Politik

Geschichte einer Rivalität Eine Blume namens Schottland

Die einprägsame Musik des Dudelsack ist eines der markantesten Symbole Schottlands - und war deshalb zeitweise verboten.

Die einprägsame Musik des Dudelsack ist eines der markantesten Symbole Schottlands - und war deshalb zeitweise verboten.

(Foto: picture alliance / dpa)

Sie küssten und sie schlugen sich - die meiste Zeit wohl letzteres. Die Geschichte von England und Schottland ist vor allem durch Rivalität geprägt. Selbst der Zusammenschluss geschah von schottischer Seite nicht freiwillig.

"Wir können uns auch heute noch erheben, um wieder die Nation zu werden, die den stolzen Edward nach Hause geschickt hat, um sich die Sache nochmal zu überlegen." Diese Zeilen stammen aus der "Flower of Scotland", der potentiellen Nationalhymne eines eigenständigen Staates im Norden der britischen Insel. Das Lied verrät einiges über das Verhältnis von England und Schottland, denn der erwähnte Edward war ein englischer König des 13. Jahrhunderts, und die Sache, die er sich nochmal überlegen soll, ist die Eroberung Schottlands.

England und Schottland - geographisch eins, politisch seit 300 Jahren verbunden - und doch getrennt durch eine Geschichte von Feldzügen, Aufständen und Unterdrückung.

Es begann mit einer Mauer

Zum ersten Mal getrennt wurden die beiden Länder im Jahr 122. Der römische Kaiser Hadrian hatte den Süden Britanniens erobert, konnte aber nicht weiter vordringen, da keltische Stämme in den Wäldern erbitterten Widerstand leisteten. Um sich vor ihnen zu schützen, ließ er auf Höhe der heutigen Stadt Corbride eine über 100 Kilometer lange Wehranlage quer durch das Land bauen, die die Römer von den Barbaren trennen sollte. Seit der Zeit des Hadrianswalls war die britische Insel zweigeteilt: Aus dem lateinisch geprägten Süden gingen England und Wales hervor, den rückständigen Norden, bewohnt von zerstrittenen Stämmen, bezeichnet man heute als Schottland. Der kulturelle Unterschied blieb auch, als die Römer um das Jahr 400 ihre britische Kolonie aufgaben.

Ein geeintes Schottland gab es erst über 400 Jahre später: Im 9. Jahrhundert litt der Norden unter den Plünderfahrten der Wikinger. Zum Schutz vor den Angreifern schlossen sich die Stämme zusammen. Den größten Einfluss hatte seither der Stamm der Scoten, so dass deren Herrschaftsbereich bald als Scoten-Land, also Schottland, bekannt wurde.

Eine Geschichte für Hollywood

Zum ersten Mal in englische Abhängigkeit geriet Schottland weitere 400 Jahre später: Jener hochmütige Edward, besser bekannt als König Edward I., genannt "der Schottenhammer", mischte sich in schottische Streitigkeiten um den Thron ein, ernannte einen ihm gewogenen Kandidaten und erhielt so de facto die Herrschaft. Englische Adlige errichteten Burgen, die schottischen Clans mussten Steuern zahlen. Zum ersten Mal mussten sich die freiheitsliebenden Highlander dem Nachbarn aus dem Süden beugen.

Der Aufstand um William Wallace wurde vor allem durch den Film "Bravheart" berühmt. Vielleicht ruft heute Nacht manch ein Schotte: "Freiheit!".

Der Aufstand um William Wallace wurde vor allem durch den Film "Bravheart" berühmt. Vielleicht ruft heute Nacht manch ein Schotte: "Freiheit!".

