Urheberrechtsabkommen ACTA EU räumt mögliche Mängel ein
22.02.2012, 15:48 Uhr
Klare Position der Gegner.
(Foto: dapd)
Die Verweigerungshaltung einiger EU-Mitgliedsstaaten zeigt Wirkung. Die Kommissare lassen nun das Urheberrechtsabkommen ACTA vom Europäischen Gerichtshof prüfen. Es könnte gegen Grundrechte verstoßen. Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger bezeichnet den Schritt als "klug". Deutsche Bürgerrechtler vermuten pure Hinhaltetaktik.
Nach heftiger Kritik lässt die EU-Kommission das umstrittene Urheberrechtsabkommen ACTA juristisch überprüfen. Die EU-Behörde werde den Text dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorlegen, um zu klären, ob er mit den europäischen Grundrechten vereinbar ist. Das kündigte EU-Handelskommissar Karel De Gucht an. Die Richter sollten klären, ob das Abkommen dem EU-Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit, dem Datenschutz sowie dem Schutz des geistigen Eigentums entspreche.
Damit wolle die EU-Kommission der internationalen Kritik entgegentreten: "Die Debatte muss sich auf Fakten und nicht auf falsche Informationen oder Gerüchte gründen", sagte der Kommissar. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sprach von einer klugen Entscheidung. Nach ihrer Einschätzung wird sich der Prozess dadurch um ein bis zwei Jahre verzögern.
Kritiker befürchten unter anderem, dass Internetprovider künftig mit der Musikindustrie kooperieren und im Extremfall bei vermuteten Rechtsverstößen den Anschluss sperren könnten. Dies wird in mehreren Ländern bereits praktiziert, darunter auch Großbritannien und Frankreich. Diese "Three Strikes"-Regelung ist aber höchst umstritten. Neben dem Inhalt des Abkommens stört viele Kritiker aber auch, dass es angeblich geheim verhandelt wurde - was die EU zurückweist. Präventiv-Filter gegen Verstöße gegen das Urheberrecht hatte der Gerichtshof vor wenigen Tagen für illegal erklärt.
Bürgerrechtler wittern Taktik
Der Verein Digitale Gesellschaft warf der Kommission vor, auf Zeit zu spielen. "Sie hofft, dass die Proteste gegen das Abkommen nach einem langen EuGH-Verfahren vergessen sind und die Nutzer nicht mehr auf die Straße gehen", schrieb der Vorsitzende der Organisation, Markus Beckedahl, in einer Mitteilung. Bereits im Laufe diesen Jahres komme "ACTAs kleiner Bruder" auf den Tisch. Die Überarbeitung der Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte an geistigem Eigentum (IPRED) werde weitere Verschärfungen bei der Rechtsverfolgung von Urheberrechtsverstößen mit sich bringen. Und: "Dieser Schritt kommt erst zu einem Zeitpunkt, wo ACTA vorraussichtlich keine Mehrheit im EU-Parlament hat", so Beckedahl in einem Blog.
In den vergangenen Wochen hatte eine breite Öffentlichkeit in Deutschland und anderen Ländern gegen den Vertrag mobil gemacht. Die Bundesregierung setzte die Ratifizierung vor diesem Hintergrund auf Betreiben von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) vorerst aus. Am Wochenende warf Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) der EU-Kommission Versäumnisse bei der Vorbereitung von ACTA vor. Die Sorgen der Öffentlichkeit hätten viel früher aufgegriffen werden müssen, sagte Aigner.
Das Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) ist ein internationaler Handelspakt mit dem Ziel, Urheberrechte weltweit durchzusetzen. Nach anhaltenden Protesten hatten mehrere EU-Mitglieder wie Polen und Tschechien die ACTA-Ratifizierung ausgesetzt. Deutschland hat beschlossen, das Abkommen bis zur Klärung offener Fragen vorerst nicht zu unterzeichnen.
Kommissare betonen Freiheitsrechte
Die EU-Kommission hatte ACTA zusammen mit Staaten wie insbesondere den USA und Japan ausgehandelt. Der Ministerrat hatte den Text im Dezember einstimmig angenommen und die Staaten autorisiert, den Vertrag zu unterzeichnen. Auch das Europaparlament werde noch darüber abstimmen, sagte De Gucht. Nun könne sich dieser Prozess verzögern: "Ich gehe davon aus, dass der Ratifizierungsprozess so lange ausgesetzt wird, bis das Urteil vom Europäischen Gerichtshof vorliegt."
De Gucht verteidigte erneut das Abkommen. ACTA werde helfen, Arbeitsplätze zu schützen. "ACTA wird keine Webseiten schließen und auch nicht die Rede- oder Internetfreiheit einschränken", betonte der Kommissar. EU-Justizkommissarin Viviane Reding, die für Grundrechte zuständig ist, betonte die Bedeutung der Freiheitsrechte im Internet: "Copyright-Schutz kann niemals eine Aufhebung der Meinungs- oder Informationsfreiheit rechtfertigen."
Quelle: ntv.de, rpe/dpa/AFP