Politik

"Billige Geschäftsordnungstricks" Eklat im Bundestag

Das Vorgehen der Koalitionsfraktionen bei der Föderalismusreform hat am Mittwoch im Bundestag für einen Eklat gesorgt. FDP, Grüne und Linkspartei verließen unter Protest gemeinsam den Bildungsausschuss und warfen der Koalition wegen Abweisung ihrer Anträge Missachtung von Minderheitenrechten, Arroganz und Verletzung parlamentarischer Regeln vor. Der Vorfall soll an diesem Donnerstag Thema einer Geschäftsordnungsdebatte im Parlament sein. Unterdessen formiert sich in der SPD-Fraktion weiterer Widerstand gegen die Gesetzentwürfe zur Föderalismusreform, vor allem bei der Bildung.

Dem Auszug der Oppositionsfraktionen war heftiger Streit vorausgegangen. Hintergrund ist die Absicht der Fraktionsspitzen von Union und SPD, separate Anhörungen zur Föderalismusreform in den Bundestags-Fachausschüssen zu verhindern. Nach ihren Vorstellungen soll es nur eine mehrtägige Gesamtanhörung im Rechtsausschuss geben, an der auch der Bundesrat beteiligt wird. Während Union und SPD im Bildungsausschuss dafür sorgten, dass über die Anträge der Opposition erst gar nicht abgestimmt wurde, hatten FDP, Grüne und Linke dagegen im Umweltausschuss Erfolg. Doch diese Entscheidung soll am Donnerstag im Parlament wieder revidiert werden.

Die FDP-Politikerin Cornelia Pieper sagte: "Parlamentarische Regeln werden auf den Kopf gestellt." Für die Linkspartei sprach Nele Hirsch von "billigsten Geschäftsordnungstricks". Die Grünen-Fraktionsvize Krista Sager warf der Koalition "Arroganz der Macht" und "grobe Manipulation" vor. Eine "faire Sachdebatte" solle verhindert werden.

In der SPD-Fraktion hatte sich bereits am Montag auf einer Sondersitzung Widerstand artikuliert. Bei den Wortmeldungen habe das Verhältnis von Kritikern und Befürwortern 5 zu 1 betragen, sagten Teilnehmer der dpa. Das Abstimmungsergebnis sei wegen des Fehlens zahlreicher Abgeordneter unklar geblieben. Als Fraktionschef Peter Struck zum Schluss der Debatte "die Mehrheit bei wenigen Gegenstimmen und Enthaltungen" festgestellt habe, sei dies mit Gelächter quittiert worden, schreibt "Die Welt".

Kritik kommt vor allem von den Bildungs- und Umweltpolitikern. Aber auch die Parlamentarische Linke (PL) und die jüngeren im Netzwerk zusammengeschlossenen Abgeordneten wollen ihre Zustimmung von Korrekturen bei Bildung, Umwelt, Strafvollzug und beim Dienstrecht abhängig machen. Beide SPD-Fraktionsflügel verfügen zusammen über deutlich mehr als 100 Mitglieder. Bei der für Verfassungsänderungen notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament kann sich die große Koalition allerdings höchstens 38 Gegenstimmen oder Enthaltungen erlauben.

Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) wandte sich scharf gegen Länder-Forderungen, das ausgehandelte Gesetzespaket nicht mehr aufzuschnüren. Im Deutschlandfunk sagte Thierse: "Parlamentarische Debatten heißen nicht "friss Vogel oder stirb" - das ganze Paket darf nicht mehr angetastet, nur noch bestaunt werden. So geht das nicht in einer parlamentarischen Demokratie."

Die Vorsitzende des Bildungsausschusses, Ulla Burchardt (SPD), kritisierte die geplante Kompetenz der Länder bei der Bildung. "Was jetzt als Gesetzentwurf vorliegt, zementiert ungleiche Bildungs- und Lebenschancen über Jahrzehnte und schadet dem Innovationsstandort Deutschland", sagte Burchardt. Angesichts des PISA-Skandals und zigtausend fehlender Studienplätze sei es "grob fahrlässig, mit der deutschen Kleinstaaterei des 19. Jahrhundert zu antworten".

Gegen Allein-Kompetenz der Länder

Nach einer Forsa-Umfrage für n-tv spricht sich eine überwältigende Mehrheit der Deutschen (84 Prozent) für eine einheitlichere und zentralere Gestaltung des Schulwesens aus und lehnt eine Allein-Kompetenz der Länder bei der Bildung ab. Die Föderalismusreform selbst ist dagegen für die überwiegende Mehrheit (76 Prozent) wichtig. Befragt wurden 1001 Personen am 6. und 7. März.

Quelle: ntv.de

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