(Foto: picture-alliance / dpa)

Zwischen den Jahren 1296 und 1371 kam es immer wieder zu Rebellionen. Den berühmtesten und letztlich erfolgreichsten Aufstand führte der verarmte Landadlige William Wallace gemeinsam mit dem Thronanwärter und späteren ersten König von Schottland, Robert the Bruce, an. Sie stellten sich dem überlegenen englischen Heer und erkämpfen die Unabhängigkeit Schottlands. Ihre Geschichte wurde als "Braveheart" verfilmt und gilt noch heute als Inbegriff des schottischen Freiheitswillens.

Von da an war Schottland ein unabhängiges Königreich - mal mit England verbündet, mal im Krieg. Manche der Adelsfamilien näherten sich immer wieder an London an, aber bis zum Jahr 1707 war Schottland eigenständig.

Schottland wird aufgekauft

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts war das Land am Boden. Interne Streitigkeiten und ein gescheiterter Versuch, in Panama eine Kolonie zu gründen, hatten den Staat an den Rand der Pleite gebracht. Am 16. Januar 1707 entschied das schottische Parlament, eine Versammlung von Landbesitzern, mit knapper Mehrheit und gegen den Willen weiter Teile der Bevölkerung, die vollständige Union mit England einzugehen. Die Schulden Schottlands wurden übernommen, dafür war der Norden des neuen Staates im Parlament in London deutlich unterrepräsentiert. Immer wieder gab es kleine, erfolglose Aufstände gegen die neue Union. Weder der alte Adel in den Highlands noch das einfache Volk waren für den Bund mit England, schließlich mussten sie deutliche Repressionen ertragen. Unter anderem wurde es verboten, Dudelsack zu spielen oder Kilts zu tragen. Damit sollte das Nationalgefühl unterdrückt werden. Dennoch baute das nun vereinte Großbritannien eine der ersten echten Demokratien der Neuzeit auf.

Wirtschaftlich ging es mit Schottland seither schnell bergauf. Die einsetzende Industrialisierung ließ vor allem um Glasgow Fabriken aus dem Boden schießen. Die Infrastruktur wurde ausgebaut, es entstanden riesige Arbeitersiedlungen rund um die Schornsteine. Im Ersten Weltkrieg wurde in Schottland ein Großteil der britischen Flotte produziert, zeitweise liefen 20 Prozent aller Schiffe weltweit in Schottland vom Stapel.

Der alte Ruf nach Freiheit

In den 1920er Jahren entstand aber gerade in den Zentren der Industrie eine starke linke Bewegung. Nach Kriegsende wurden viele Werftarbeiter arbeitslos. Die Frustrierten fühlten sich von der Regierung im fernen London im Stich gelassen. Langsam keimte der Wunsch nach Freiheit wieder auf. Die Regierung gestand Schottland einen eigenen Minister zu, der im Laufe der Jahre immer mehr Themen wie Landwirtschaft und Erziehung regional verwalteten durfte. Die "devolution", die Loslösung, hatte begonnen. In den nächsten Jahrzehnten erstarkte die Schottische National-Partei (SNP), die die Trennung von Großbritannien fordert. 1979 kam es zu einer Abstimmung über die "begrenzte Selbstbestimmung", die zwar eine Mehrheit erreichte, wegen der geringen Wahlbeteiligung jedoch für ungültig erklärt wurde. 1997 wurde erneut abgestimmt, diesmal gelang es, Schottland ein eigenes Parlament mit relativ weitgehenden Befugnissen in Bereichen wie Wirtschaft, Justiz und Kommunalrecht zu erstreiten. 2011 erreichte die SNP in diesem Parlament die absolute Mehrheit. Ihr Vorsitzender, Alex Salmond, steht heute an der Spitze der Abspaltungsbewegung.

In seiner Geschichte war Schottland 900 Jahre lang eigenständig, danach 300 Jahre ein Teil von Großbritannien. Vielleicht wird sich heute Nacht das Land "erheben, um wieder die Nation zu werden, die den stolzen Edward nach Hause geschickt hat, um sich die Sache nochmal zu überlegen".

Quelle: ntv.de

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