NPD-Verbotsverfahren Die verfassungsrechtlichen Hürden
07.12.2011, 13:42 Uhr
Der Wunsch nach einem Verbot der NPD ist Konsens - nur wie es erfolgen soll, ist strittig.
(Foto: picture alliance / dpa)
Ein erster Anlauf für ein Verbotsverfahren der NPD scheiterte 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht. V-Leute der NPD sollten die Verfassungsfeindlichkeit der Partei beweisen. Nun wird diskutiert, wie ein wiederholtes Scheitern zu vermeiden ist.
Über Forderung nach einem NPD-Verbot ist die Politik nicht erst seit der Neonazi-Mordserie einig. Streit herrscht lediglich darüber, wie ein NPD-Verbotsverfahren zum Erfolg geführt werden kann. Ein erster Anlauf von Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat scheiterte 2003 an der massiven Unterwanderung der rechtsextremen Partei durch staatliche Spitzel: Zahlreiche V-Leute des Verfassungsschutzes saßen im Bundesvorstand und den Landesspitzen der NPD. Was erst nach dem Verbotsantrag bekannt wurde: Ausgerechnet die Aussagen von zwölf V-Leuten, die der Verfassungsschutz in die Kader der NPD eingeführt hatte, sollten die Verfassungsfeindlichkeit der Partei beweisen. Die Namen von vier Spitzeln wollten die Geheimdienste auch auf Anfrage der Richter nicht preisgeben. Die Richter reagierten irritiert, das Verbotsverfahren scheiterte und die NPD verbuchte einen Erfolg.
Nach einer mündlichen Anhörung entschied der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts im März 2003, das Verbotsverfahren gar nicht erst zu führen. Drei der acht Richter sahen in den V-Leuten ein "nicht behebbares Verfahrenshindernis". Ein faires Verbotsverfahren sei so nicht gewährleistet, denn dafür müsse die Führungsebene frei von staatlicher Beeinflussung sein. Davon allerdings könne keine Rede sein, da die Kontakte zu den Spitzeln unmittelbar vor und während des Verbotsantrages weiterbestanden hätten. Dementsprechend seien die Verbotsanträge nicht unerheblich auf Aussagen von V-Leuten gestützt, ohne dass dies jemals gänzlich offen gelegt worden sei.
Ein neues NPD-Verbotsverfahren ist möglich
In der Sache selbst entschieden die Richter ausdrücklich nicht - also darüber, ob die Partei verfassungsfeindlich ist. Ein neues NPD-Verbotsverfahren ist daher möglich. Dafür müssten nach Ansicht des damaligen Vorsitzenden des Zweiten Senats und Vizepräsidenten des Gerichts, Winfried Hassemer, auch nicht von vornherein vor einem Antrag alle V-Leute abgezogen werden. "Unser Beschluss wird überinterpretiert, wenn man sagt, alle V-Leute müssen raus", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Vielmehr müssten nur diejenigen die Partei verlassen, von denen man annehmen müsse, sie hätten an Texten mitgearbeitet, mit denen ein Verbot begründet werden soll. Hassemer war einer der drei Richter, die 2003 gegen die Fortführung des NPD-Verbotsverfahrens gestimmt hatten.
Auf diese Abschaltung von V-Leuten könnte dem damaligen Beschluss zufolge aber in außergewöhnlichen Gefahrensituationen verzichtet werden. Nämlich dann, wenn "unter dem Deckmantel der Partei Gewalttaten oder andere schwerwiegende Straftaten vorbereitet oder geplant werden", wie es dort heißt. Wann eine solche Lage vorliegt und unter welchen weiteren Voraussetzungen ein Verfahren dann zu führen wäre, müssten die Richter entscheiden, die mit einem neuen Verbotsantrag konfrontiert wären.
Warnung vor überstürztem Antrag
Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, warnte jedoch auch angesichts der Mordserie der Zwickauer Neonazi-Zelle vor einem überstürzten Verbotsantrag: "Die Partei und nicht nur einer ihrer Funktionäre müsste in diese mörderischen Anschläge in irgendeiner Form verwickelt sein", mahnte er. Die Bekämpfung der freiheitlichen Grundordnung müsse der Partei, die verboten werden solle, selbst zurechenbar sein. "Verwerfliche Taten einzelner Mitglieder oder Anhänger reichen nicht aus."
Als Konsequenz aus den Erfahrungen in der Weimarer Republik enthält das Grundgesetz die Möglichkeit des Parteiverbots, um die Demokratie gegenüber ihren Feinden wehrhaft zu machen. Voraussetzung für ein Verbot ist jedoch, dass die betreffende Partei die freiheitlich-demokratische Grundordnung beeinträchtigen oder beseitigen möchte und der bestehenden Ordnung eine "aktiv kämpferische aggressive Haltung" entgegenbringt. Die Verfassungsfeindlichkeit einer Partei allein dagegen reicht für ein Verbot nicht aus. Bisher wurden in der Bundesrepublik nur zwei Parteien verboten: in den 1950er Jahren die Sozialistische Reichspartei (SRP) und die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD).
Quelle: ntv.de, rts