 0,35 Prozent auferlegt, erstmals im Haushaltsjahr 2011 aus. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen nach Schätzungen des Kanzleramtes bis zum Ende der Legislaturperiode 35 bis 40 Milliarden Euro eingespart werden.
Angesichts dieser Voraussetzungen erscheint es als wenig wahrscheinlich, dass die schwarz-gelbe Koalition sich auf umfassende Steuersenkungen einigen wird. Der moderate Kurs von Kanzlerin Merkel, die Erleichterungen frühestens ab 2011 befürwortet, wird sich einfacher durchsetzen lassen als die weitgehenden Forderungen der FDP. Trotzdem wird sich Merkel auf einen Kompromiss einlassen müssen, um den Juniorpartner nicht bloßzustellen. Denkbar ist für DIW-Chef Zimmermann, dass FDP und Union "aus taktischen Gründen eine kleine Steuerreform" beschließen werden, die wohl das Kernklientel der Liberalen, also den Mittelstand, entlasten wird – eine Symbolhandlung, die aber kaum als Schablone für die künftige Steuerpolitik dienen wird.
Quelle: ntv.de