Politik

Bundestag zerlegt AfD-Antrag Ein "Friedensplan" wie ein Schlag ins Gesicht

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(Foto: picture alliance/dpa)

Die AfD muss sich im Bundestag für ihren Vorschlag einer Friedenslösung für die Ukraine teeren und federn lassen - und hat vermutlich nichts anderes gewollt. Denn der Plan ist kaum ernst zu nehmen. Stattdessen helfen 70 Minuten Debatte und reichlich NS-Vergleiche, um den alten Opferfetisch zu pflegen.

Das Selbstmitleid ist auf beiden Seiten des Plenums spürbar. Auf der einen Seite, weil man über den sogenannten Friedensplan der AfD für die Ukraine debattieren muss - und auf der anderen, weil dort Selbstmitleid zum Parteigenom gehört. Der Abgeordnete Robert Farle ist zwar aus der Fraktion ausgetreten, doch die breite Abscheu über den Antrag der AfD bringt ihn in der Debatte völlig aus der Fassung. Er wolle doch nur, dass der Krieg endlich aufhört, brüllt er ins Plenum, seine Stimme überschlägt sich. Ihm täten die russischen und die ukrainischen Soldaten leid, und natürlich die Zivilisten.

Robert Farle ist außer sich.

Robert Farle ist außer sich.

(Foto: IMAGO/Political-Moments)

Den Vorwurf aus der Unionsfraktion, die AfD sei nichts weiter als die "Berliner Hilfstruppe Moskaus", empfindet der einstige AfD-Mann, der sich mit seiner Partei ausgerechnet wegen deren moskaufreundlicher Linie überworfen hat, als böse Unterstellung. So sehr regt er sich auf, dass er den anderen Parteien im Bundestag "Goebbels'sche Propaganda" vorwirft und dafür prompt einen Ordnungsruf kassiert. Doch setzen darf er sich nach der Wutrede nicht - auch wenn es ihm im Stehen sichtlich schwerfällt, den Ruhepuls wieder herzustellen. Er muss erst die Gegenrede abwarten.

NS-Vergleiche bemüht auch die andere Seite. Grünen-Urgestein Jürgen Trittin ist sich sicher, dass AfD-Chef Alexander Gauland endlich auch erkennen würde, dass Russland in der Ukraine auf nichts anderes als Vernichtung aus ist, wenn er "nicht immer heimlich in 'Mein Kampf' stöbern würde". Dafür gibt's den nächsten Ordnungsruf. Selten werden Debatten im Bundestag so emotional geführt wie diese. Dass sich die AfD als Initiativgeber für eine Lösung des Konflikts präsentieren will, geht den Abgeordneten der übrigen Fraktionen gehörig gegen den Strich. Und tatsächlich ist das, was die AfD einen "Friedensplan" nennt, nichts anderes als ein Ausverkauf ukrainischer Interessen.

Ein Frieden auf Kosten der Ukraine

Nicht nur soll das Land seine Souveränität über die vier Regionen Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson an die Vereinten Nationen abgeben, auch auf Mitgliedschaften in NATO und EU soll das Land verzichten. Zudem fordert die AfD, dass auf ukrainischem Staatsgebiet auch künftig weder Atomwaffen noch konventionelle Raketen gelagert werden, ausländische Truppen dürften dort ebenfalls nicht stationiert sein. Über die Zukunft der Krim, so der Vorschlag, sei "innerhalb von 15 Jahren durch bilaterale Verhandlungen" zu entscheiden. Kein Wort davon, dass sich die Russen auch von der seit 2014 völkerrechtswidrig annektierten Halbinsel zurückziehen müssten, oder darüber, wie die Ukraine sich künftig gegen Russland wappnen soll.

