SPD und Union beginnen Koalitionsverhandlungen Die ganz große "Umarmung"
23.10.2013, 16:52 Uhr
CDU-Generalsekretär Gröhe (l.) nimmt SPD-Chef Gabriel (M.) in Empfang.
(Foto: imago stock&people)
Bis Weihnachten soll der Koalitionsvertrag von Union und SPD stehen. Allein im November gibt es acht Treffen mit je fast 80 Unterhändlern. Hinzu kommen Sitzungen in kleiner Runde. Beim Auftakt der Verhandlungen versuchen die Unterhändler die richtige Stimmung für dieses Riesenprojekt zu schaffen.
Alexander Dobrindt steht mit verschränkten Armen und einem schelmischen Grinsen auf der Bühne des Konrad-Adenauer Hauses. Seine Körpersprache zeigt, dass das, was er jetzt sagen wird, nicht ganz ernst gemeint sein kann. Der Generalsekretär der CSU sagt: "Wir haben uns als erstes alle mal umarmt, und es war sehr hilfreich."
Union und SPD haben in Berlin Koalitionsverhandlungen begonnen. 90 Minuten lang saßen die Delegationen der Parteien in der Parteizentrale der CDU zusammen.
SPD Generalsekretärin Andrea Nahles, die nach dem Blitztreffen neben Dobrindt und dem Generalsekretär der Christdemokraten, Hermann Gröhe, auf der Bühne steht, bestätigt, dass sie "freundlich" empfangen wurde.
Echte Umarmungen gab es zwar wohl nur vereinzelt. Doch allen Beteiligten ist anzumerken, dass sie sich nach den Härten des Wahlkampfes um eine partnerschaftliche, im Falle Dobrindts auch lockere Atmosphäre bemühen. Denn die dürfte nötig sein angesichts des Riesenprojekts Große Koalition.
Gröhes Lächeln hätte nicht breiter sein können
75 Politiker von CDU, CSU und SPD nehmen in den großen Verhandlungsrunden teil. 2005, bei den letzten schwarz-roten Koalitionsverhandlungen, waren es nur 64 Unterhändler. Allein im November wollen sie sich acht Mal treffen. Das haben Union und SPD bei ihrem ersten Treffen beschlossen. Hinzu kommen die Sitzungen von 12 Arbeitsgruppen mit jeweils vier Untergruppen. Eine Steuerungsgruppe um die Generalsekretäre soll den Prozess koordinieren. Bei besonders strittigen Fragen kommen die Parteichefs zusammen. Alle Beteiligten werden in den nächsten Wochen also viel Zeit miteinander verbringen müssen.
Besonders charmant zeigte sich angesichts dieses Ausblicks CDU-Generalsekretär Gröhe. Er holte SPD-Parteichef Sigmar Gabriel vor der Sitzung persönlich am Eingang des Konrad-Adenauer-Hauses ab. Sein Lächeln beim Smalltalk hätte nicht breiter sein können.
Zur Stimmungsmache gehörte auch, dass es beim ersten Treffen noch nicht um Inhalte ging. Die meisten Unterhändler wichen Reportern, die vor der CDU-Parteizentrale auf sie warteten, aus. Wenn jemand etwas sagte, war es meist eine Worthülse. Beliebte Sätze: "Mal sehen" oder "Warten wir's mal ab", "So weit sind wir noch nicht" oder "Wir werden hart verhandeln". Auch die offizielle Tagesordnung des ersten Treffens sah keine inhaltlichen Debatten vor. Es ging zunächst nur darum, den Verlauf der Verhandlungen zu planen.
In den nächsten Tagen werden sich die Arbeitsgruppen zusammensetzen. In großer Runde geht es dann am 30. Oktober erstmals zur Sache. Dann soll es um das Thema Europa gehen. Bis zum 26. November wollen die Parteien Kompromisse bei allen entscheidenden Themen finden, damit die 470.000 SPD-Mitglieder rechtzeitig vor Weihnachten per Briefwahl über den Koalitionsvertrag abstimmen können.
Wenn da nur die PKW-Maut nicht wäre
Dass die zur Schau getragene atmosphärische Umarmung von Union und SPD keine echte Umarmung ist, war bei dem Treffen allerdings allzu offensichtlich. Nicht nur wegen Dobrindts unmissverständlicher Körpersprache.
Der CSU-Mann freut sich sichtlich über die Frage eines Journalisten nach einer möglichen PKW-Maut, ein Wunschprojekt seiner Partei. Dobrindt sagt: "Eine PKW-Maut für Ausländer ist gut für Deutschland." CDU-Generalsekretär Gröhe sagt dagegen nur, die sei heute nicht Gegenstand der Gespräche, das Thema werde aber selbstverständlich eine Rolle in den Arbeitsgruppen spielen. SPD-Generalsekretärin Nahles verweigert eine Aussage.
Bei allem Bemühen um eine gute Gesprächsatmosphäre ist klar, dass es nicht immer harmonisch zugehen kann in den nächsten Wochen. Es gibt reichlich Stoff für Streitereien. Abgesehen von dem Orchideenthema PKW-Maut ist wohl das Beharren der SPD auf einen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro am bedeutsamsten. Hinzu kommt der Wunsch der Sozialdemokraten, Steuern zu erhöhen.
Quelle: ntv.de