Einladung an Island EU bastelt Finanz-Kompromiss
17.06.2010, 16:53 Uhr
Gruppenbild. Der rote Punkt in der Mitte ist Angela Merkel.
(Foto: dpa)
Die 27 EU-Länder finden einen Kompromiss, um die Banken an den Kosten der Wirtschaftskrise zu beteiligen. Grünes Licht gibt es für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Island. Defizitsündern drohen neue Strafmaßnahmen, die EU-Verträge werden dafür nicht geändert.
Die EU will die Finanzbranche an den Kosten der Wirtschaftskrise beteiligen. Dazu soll es künftig in den Mitgliedstaaten eine Mischung aus Bankenabgabe und Steuern geben. Darauf verständigten sich die EU-Staats- und Regierungschefs nach Angaben von Diplomaten in Brüssel.
Zudem gab der Gipfel grünes Licht für den Beginn von Beitrittsverhandlungen mit Island. Die 27 EU-Regierungen einigten sich nach Angaben aus Teilnehmerkreisen auf die entsprechenden Passagen in der Gipfelerklärung.
Darin stellt die EU fest, dass das Land die politischen Kriterien für einen Beitritt zur Union erfüllt habe. Zugleich wird Island aber ermahnt, alle Verpflichtungen aus der Finanzkrise zu erfüllen. Das Land hatte im vergangenen Jahr den Antrag auf Mitgliedschaft gestellt. Großbritannien und die Niederlande hatten zunächst die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen verhindert, weil Island bisher die Entschädigung britischer und niederländischer Anleger verweigert, die durch den Zusammenbruch isländischer Banken Verluste in Milliardenhöhe erlitten hatten.
Der EU-Gipfel beschloss auch, dass Estland am 1. Januar als 17. EU-Staat den Euro einführen kann.
Defizitsündern drohen Strafen
Angesichts der Schuldenkrise einigten sich die EU-Staats- und Regierungschefs auf eine bessere Koordinierung ihrer Wirtschaftspolitik und eine verschärfte Haushaltdisziplin. Der europäische Stabilitätspakt soll gestärkt werden, zum einen durch eine intensivere Überwachung der Haushaltsdisziplin der Mitgliedstaaten, zum anderen durch mögliche weitere Sanktionen bei Verstößen. So sollen der EU-Kommission von 2011 an die nationalen Haushalte im Frühjahr vorgelegt werden - also noch vor der Verabschiedung durch die Parlamente der EU-Mitgliedstaaten.
Der europäische Stabilitätspakt sieht Strafen für Länder vor, deren Staatsdefizit die Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes überschreitet. Tatsächlich wurden diese Strafen trotz zahlreicher Verstöße der Mitgliedstaaten bisher nicht verhängt.
Kleingedrucktes bleibt umstritten
Knackpunkte waren Kompetenzen und Aufgaben der Wirtschaftsregierung sowie Änderungen am EU-Vertrag, um die Schuldenmacher in die Schranken zu weisen. Deutschland und Frankreich hatten vorgeschlagen, notorischen Defizitsündern die Stimmrechte zu entziehen - dafür müsste aber in einem langwierigen Verfahren der Vertrag von Lissabon geändert werden.
Rückendeckung für Spanien
Spaniens Wirtschafts- und Finanzministerin Elena Salgado stemmte sich gegen die Gerüchte über milliardenschwere faule Kredite in den Bankenbilanzen. Um wieder in die Offensive zu kommen, kündigte sie an, die sogenannten Stresstests der heimischen Banken zu veröffentlichen. Sie gehe davon aus, dass "die Märkte begreifen, dass unser Finanzsektor Institut für Institut solide ist".
Die Staatschefs gaben Spanien verbale Rückendeckung. "Mir liegen keine Erkenntnisse vor, die mich annehmen ließen, dass Spanien sich in einer anderen Lage befinden würde als es noch vor Wochen stand", sagte Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker.
Europa bekommt Zehn-Jahres-Plan
Die EU-Staats- und Regierungschefs einigten sich zudem auf einen Zehn-Jahres-Plan, der feste Ziele zum Abbau der Armut und für mehr Bildung vorsieht. Das Programm "Europa 2020" ersetzt die im Jahr 2000 gestartete Lissabon-Strategie, die mit ihrem Ziel scheiterte, die EU bis 2010 zum dynamischsten Wirtschaftsraum der Welt zu machen.
Brüssel setzt im neuen Programm drei Schwerpunkte: Forschung und Entwicklung, umweltverträgliches Wachstum und Beschäftigung. So sollen die Investitionen in Forschung und Entwicklung von derzeit 1,9 Prozent des EU-BIP auf drei Prozent angehoben werden. Im Laufe des Jahrzehnts sollen zudem drei von vier Bürgern jedes EU-Landes Arbeit haben (75 Prozent statt derzeit 69 Prozent der 20- bis 64-Jährigen) und mindestens 20 Millionen Menschen vor einem Abdriften in die Armut nachhaltig geschützt sein.
Sanktionen gegen den Iran
Im Atomstreit mit dem Iran setzt die EU auf zusätzlichen Druck. Der EU-Gipfel beschloss neue Sanktionen, die vor allem den Energiesektor und die geringen Raffineriekapazitäten des weltweit fünftgrößten Öl-Exporteurs treffen sollen. Die Strafmaßnahmen gehen über die unlängst von den Vereinten Nationen beschlossenen Schritte hinaus und waren in ihrem Umfang von Diplomaten nicht erwartet worden. Russland kritisierte den Beschluss der EU und die Entscheidung der USA, die Post Bank of Iran zusätzlich auf die Schwarze Liste zu setzen.
Quelle: ntv.de, rts/dpa/AFP