Überwachung der Linkspartei "Ein verfassungspolitischer Skandal"
31.01.2012, 15:19 UhrEifrig beobachten Verfassungsschützer linke Abgeordnete. Doch wie sieht es konkret aus, wenn Schlapphüte Gregor Gysi oder Petra Pau ganz dicht auf den Fersen sind? Der Hamburger Politologe Michael Greven erklärt im Interview mit n-tv.de, wo die Unterschiede zwischen Beobachten und Überwachen liegen und ob ein Verbot der Partei Sinn machen würde.
n-tv.de: Herr Professor Greven, kann sich Herr Gysi noch ungestört mit Parteikollegen besprechen?
Michael Greven: Klar ist, dass Herr Gysi nicht nur beobachtet, sondern auch mit geheimdienstlichen Mitteln überwacht wird. Wie das ganz genau konkret aussieht, weiß man nicht.
Wie muss man sich das dann vorstellen?
Bei einer Beobachtung werden frei zugängliche Daten wie etwa Zeitungsinterviews oder Redebeiträge gesammelt. Bei einer Überwachung mit geheimdienstlichen Mitteln werden gezielt V-Leute eingesetzt, Angestellte nehmen eine verdeckte Beobachtung vor.
Wie sieht eine verdeckte Beobachtung aus?
Da werden Gespräche mitgezeichnet, wenn die Zielperson essen geht, werden Mikrofone am Tisch angebracht, Fotos geschossen. Es werden Briefe abgefangen und geöffnet. Es wird überprüft, welche Geschäfte aufgesucht oder welche Autos benutzt werden. Es geht darum, Bewegungsprofile zu erfassen und Kontakte, die sich daraus ergeben, nachzuzeichnen. Auch Personen aus dem Umfeld können dabei ins Visier geraten.
Klingt nicht viel anders, als Methoden, die die Stasi angewendet hat …
Das kann man nicht miteinander vergleichen, weil die Stasi ja Teil eines Unrechtsstaats war. Aber trotzdem möchte ich keinen Zweifel daran lassen, dass ich die Überwachung von Bundestagsabgeordneten der Linkspartei für einen verfassungspolitischen Skandal halte.
Warum?
Bundestagsabgeordnete sind ja das Organ, das die Dienste kontrollieren und überwachen soll. Außerdem sind Abgeordnete durch Recht und Verfassung geschützt, sie besitzen Immunität gegenüber einer strafrechtlichen Verfolgung und es ist von daher nicht einzusehen, dass sie mit geheimdienstlichen Mitteln ausgeforscht werden.
Der CDU-Innenminister Friedrich beschwichtigt. Er sagt, dass linke Abgeordnete nur "beobachtet" würden, halten Sie das für realistisch?

Politikwissenschaftler Michael Greven lehrt an der Uni Hamburg.
Nein, allein der Einblick in die Akte Gysi enthält zahlreiche geschwärzte Auszüge. Das widerlegt eigentlich die Aussage, dass nur öffentlich zugängliches Material gesammelt wurde.
Mindestens 42 Bundestagsabgeordnete gerieten bisher ins Visier des Verfassungsschutzes, das ist mehr als die Hälfte der Fraktion. Überrascht Sie diese Nachricht eigentlich?
Nein, das ist eigentlich keine Neuigkeit, die Linke wird seit 1995 beobachtet.
Nicht alle, sondern nur sieben Bundesländer beobachten linke Abgeordnete mit nachrichtendienstlichen Mitteln. Sind Linke in einigen Regionen demokratiefeindlicher als anderswo?
Zunächst einmal sind Landesämter für Verfassungsschutz dezentral organisiert, es hängt von der jeweiligen politischen Führung ab, ob sie den Auftrag zur Überwachung erhalten. Daran kann man sehen, dass hier eine parteipolitische orientierte Bewertung eine große Rolle spielt.
Auch die NPD wird mit geheimdienstlichen Mitteln überwacht, ist es legitim die beiden Parteien auf eine Stufe zu stellen?
Wenn man die beiden Parteien vergleicht, wird man schnell die Unterschiede feststellen. Innerhalb der Linkspartei mag es einzelne Personen geben, bei denen man an der Verfassungstreue zweifeln kann. Aber eine Partei als Ganze sollte man nur nach ihrer offiziellen Führung ihrer Politik in den Landesparlamenten und im Bundestag und nach ihrem Parteiprogramm beurteilen. Das Ziel, das die Linke im Programm ansteuert, ist der demokratische Sozialismus. Ein Ziel, das jahrzehntelang auch von der Sozialdemokratie angestrebt wurde und das nicht verfassungswidrig ist.
fordert trotzdem einen Verbotsantrag für die Linkspartei, hätte so etwas Erfolg?
Herr Dobrindt kann das fordern, ich halte das aber für eine parteipolitisch durchschaubare Taktik, die auch etwas mit dem bevorstehenden bayrischen Wahlkampf zu tun hat. Dass die Union insgesamt ein solches Verfahren anstrebt, halte ich für unrealistisch.
Mit Michael Greven sprach Ina Brzoska
Quelle: ntv.de