Signal an Russland EU stoppt Verhandlungen
01.09.2008, 20:36 UhrAls Reaktion auf den Einmarsch in Georgien droht die EU Russland mit konkreten Maßnahmen. Es werde keine weiteren Verhandlungen über das geplante Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und Russland geben, falls Moskau nicht seine Truppen wie vereinbart aus Georgien abziehe, sagte EU-Kommissionspräsident Jos Manuel Barroso zum Abschluss des EU-Sondergipfels in Brüssel.
Bundeskanzlerin Angela Merkel bestätigte, die Verhandlungen zum Partnerschaftsabkommen sollen verschoben werden, bis Moskau den Sechs-Punkte-Plans für Georgien erfüllt. Der französische EU-Vorsitz hatte den Friedensplan am 12. August mit Russland und Georgien ausgehandelt. Er sieht unter anderem einen weitgehenden Rückzug der russischen Armee aus Südossetien und Georgien vor.
Mit dem Ergebnis des Gipfels zeigte Merkel sich zufrieden. "Wir können von der deutschen Seite zufrieden sein, dass wir einen Weg gefunden haben, der die verschiedenen Interessen der Europäischen Union bündelt", sagte die Kanzlerin nach dem Gipfel. Vor Beginn des Gipfels hatte Merkel sich für eine Fortsetzung des Dialogs mit Russland ausgesprochen. Die EU müsse nach der völkerrechtlichen Anerkennung der abtrünnigen georgischen Provinzen Südossetien und Abchasien durch Moskau zwar "klare Worte" finden, sagte die Kanzlerin. Aber: "Ich glaube, dass es eine gegenseitige Interessengemeinschaft gibt. Deshalb ist die deutsche Position auch, die Gesprächsfäden nicht abreißen zu lassen."
Georgien zufrieden, Russland enttäuscht
Der georgische Ministerpräsident Lado Gurgenidse begrüßte die scharfe Verurteilung Russlands beim EU-Gipfel begrüßt und verlangte eine engere Anbindung an die Europäische Union. "Wir sind sehr ermutigt von der starken und entschiedenen Haltung der Europäischen Union", sagt Gurgenidse. "Es bleibt aber natürlich weiterhin viel Arbeit."
Dass die 27 EU-Mitgliedsstaaten keine Sanktionen gegen Russland verhängen wollen, sei kein Problem. "Wir haben Sanktionen weder verlangt noch erwartet", sagte Gurgenidse.
Russland zeigte sich enttäuscht über die Aussetzung der Verhandlungen über das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen. "Falls die Gespräche über ein so grundlegendes Dokument tatsächlich verschoben werden sollten, würden wir dies bedauern", sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Moskau.
EU-Delegation am Montag in Moskau
Der französische Präsident und amtierende EU-Ratsvorsitzende Nicolas Sarkozy sagte, er werde zunächst am kommenden Montag gemeinsam mit Barroso und EU-Chefdiplomat Javier Solana nach Russland und Moskau reisen. Dieses Treffen werde "entscheidend" für die künftigen Beziehungen der EU zu Russland sein, betonte Sarkozy.
Die EU sei sich einig, dass der Sechs-Punkte-Plan vollständig umgesetzt werden müsse. "Dieser Plan ist das einzige Dokument, das von beiden Seiten anerkannt ist." Jede Lösung des Konflikts müsse "auf dem Respekt von Unabhängigkeit, Souveränität und territorialer Integrität beruhen - und nicht auf unilateralen Fakten, die dem internationalen Recht widersprechen."
Eskalation nicht ausgeschlossen
Weitere Entscheidungen über das Verhältnis zu Russland behält die EU sich ausdrücklich vor. "Wir haben einen Plan, und wenn der funktioniert, dann ist es gut. Aber wenn nicht, dann werden wir andere Entscheidungen treffen", sagte Sarkozy mit Blick auf den Sechs-Punkte-Plan. "In der derzeitigen Situation muss man das tun, was nötig ist - ohne irgendetwas zu überstürzen", sagte Sarkozy. "Man muss die Dinge auch noch steigern können."
Die nun abgesagte Verhandlungsrunde mit Russland war zunächst für den 15. September geplant gewesen. Das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und Russland soll sämtliche Bereiche der Beziehungen zwischen der EU und Moskau umfassen. Die EU erhofft sich vor allem mehr Sicherheit für die Energielieferungen aus Russland. Nach langem Widerstand Polens und Litauens hatte die EU erst im Mai ein Mandat für die Verhandlungen beschlossen, die im September fortgesetzt werden sollten. Für ein Abkommen mit Russland wäre später noch einmal die Zustimmung sämtlicher EU-Staaten nötig.
Georgien gibt Einsatz von Streubomben zu
Nach Funden von Streubomben im Südkausus hat Georgien erstmals den Einsatz der weltweit geächteten Waffen in dem Militärkonflikt mit Russland zugegeben. Das Verteidigungsministerium in Tiflis bestätigte einen Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, nach dem die Bomben im Krieg um die abtrünnige Region Südossetien eingesetzt worden seien. Allerdings seien die Waffen vom Typ M85, die mehrere kleine Sprengsätze enthalten und deshalb bei einer Explosion besonders zerstörerisch sind, nicht auf Zivilisten abgefeuert worden.
Die Abschussrampe Gradlar 160 und die Raketen seien lediglich zur Vernichtung des russischen Militärs eingesetzt worden, hieß es in der Stellungnahme des Ministeriums. Human Rights Watch teilte auch mit, dass im Konfliktgebiet ebenfalls Streubomben russischer Herkunft gefunden worden seien. Moskau bestreitet, die Waffen eingesetzt zu haben. Georgien verlangte weitere Aufklärung.
Streubomben gelten als besonders verheerende Waffen, weil sie eine Vielzahl kleinerer Bomben enthalten. Viele dieser Mini-Bomben gehen beim Aufprall auf dem Erdboden nicht sofort hoch, sondern liegen manchmal jahrelang unentdeckt im Gelände. Georgien und Russland gehörten nicht zu den Unterzeichnern der Konvention über ein Verbot von Streumunition, zu der sich mehr als hundert Staaten im Mai in der irischen Hauptstadt Dublin bekannten.
Massendemonstrationen in Georgien
Parallel zum Gipfel in Brüssel demonstrierten rund eine Million Georgier gegen die russische Besetzung von Teilen des Landes. Nach Angaben der Polizei war dies die größte Protestaktion in der Kaukasus-Republik seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991. Wenn die Zahlen stimmen, wäre fast jeder vierte der 4,5 Millionen Einwohner Georgiens auf der Straße gewesen, um dagegen zu protestieren, dass Russland die Eigenständigkeit der abtrünnigen georgischen Provinzen Abchasien und Südossetien anerkannt hat.
Viele Demonstranten schwenkten rot-weiße georgische Fahnen, mit denen auch Balkone geschmückt waren. "Lang lebe Georgien" und "Stoppt Russland", riefen die Teilnehmer, die in der Hauptstadt Tiflis eine Menschenkette bildeten.
"Georgien ist nicht allein, weil die ganze Welt uns beisteht", rief Präsident Micheil Saakaschwili der Menge zu. Die Führung in Moskau habe in Georgien eine "Wiederbelebung des russischen Imperialismus" versucht, werde damit aber in seinem Land scheitern.
Georgien hatte am 7. August eine Militäroffensive gestartet, um die Kontrolle über Südossetien zurückzugewinnen. Daraufhin war russisches Militär massiv in die Region und auf georgisches Kernland vorgedrungen.
Quelle: ntv.de