Taliban-Chef getötet Drohnen-Angriff erzürnt Pakistan
03.11.2013, 01:50 Uhr
In Peshawar informieren sich zwei Männer über den Tod des Taliban-Chefs Hakimullah Mehsud.
(Foto: dpa)
Der tödliche Drohnenangriff der USA auf den pakistanischen Talibanchef verärgert die Regierung in Islamabad. Sie sieht in dem Schlag einen Versuch der USA, die geplanten Friedensgespräche zu sabotieren. Eine pakistanische Provinz droht nun damit, eine für die Nato-Truppen in Afghanistan wichtige Versorgungsroute zu sperren.
Nach dem US-Drohnenangriff auf den Chef der pakistanischen Taliban (TTP) hat die Regierung in Islamabad schwere Vorwürfe gegen Washington erhoben. "Die pakistanische Regierung wertet diesen Drohnenangriff nicht als einen Angriff gegen ein Individuum, sondern als einen Angriff auf den Friedensprozess", sagte Innenminister Chaudhry Nisar Ali Khan. TTP-Chef Hakimullah Mehsud war am Freitag bei einem US-Drohnenangriff getötet worden.
Zu dem Angriff im Stammesgebiet Nord-Waziristan war es unmittelbar vor dem geplanten Beginn von Friedensgesprächen der Regierung mit der TTP gekommen. Khan kritisierte, auf der einen Seite sprächen sich die USA für einen Friedensprozess aus. "Auf der anderen töten sie den Anführer der Gruppe, mit dem wir diese Diskussion führen sollen." Der sichtlich aufgebrachte Minister sagte: "Ich befürchte, die Amerikaner müssen viel darüber lernen, was in diesem Teil der Welt geschieht."
Regierung will Friedensgespräche
Aus Protest gegen die jüngsten Drohnenangriffe gegen Taliban-Führer bestellte die Regierung den US-Botschafter ein. Ein solcher Schritt ist eine deutliche Form, Verärgerung zu zeigen - gerade bei einem verbündeten Land. Innenminister Nisar warf Washington vor, die Bemühungen seiner Regierung um einen Dialog mit den radikalislamischen Extremisten zu "sabotieren". Deswegen werde nun "jeder Aspekt" der Zusammenarbeit mit den USA auf den Prüfstand gestellt.
Seinen Angaben zufolge sollte eine offizielle Delegation von Geistlichen am Samstag zu den TTP aufbrechen, um ihnen die formelle Einladung zu Friedensgesprächen zu übergeben. Nur 18 Stunden zuvor sei dann der Drohnenangriff erfolgt. "Wir haben in den vergangenen sieben Wochen versucht, Stein für Stein einen Prozess zu bauen, der dem Land Frieden bringen könnte", sagte Nisar. Nun hätten die USA dies ruiniert. Das pakistanische Außenministerium teilte unterdessen mit, die Regierung sei entschlossen, die Friedensgespräche mit den Taliban fortzusetzen.
Nach unbestätigten Meldungen hatte Mehsud vor seiner Tötung an einem Treffen mit 25 Taliban-Anführern teilgenommen, bei dem es um die Haltung zum Gesprächsangebot der Regierung ging. Die Regierung in Islamabad hat wiederholt die Angriffe der US-Luftwaffe und des Geheimdienstes CIA mit unbemannten Flugzeugen auf ihrem Staatsgebiet verurteilt.
Die Provinzregierung von Khyber Pakhtunkhwa drohte damit, die Nato-Versorgungslinien ins benachbarte Afghanistan zu unterbrechen. Ein Sprecher sagte, das Parlament der Provinz werde am Montag darüber abstimmen, ob die Nachschubwege der Nato gekappt werden sollten. Eine der wichtigsten Versorgungsrouten läuft über den Khyber-Pass.
Pakistan fordert Ende der Drohnen-Angriffe
Die TTP ist für den Tod Tausender Menschen verantwortlich, darunter zahlreiche Zivilisten. Internationale Schlagzeilen machte die TTP mit einem Attentat auf die damals 15-jährige Schülerin Malala Yousafzai, der ein Extremist gezielt in den Kopf schoss.
Die US-Regierung hatte ein Kopfgeld von fünf Millionen Dollar auf Mehsud ausgesetzt. "Mehsud hat mehrere TTP-Angriffe gegen Personal und Interessen der USA in und außerhalb der Region organisiert und gesteuert", hieß es zur Begründung auf der Internetseite des "Rewards for Justice"-Programms. Die USA machen die TTP unter anderem für einen gescheiterten Anschlag auf dem New Yorker Times Square 2010 und einen Selbstmordanschlag auf eine CIA-Basis in Afghanistan 2009 verantwortlich, bei dem sieben Amerikaner getötet wurden. Die TTP ist ein Verbund militanter Gruppen, arbeitet mit dem Terrornetz Al-Kaida zusammen und operiert unabhängig von den afghanischen Taliban.
Mit den Drohnenangriffen setzen die USA sich über Proteste des pakistanischen Premierministers Nawaz Sharif hinweg. Sharif hatte vergangene Woche bei einem Treffen mit US-Präsident Barack Obama ein Ende der Drohneneinsätze gefordert, bei denen immer wieder auch Zivilisten getötet werden. Nach dem Treffen in Washington flogen die USA bislang zwei solche Einsätze. Der Einsatz von US-Kampfdrohnen in Pakistan ist völkerrechtlich umstritten.
Auch TTP-Gründer Baitullah Mehsud war 2009 bei einem US-Drohnenangriff getötet worden. Danach dauerte es Wochen, bis sich die TTP-Gruppierungen auf Hakimullah Mehsud als Nachfolger einigten. Sein Tod stürzte die pakistanischen Taliban in eine Führungskrise. Eine Ratsversammlung ernannte zunächst Mehsuds bisherigen Stellvertreter Khan Said Sajna zu dessen Nachfolger. Einige Gruppen in der TTP akzeptierten diesen Beschluss aber nicht, sagte ein Taliban-Kommandeur. Der Rat werde nun von Sonntag an solange weiter tagen, bis ein Entschluss gefasst werde.
Aus Furcht vor weiteren Drohnenangriffen wurde Mehsut nach Angaben des pakistanischen Geheimdienstes am frühen Samstagmorgen im Schutz der Dunkelheit beigesetzt. Ein Sprecher der Islamisten-Gruppe kündigte Vergeltungsangriffe an: "Jeder Tropfen seines Blutes wird sich in einen Selbstmordattentäter verwandeln."
Quelle: ntv.de, jga/dpa/rts