Politik

Wie Schiefergas die Welt verändert Die neue Macht der USA

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Im Boden der USA lagern Schätzungen zufolge rund 23 Billionen Kubikmeter Schiefergas.

(Foto: REUTERS)

Auf der Agenda der 49. Münchner Sicherheitskonferenz steht neben den Krisen rund um Mali, Syrien und den Iran auch das Thema Energie. Zu Recht werden Staatschefs, Minister und Militärexperten über neue Fördermethoden von Öl und Gas diskutieren. Denn sie könnten die Machtverhältnisse auf der Welt durcheinanderwirbeln.

Die Kolonne der Zerstörer reicht bis zum diesigen Horizont. Hier und da lugt zwischen den schweren Schiffen das Periskop eines U-Bootes aus dem Wasser. Kampfjets donnern im Tiefflug über die See. Es ist Ende Dezember in der Straße von Hormus. Der Iran demonstriert mit einem sechstätigen Militärmanöver seine Stärke und probt die totale Blockade der Meerenge. Wieder einmal.

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US-Präsident Barack Obama setzt auf Fracking -Umweltschützern zum Trotz. Er hofft auf hunderttausende neue Jobs in der Branche.

(Foto: REUTERS)

Über die Straße von Hormus wickelt die Welt rund 40 Prozent ihrer Seetransporte von Rohöl ab. Eine Blockade wäre gleichbedeutend mit einem Exportstopp aus dem Persischen Golf. Auf jenen 55 Kilometern zwischen der arabischen Halbinsel und dem Iran verfügt Teheran über gewaltiges Drohpotenzial, kann die EU, die Supermacht USA, die ganze Welt unter Druck setzen. Doch bald könnte die Sperrung der Meerenge ihren Schrecken verlieren – zumindest für die Vereinigten Staaten, dem Erzfeind des Regimes von Mahmud Ahmadinedschad und dem geistlichen Führer Ali Chamenei .

Der Grund für diesen Umbruch hat einen Namen: Hydraulic Fracturing, oder kurz Fracking. Und dieser Umbruch ist derart bedeutsam, dass sich sogar die Münchener Sicherheitskonferenz damit beschäftigt.

Goldgräberstimmung in North Dakota

Worum geht es? Fracking bezeichnet eine Methode der Öl- und Gasgewinnung. Dabei wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien unter hohem Druck in die Erde gepumpt. Tiefliegende Gesteinsschichten brechen auf und geben den bisher unerreichbaren, im Gestein eingeschlossenen Rohstoff Preis. In den USA wurden gewaltige Vorkommen von derart gebundenem Öl und Gas entdeckt. Genaue Schätzungen gibt es nicht, doch Experten sind sich sicher: In der Erde schlummern Milliarden von Barrel Öl und laut der Energy Information Administration (EIA) rund 23 Billionen Kubikmeter Gas. Technik und Rohstoffpreise haben sich in den vergangenen Jahren zudem derart entwickelt, dass es sich nun auch wirtschaftlich lohnt, diesen Schatz zu bergen.

In Texas und North Dakota ist deswegen eine regelrechte Goldgräberstimmung ausgebrochen. Zwischen 2000 und 2012 stieg allein die Förderung der sogenannten Schiefergase von 23 Millionen Kubikmetern auf 712 Millionen Kubikmeter pro Tag. Neue Förderstellen sprießen geradezu aus dem Boden – zu Tausenden.

Vom Importeur zum Exporteuer

Schätzungen der Internationalen Energiebehörde (IEA) zufolge überholen die Vereinigten Staaten im Jahr 2020 Saudi Arabien als größten Ölproduzenten. Das Land, das derzeit noch 40 Prozent seines Öls auf dem Weltmarkt einkauft, könnte in ein paar Jahren den Bedarf vollkommen aus eigenen Quellen decken. Von 2035 an wäre der Importeuer ein Exporteuer. Die Abhängigkeit von Öl aus dem persischen Golf wäre dahin.

In einer vertraulichen Studie des Bundesnachrichtendienstes heißt es: "Die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfreiheit" für Washington würde erheblich zunehmen. Und das heißt nicht nur, dass die USA eine Blockade der Straße von Hormus nicht mehr fürchten müssen.

