CDU, CSU und SPD machen sich auf den Weg Die Knackpunkte der Koalitionsgespräche
23.10.2013, 11:04 Uhr
In Berlin werden die Klingen gekreuzt. CDU, CSU und SPD wollen bis zum 26. November ihre Streitpunkte aus dem Weg schaffen, um für die kommenden vier Jahre eine starke Regierung zu stellen. Dabei steht schon jetzt fast alles unter einem Finanzierungsvorbehalt.

Eine neue schwarz-rote Regierung würde im Bundestag über eine große Macht verfügen.
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Vor der ersten Runde der Koalitionsverhandlungen von Union und SPD sorgt die Frage der Finanzen für Zündstoff zwischen den Bündnispartnern in spe. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte in der ARD, bei den Finanzen gebe es bisher noch keine Klärung. "Das müssen wir auf den Tisch bringen - noch heute", fügte sie hinzu. Fast zeitgleich wandte sich die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, erneut gegen die SPD-Forderung nach Steuererhöhungen.
Die CSU lehnt eine höhere Neuverschuldung zur Finanzierung von Projekten einer Großen Koalition klar ab. Allerdings will sie an der bislang nicht finanzierten Mütterrente festhalten. In der SPD heißt es postwendend, jetzt müsse über eine schlüssige, belastbare, glaubwürdige und gerechte Finanzierung gesprochen werden. Es bringe nichts, wenn die mit der Union vereinbarten Vorhaben anschließend unter einem Finanzierungsvorbehalt stünden.
Bei ihrem ersten Treffen in der Berliner CDU-Zentrale reden die 75 Vertreter von CDU, CSU und SPD zunächst über organisatorische Fragen. Ab Donnerstag soll über Sachfragen dann in Arbeitsgruppen verhandelt werden. Beide Seiten einigten sich auf insgesamt zwölf Arbeitsgruppen und vier Unter-Arbeitsgruppen.

Wenn die Verhandlungen erfolgreich verlaufen, könnte Angela Merkel zwischen dem 16. und dem 20. Dezember erneut zur Kanzlerin gewählt werden.
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Die große Verhandlungsrunde soll sich mindestens wöchentlich treffen, i mmer abwechselnd in den Parteizentralen von CDU und SPD. Nach der bisherigen Planung ist letzte Sitzung der großen Koalitionsrunde für den 26. November angesetzt. Bis dahin sollte der Vertrag unter Dach und Fach sein. Die neue Regierung soll bis Weihnachten stehen.
Erfolg nicht garantiert
Ob die Parteien tatsächlich so weit kommen, gilt unter Beobachtern als noch längst nicht ausgemacht. So spricht Berlins SPD-Chef Jan Stöß von bisherigen Minimalforderungen der Sozialdemokraten, die Parteichef Sigmar Gabriel in die Sondierungen eingebracht habe. Tatsächlich würden viele Funktionäre von Gabriel erwarten, dass er mehr raushole. Denn am Ende stehe das Mitgliedervotum der SPD, das für die zweite Dezemberwoche erwartet wird. Dann stimmen die rund 470.000 Mitglieder der Partei darüber ab, ob die Ergebnisse für eine Koalition ausreichen, oder doch noch einmal die Grünen zum Zuge kommen.
Für Gabriel könnte das Mitgliedervotum ein Faustpfand in den Verhandlungen mit der Union sein, die sich wiederum auf den Finanzierungsvorbehalt berufen wird. Überhaupt spielt das Thema Geld bei fast allen noch offenen Fragen die herausragende Rolle.
Hier ein kurzer Überblick:
Arbeit
Die SPD dringt weiter auf einen flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro. CSU-Chef Horst Seehofer deutete zwar ein Einlenken an, doch will er Ausnahmen für Azubis und möglichst unterschiedliche Mindestlöhne für Branchen und Regionen. Die CDU hielt sich vorerst bedeckt, ist aber ebenfalls zu einem Mindestlohn bereit, dessen Höhe von den Tarifpartnern oder von einer Kommission festgelegt werden sollte. Weitere Streitpunkte sind die SPD-Forderungen nach mehr Schutz vor Missbrauch von Leih- und Zeitarbeit sowie nach einer Frauenquote für Aufsichtsräte.
Steuern
Die Union hat Steuererhöhungen kategorisch ausgeschlossen und will zudem die Bürger bei der kalten Progression entlasten. Die SPD will hingegen große Einkommen und Vermögen stärker belasten, um Schuldenabbau, Bildung und Infrastrukturausbau zu finanzieren. Dazu soll vor allem der Spitzensteuersatz steigen. Angesichts des Widerstands der Union beharren die Sozialdemokraten zumindest auf einer Gegenfinanzierung für notwendige Investitionen.
Gesundheit
Mit einer - auch die Pflege abdeckenden - Bürgerversicherung für alle will die SPD das Zweiklassen-System aus privater und gesetzlicher Krankenversicherung ablösen. Die Union will im Grundsatz am Nebeneinander von privaten und gesetzlichen Kassen festhalten. Die Beiträge zur Pflegeversicherung will sie ebenso wie die SPD leicht anheben.
Renten
Die Rente mit 67 hatten Union und SPD 2006 gemeinsam eingeführt. Inzwischen fordert die SPD deren Aussetzung, sollte der Anteil älterer Erwerbstätiger nicht deutlich steigen. Für langjährig Versicherte planen die Sozialdemokraten eine Solidarrente von 850 Euro. Die CDU will eine Lebensleistungsrente von ebenfalls 850 Euro, für die es allerdings höhere Hürden geben soll - etwa eine Pflicht zur privaten Vorsorge. Außerdem will die Union Renten für ältere Mütter verbessern.
Europa
Schon bisher hat die SPD die Politik Merkels in der Euro-Krise mitgetragen. Allerdings will die SPD Finanzmärkte stärker regulieren und bei der grundsätzlich bereits beschlossenen Finanztransaktionsteuer stärker Druck machen. Zudem setzen sich die Sozialdemokraten für einen europäischen Schuldentilgungsfonds ein, was die Union ablehnt.
Familien
Das gerade erst eingeführte Betreuungsgeld würde die SPD gern abschaffen - was besonders die CSU ablehnt. Die Kinderbetreuung wollen alle ausbauen, die SPD will Kitagebühren schrittweise sogar ganz abschaffen. Das Ehegattensplitting will die SPD abschmelzen. Die Union plant einen Umbau zu einem Familiensplitting.
Mieten
Die SPD fordert eine Mietpreisbremse; auch die Union hat sich dieser Forderung angeschlossen, allerdings wollen CDU und CSU dabei nicht so weit gehen wie die Sozialdemokraten.
Umwelt und Energie
Offiziell bekennen sich Union und SPD zum Ausbau erneuerbarer Energien und zur Verminderung von Treibhausgasen. Die Förderung von Ökostrom will die Union aber zugunsten niedrigerer Strompreise stärker einschränken. Dem könnte auch die Kohlelobby in der SPD zustimmen.
Verkehr
Hier streiten sich eher die Unionsparteien: Die CSU fordert die Einführung einer PKW-Maut, CDU und SPD lehnen diese weitgehend einmütig ab. Mehr Geld in den Ausbau von Verkehrswegen stecken wollen aber alle.
Ausländer und Asyl
Die SPD befürwortet doppelte Staatsbürgerschaften für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern. Die Union zeigte hier zuletzt eine grundsätzliche Bereitschaft zum Einlenken. Für Asylbewerber will die SPD den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern und die Residenzpflicht aufheben.
Quelle: ntv.de, ppo/dpa/AFP