Das Angebot der AfD an die Ukraine ist eine privilegierte EU-Partnerschaft - ähnlich dem Vorbild der Türkei, die diesen Status nach beinahe 18 Jahren der Beitrittsverhandlungen mit der EU längst als minderwertige Sonderlösung und Hinhaltetaktik empfindet. Dass Kiew eine solche Friedenslösung niemals akzeptieren könnte, ist den Antragstellern offenbar durchaus bewusst. Deshalb müsse die Bundesregierung gemäß Antrag ihre "politische, militärische und finanzielle Unterstützung an Kiews Verhandlungsbereitschaft zu ernsthaften Friedensgesprächen knüpfen". Von Russland wird eine Bereitschaft zu Verhandlungen lediglich "eingefordert".

Die lieben Kollegen - und andere …

Ohnehin muss sich Russland nach dem Willen der AfD ausschließlich dazu verpflichten, die Kämpfe einzustellen und die Truppen "schrittweise" hinter die Grenzen vom 24. Februar abzuziehen. Im Gegenzug sollen die Sanktionen gegen das Land entfallen. Auch die nachweislich von der russischen Armee begangenen Gräueltaten sind der AfD nur eine Randnotiz wert. Im Antrag heißt es dazu, zur Aufklärung und Ahndung von begangenen Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht "von beiden Kriegsparteien" müssten noch Regelungen gefunden werden. Im Plenum bringt das der AfD den Vorwurf ein, das Leid der ukrainischen Bevölkerung zu marginalisieren.

Die Reihen der AfD bringt das nur bedingt zur Wallung, im Verlauf der Debatte zeigen sich erste Ermüdungserscheinungen. Gottfried Curio lümmelt sich demonstrativ in seinen Sitz, Beatrix von Storch daddelt in der hintersten Reihe und Alexander Gauland legt wiederholt seine Stirn auf die verschränkten Arme, als quäle ihn eine schlimme Migräne. Munter wird es in den Reihen der Antragsteller erst wieder, als die CDU-Abgeordnete Serap Güler in ihrer Rede vermutet, dass dieser "Friedensplan" der AfD bei ihrem letzten Kreml-Besuch zugeschoben worden sei.

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Matthias Moosdorf, seit 2021 Mitglied der AfD-Fraktion, will das nicht auf sich sitzen lassen, will eine Zwischenfrage stellen. Gülers Antwort: "Mit Rechtsradikalen möchte ich nicht sprechen." Moosdorf schäumt. Nach Ende ihrer Redezeit geht er Güler direkt an: "Es gibt Irrtümer, es gibt Lügen und es gibt Reden von Frau Güler", ruft er und mahnt den kollegialen Umgang an. Dann unterstellt er der Ukraine, sie habe die russische Kultur unterdrückt. Nicht einmal Dostojewski dürften die Schüler in ukrainischen Schulen noch lesen. Moosdorf ist von Beruf Cellist. Auf die verschwörungsideologische Erzählung von der Auslöschung von allem Russischen geht Güler in ihrer Replik nicht mehr ein. "Wir sind beide Mitglieder des Bundestags, aber das macht uns nicht zu Kollegen", sagt sie.

Die Empörung darüber ist hörbar, doch die AfD gefällt sich sichtlich in der Rolle des politischen Außenseiters. Nichts anderes soll ihr "Friedensplan" bewirken, der ohnehin keine Chance auf Umsetzung hat. Das weiß auch die AfD. Er ist eine Provokation, mal wieder, um sich abzugrenzen von der Mehrheitsmeinung - und im Osten, wo kremlfreundliche Politik ungeachtet eines russischen Angriffskrieges kein Tabu ist, weiter Boden gutzumachen. Dafür schiebt die AfD ohne Zögern die Verantwortung für jeden weiteren Kriegstag der Ukraine zu, die nicht bereit sei für ernsthafte Friedensverhandlungen. "Wenn die Ukraine aufhört zu kämpfen, ist die Ukraine weg", entgegnet die Grünen-Abgeordnete Jamila Schäfer. "Wenn Russland aufhört zu kämpfen, ist der Krieg vorbei."

Quelle: ntv.de

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