Bedrohung für China und Russland

Der Vorsitzende der Sicherheitskonferenz, Wolfang Ischinger, machte noch vor dem Treffen in München seine Besorgnis deutlich, dass es zu "erheblichen inner-russischen Spannungen" kommen könnte. Das Land verfolgt schließlich das Ziel, sich auf dem Weltmarkt als Lieferant für die EU und China zu profilieren. Dieses Geschäft könnten die Vereinigten Staaten Moskau streitig machen. "Das wird natürlich die Frage aufwerfen: Wie kann Russland dann - möglicherweise unter Druck - eine Modernisierung und Diversifizierung seiner Wirtschaft weg von der alleinigen Einnahmequelle Öl und Gas nachholen?", so Ischinger. Auch China, in Sachen Machtbasis und Wirtschaftskraft der größte Rivale der USA, würde unweigerlich an Stärke im Vergleich zu den Vereinigten Staaten einbüßen. Denn das Land ist schon heute in deutlich höherem Maße auf Öl aus Saudi Arabien angewiesen.

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Mit biblischem Pathos protestieren Gegner der Fracking-Methode gegen die Förderung von Schiefergas.

(Foto: REUTERS)

Doch die Bedeutung der Energieautarkie geht noch weiter. Mit der neuen Unabängigkeit Amerikas dürfte wohl auch die Bereitschaft, sich aus Konflikten im Nahen Osten herauszuhalten, wachsen. Denn es ist fraglich, ob die USA noch bereit sind, Steuermilliarden und Soldatenleben für Krisenstaaten zu opfern, die ihnen nichts mehr zu bieten haben. Zumal auch das Trauma der Amerikaner, der internationale Terrorismus, zumindest zum Teil eine Folge der amerikanischen Interventionspolitik ist.

Die neuen Öl- und Gasvorkommen könnten Amerika und die Welt grundlegend verändern. Doch hinter dieser Entwicklungsprognose stehen zwei große Fragezeichen.

Gefahr für das Klima

Erstens: Auch andere Staaten könnten sich auf die Fracking-Methode stürzen und womöglich neue Vorkommen von Öl- und Schiefergas entdecken. Im deutschen Boden etwa schlummern Schätzungen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) zufolge immerhin 1,3 Billionen Kubikmeter förderbares Schiefergas. Experten vermuten aber: In Europa lohnt sich die aufwendige Fördermethode noch nicht. Die Gaspreise müssten ungefähr doppelt so hoch sein wie gegenwärtig. Deutschland ist neben den USA allerdings nicht das einzige Land, das über Vorkommen verfügt.

So hat China laut dem "Guardian" schon angekündigt, ebenfalls massiv aufs Fracking zu setzen. Die Weltmacht im fernen Osten schätzt ihre Bestände an Schiefergas auf 25 Billionen Kubikmeter und läge damit gleichauf mit den USA. Peking plant angeblich schon, bis zum Jahr 2015 rund 6,5 Milliarden Kubikmeter zu bergen. Dass die USA auf Fracking setzen und über gewaltige Vorkommen verfügen, muss also nicht zwingend bedeuten, dass sich auch die Balance zwischen den beiden größten Mächten verschiebt.

Unabhängig davon könnte es aber auch passieren, dass der gewaltige Fracking-Boom in den USA viel schneller an Schwung verliert als derzeit erwartet. Und das vor allem aus einem Grund: dem Umweltschutz. Die Fracking-Methode gilt als schmutzig, als Bedrohung für Trinkwasservorkommen. Zudem würden die Kohlendioxyd-Emissionen ins unermessliche steigen, wenn die USA tatsächlich all die neuen Ressourcen, die sie erschlossen haben, auch nutzen würden. Das Ziel der Vereinten Nationen, die Erderwärmung auf zwei Grad zu beschränken, ist nur ohne Öl- und Gas aus tiefen Gesteinsschichten zu erreichen. Am Ende könnte statt der Fracking-Methode die Angst vor dem Klimawandel darüber entscheiden, wie sich die Kräfteverhältnisse auf der Welt verändern. Derzeit kann von einem ernsthaften Umweltbewusstsein in den Vereinigten Staaten allerdings noch kaum die Rede sein.

Quelle: ntv.de

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