Politik

Machtkampf mit Sarkozy EU durch Krise in der Krise

Die EU steuert nach Ansicht des tschechischen EU-Ratschefs Mirek Topolanek mit einem wachsenden Hang zum Protektionismus auf eine schwere politische Krise zu. Die Wirtschaft sei in einer beispiellos kritischen Lage. "Das bringt Spannungen, das führt zu protektionistischem Handeln - das ist eine große Herausforderung für das europäische Projekt", sagte Topolanek. Wenn die Politik stärker in die Wirtschaft eingreife als notwendig, werde sie die Krise noch verschlimmern.

Topolanek lud daher die Staats- und Regierungschefs zu einem informellen Sondertreffen am 1. März nach Brüssel ein. Alle müssten wieder an einem Strang ziehen. "Sonst ebnen wir den Weg für noch größere Probleme." Dann soll auch über ein gemeinsames Vorgehen bei neuen staatlichen Finanzhilfen an die Banken zur Entsorgung hochriskanter Wertpapiere beraten werden. Beschlüsse könnten auf dem folgenden EU-Gipfel am 19./20. März fallen. Im Mai wollen die Tschechen dann noch einen Sondergipfel in Prag zu Beschäftigung abhalten, um Maßnahmen zur Sicherung von Arbeitsplätzen auf den Weg zu bringen.

EU-Kommissionspräsident Jos Manuel Barroso zufolge steckt nicht nur Europa in einem schweren Konflikt. Weltweit gebe es eine "sehr, sehr ernste Bedrohung" der Wirtschaft durch Nationalismus und Protektionismus. Alle Regierungen stünden unter großem Druck ihrer heimischen Wirtschaft, die Krise mit einer Zauberformel zu lösen. "Unter diesen Umständen ist es verlockend, sich in die Ecke des nationalen Protektionismus zurückzuziehen - wir müssen gegen wirtschaftlichen Nationalismus und heimischen Protektionismus kämpfen."

Massiver Streit mit Frankreich

Den Ausschlag für das Vorbereitungstreffen am 1. März gab Topolanek zufolge der offene Streit zwischen Frankreich und Tschechien, den der französische Präsident Nicolas Sarkozy provoziert hatte. Dieser hatte angekündigt, die französischen Autobauer dürften die milliardenschweren Hilfskredite des Staates nur zu Hause ausgeben. Tschechien, wo PSA Peugeot-Citroen produziert, sieht sich von dieser Abschottung bedroht. Auch Deutschland, Schweden und andere EU-Länder erhoben Einspruch. Die EU-Kommission meldete Bedenken gegen Frankreichs Plan an, den sie jetzt streng prüfen will.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel mahnte Frankreich, bei seiner Unterstützung der Autobranche die EU-Regeln einzuhalten. Sarkozys Vorgehen werde sicherlich Thema beim Sondergipfel am 1. März. Mit Blick auf die französischen Hilfen für die Autoindustrie sagte Merkel nach einem Treffen mit dem neuen belgischen Premierminister Herman Van Rompuy in Berlin: "Es wird sicher um die Frage gehen, welche Zinssätze sind marktgerecht." Auch der Belgier mahnte: "Die Wettbewerbsregeln müssen für alle Länder in Europa die gleichen sein."

"Das nächste Mal rufe ich ihn an"

In Brüssel ließ Topolanek derweil durchblicken, dass hinter den Kulissen ein politischer Machtkampf mit Frankreich tobt. Es gebe Meinungsverschiedenheiten mit der französischen Regierung. Sarkozy hatte vergangene Woche in einem TV-Interview keinen Hehl daraus gemacht, dass er mit der Leistung Tschechiens als Nachfolger Frankreichs im EU-Ratsvorsitz nicht zufrieden ist. Gemeinsam mit Merkel hatte Sarkozy einen EU-Sondergipfel Ende Februar gefordert. Diplomaten zufolge ließ sich Merkel auf den gemeinsamen Brief mit Sarkozy an Topolanek ein, um den Franzosen von einem erneuten spalterischen Gipfel im Kreis der Euro-Länder abzuhalten.

Topolanek sagte, "einige Länder" meinten, sie müssten die EU kontrollieren. "Aber die EU ist ein gemeinsames Projekt, und mein Ehrgeiz ist, einen Kompromiss für ein gemeinsames Herangehen zu finden." Barroso sagte, in der EU müsse das Misstrauen abgebaut werden. Die einen könnten sich nicht mehr Rechte als die anderen herausnehmen. Topolanek will sich mit Sarkozy zumindest nicht mehr öffentlich über die Medien streiten. "Ich habe meine Lektion gelernt, das nächste Mal rufe ich ihn an."

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen