Politik

Bald nur noch Stoffbeutel? EU sagt Plastiktüten den Kampf an

Wer einkauft, erhält in vielen Ländern automatisch einen Plastikbeutel dazu. Da diese aber häufig nicht korrekt entsorgt werden, leidet die Umwelt stark. Die EU will dieses Problem jetzt angehen. Ein Umdenken muss aber auch auf anderer Ebene stattfinden.

Die Frankfurter Zeil am Vormittag. Man könnte sagen: Hier fängt das Übel an. Die Fußgängerzone mit ihren vielen Geschäften ist auch vor dem Mittagessen schon gut gefüllt, viele Menschen sind in Kauflaune. Und das Gekaufte muss irgendwo hin. Deshalb schleppen viele Passanten eine Plastiktüte mit sich herum. Manche sogar drei oder vier.

Allein in Deutschland werden pro Minute 10.000 Plastiktüten verbraucht, wie Jürgen Resch von der Umwelthilfe jüngst zum "Plastic Bag Free Day" bekannt gab. Eine solche Jahresmenge könnte aneinandergelegt 39 Mal die Erde umrunden. Im Durchschnitt verbraucht jeder Bürger in Deutschland 71 Tüten im Jahr. EU-weit sind es sogar 198 Stück. Dabei kommen etwa in Slowenien oder Ungarn ganze 500 Tüten im Jahr auf jeden Bürger. Auffällig ist, dass je geringer eine Abfallwirtschaft entwickelt ist, desto größer auch die Umweltbelastung ausfällt.

Zurück in die menschliche Nahrungkette

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Sollen Plastiktüten verboten werden?

Und damit beginnt das Problem: Viele Tüten enden statt in Müllanlagen in der Natur. Über Flüsse gelangen sie dann gerade in Ländern ohne eine funktionierende Abfall- und Kreislaufwirtschaft und mit riesigen Mülldeponien im Meer. Deutschland steht mit seinen hohen Recyclingstandards dabei noch gut da. Laut des UN-Umweltprogramms treiben rund 13.000 Plastikpartikel auf jedem  Quadratkilometer Meeresoberfläche - durch Strömungen werden sie weltweit verteilt.

Das Umweltbundesamt (UBA) schreibt über die deutlich negativen Auswirkungen des Plastikmülls auf Organismen: "Plastik hat eine sehr lange Abbauzeit und zersetzt sich zum Teil in immer kleinere Teile, wobei Additive wie Weichmacher oder Flammschutzmittel freigesetzt werden." Da viele Tiere kleine Plastikteile mit Nahrung verwechselten, nähmen sie diese auf. Über Fische können sie dann sogar in der menschlichen Nahrungskette landen. Eine Untersuchung toter Eissturmvögel an der Nordseeküste habe außerdem gezeigt, dass 95 Prozent der Vögel im Durchschnitt 30 Kunststoff-Teile im Körper gehabt hätten, betont die Umweltbehörde.

Kleine Tüten sind die schlimmsten Übeltäter

Eine Greenpeace-Meeresbiologin präsentiert tote Eissturmvögel und Kunststoffreste, die in ihren Mägen gefunden wurden.

Eine Greenpeace-Meeresbiologin präsentiert tote Eissturmvögel und Kunststoffreste, die in ihren Mägen gefunden wurden.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die EU-Kommission will diese enorme Umweltbelastung jetzt eindämmen und sagt den Plastiktüten verstärkt den Kampf an. Am Montag will Umweltkommissar Janez Potocnik den Entwurf für eine Richtlinie vorstellen. Sie soll helfen, den Verbrauch zu verringern. Dem Papier nach hätten die EU-Mitgliedsstaaten selbst die Wahl, Steuern und Abgaben zu erheben oder am wichtigsten: Plastiktüten ganz zu verbieten. Bisher geht das nicht.

Als Vorreiter gilt Irland. Seit dort eine Abgabe von 22 Cent auf jede Tüte erhoben wird, ist laut irischem Umweltministerium der jährliche Verbrauch von 328 auf 21 pro Kopf zurückgegangen. In Deutschland könnte das irische Modell schon bald eingeführt werden. UBA-Präsident Jochen Flasbarth fordert zum Beispiel eine generelle Bezahlpflicht. Kaufhäuser, Elektro-, Schuh- und Bekleidungsläden sollen Plastiktüten nicht mehr kostenlos abgeben dürfen. Daten zu Abfällen an deutschen Ostseestränden deuteten darauf hin, dass sich kostenlose Tüten häufiger finden lassen als kostenpflichtige Tüten, sagte Flasbarth.

Auf der Frankfurter Zeil sind die weißen, blauen, grellbunten Tüten fast nicht mehr wegzudenken. Kaum einer verzichtet freiwillig darauf. Die Mitarbeiterin einer großen Kaufhauskette erklärt es so: "Es ist eben ein kostenloser Service." In einer Drogerie ein paar Meter weiter gibt es Stoffbeutel in vielen Farben und allen Größen zu kaufen - meist kosten sie nur ein paar Cent. An der Kasse hängen kostenlose Plastikbeutel. "Fast jeder nimmt die", sagt die Verkäuferin und deutet auf die Kunststoffvariante. Es sind kleine Tüten aus leichtem Plastik. Aus Sicht der EU-Kommission die schlimmsten Übeltäter, denn die würden nur selten wiederbenutzt. Werden sie nicht korrekt entsorgt, wehen sie davon, zersetzen sich und gelangen oft in die Flüsse.

Plastik am Bioland-Stand
Der Atlantikstrand von Senegals Hauptstadt Dakar ist übersäht mit Plastikflaschen.

Der Atlantikstrand von Senegals Hauptstadt Dakar ist übersäht mit Plastikflaschen.

(Foto: dpa)

Am anderen Ende der Zeil ist gerade Wochenmarkt. An Haken neben dem aufgestapelten Ost und Gemüse baumeln Plastiktüten. Selbst an einem Stand mit Bioland-Gemüse hängen sie - neben Exemplaren aus Papier. Nicht jeder Kunde sei aber bereit, 20 Cent für eine Papiertüte zu zahlen, sagt der Verkäufer. Er könne die Papiertüten auch nicht einfach kostenlos anbieten, da sie im Einkauf schlicht zu teuer seien.

Dabei machen sich inzwischen viele Menschen Gedanken über das Problem mit den Plastiktüten. Eine Kampagne auf Facebook fordert gar dazu auf, im Weihnachtsgeschäft 2013 einfach ganz auf die belastenden Tüten zu verzichten und stattdessen lieber zum Stoffbeutel zu greifen.

An einem Stehtisch verspeist Heinz Stab gerade eine Bockwurst. Auf Plastik verzichten? Das sei sehr schwierig, meint der Rentner. Selbst die Wurst sei in eine kleine Plastiktüte eingewickelt gewesen. Man bekommt zwar überall eine Tüte, wenn es aber nur um eine kleine Pillenschachtel in der Apotheke gehe, lehne er dankend ab, erzählt er. "Normalerweise nehme ich auch immer einen Rucksack mit." Plastik sei halt ein sehr preiswertes Material, fügt seine Frau hinzu. "Es gibt keine günstige Alternative."

Quelle: ntv.de, dpa

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