Politik

CDU-Politikerin Güler zum Doppelpass "Die SPD hat nicht Wort gehalten"

Serap Güler ist Landtagsabgeordnete in NRW und Mitglied im Bundesvorstand der CDU.

Serap Güler ist Landtagsabgeordnete in NRW und Mitglied im Bundesvorstand der CDU.

(Foto: CDU)

CDU-Vorstandsmitglied Serap Güler hält den Koalitionskompromiss zur doppelten Staatsbürgerschaft für einen Fehler. Enttäuscht ist sie dennoch nicht von ihrer Partei, sondern von den Prioritäten der SPD.

n-tv.de: Sind Sie zufrieden mit dem Kompromiss zur doppelten Staatsbürgerschaft, den Union und SPD in den Koalitionsverhandlungen gefunden haben?

Serap Güler: Es ist ein klassischer Kompromiss, bei dem sich keiner zu 100 Prozent wiederfindet. Damit können alle Seiten leben. Zur Wahrheit gehört aber auch: Es ist nicht das, was ich mir gewünscht habe, was sich die türkische Community gewünscht hat. Aber auch nicht das, was die SPD vor und nach der Wahl versprochen hat.

Sind Sie nicht enttäuscht von Ihrer Partei?

Meine Partei hat sich hier sehr bewegt. Es ist allgemein bekannt, dass die doppelte Staatsbürgerschaft keine Herzensangelegenheit der CDU ist. Den Vorwurf muss man der SPD machen, weil sie nach außen ganz anders aufgetreten ist. Noch vor zwei Wochen hat der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel auf dem Leipziger Parteitag gesagt, er werde seiner Partei keinen Koalitionsvertrag ohne doppelte Staatsbürgerschaft vorlegen. In den Koalitionsverhandlungen hat die SPD dann aber den Schwerpunkt auf den Mindestlohn und auf die Rente mit 63 gelegt, aber eben nicht auf die generelle Akzeptanz der doppelten Staatsbürgerschaft. Deshalb ist das Ergebnis nicht das, was versprochen wurde. Aus diesem Grund konnte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde, Kenan Kolat, seine Enttäuschung gar nicht in Worte fassen.

Herr Kolat ist SPD-Mitglied, beim Mitgliedervotum will er gegen den Koalitionsvertrag stimmen.

Optionspflicht

In Deutschland geborene Kinder von legal nach Deutschland gekommenen Einwanderern haben automatisch sowohl die deutsche Staatsbürgerschaft als auch die ihrer Eltern. Bis zu ihrem 23. Lebensjahr müssen sie sich allerdings entscheiden: Wollen sie die Staatsbürgerschaft ihrer Eltern behalten, müssen sie die deutsche aufgeben. In ihrem Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD darauf geeinigt, dass diese Optionspflicht künftig entfällt. Ansonsten bleibt es beim Verbot der Mehrstaatlichkeit. Zahlreiche Sonderregelungen sorgen dafür, dass dieses Verbot faktisch vor allem Zuwanderer mit türkischen Wurzeln trifft.

Aus seiner Sicht kann ich das verstehen. In der CDU entscheiden wir am 9. Dezember auf einem Kleinen Parteitag über den Koalitionsvertrag. Auch wenn ich eine andere Vorstellung hatte, werde ich weniger Probleme haben, dafür zu stimmen. Denn wir hatten das nicht im Wahlprogramm und sind bei türkeistämmigen Wählern damit nicht auf Stimmenfang gegangen.

Welche Lösung hätten Sie vorgeschlagen?

Ich persönlich hätte mir gewünscht, dass man sich auf einen Generationenschnitt einigt, wie ihn der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration vorgeschlagen hat. Danach hätte man die Mehrstaatlichkeit für die erste, zweite, dritte Generation und auch für die vierte Generation akzeptiert, für spätere Generationen jedoch nicht mehr.

Für die ersten Generationen wird sich nun nichts ändern.

Ja, leider. Ich hätte lieber die erste Generation einbezogen als zum Beispiel die sechste. Damit hätte man auch die Leistung der Zuwanderer honoriert, die dazu beigetragen haben, den wirtschaftlichen Aufschwung in der Bundesrepublik zu erarbeiten. Auch bei der zweiten und dritten Generation macht die doppelte Staatsbürgerschaft sicherlich noch Sinn.

Stattdessen dürfen die heute unter 23-Jährigen beide Pässe behalten.

Integrationspolitisch ist es das falsche Signal, wenn es noch etwa im Jahr 2030 Doppelstaatler gibt, deren ausländische Wurzeln auf die Migranten zurückgehen, die in den 1960er oder 70er Jahren nach Deutschland gekommen sind. Man stellt ja jetzt schon fest, dass die vierte Generation kaum noch einen Bezug zur Türkei hat. Diese Verwandtenbesuche in den Sommerferien, wie ich sie noch erlebt habe, das wird immer weniger. Für diese Generation ist ein Doppelpass weitaus weniger wichtig als für die Älteren.

Ihre Eltern haben die türkische Staatsbürgerschaft. Was sagen die zu dem Kompromiss?

Meine Eltern hätten sich über das Signal gefreut, aber es ist für sie jetzt auch kein Herzensthema. Mein Vater ist 74 Jahre alt, meine Mutter ist 68. Klar, wenn es den Generationenschnitt gegeben hätte, hätten sie davon profitiert. (Lacht) Dann hätten sie ihre Tochter 2017, wenn hier in Nordrhein-Westfalen die nächste Landtagswahl ansteht, unterstützen können.

Kann es sein, dass die CDU-Spitze bei der doppelten Staatsbürgerschaft nicht aus innerer Überzeugung handelt, sondern aus Angst vor dem Wähler?

Nein. Ich glaube, dass dieses Thema bei dem Wähler der Mehrheitsgesellschaft keine große Rolle spielt.

Mit Serap Güler sprach Hubertus Volmer

Quelle: ntv.de

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